Nach dem letzten Besuch im Spice attestierten wir dem jungen Küchenchef Dennis Puchert ein grosses Talent und viel Potential nach oben. Dass er nun aber nach nur wenigen Monaten einen so grossen Schritt gemacht hat, überrascht uns dann doch. Aber alles der Reihe nach. Auf der Website des Rigiblick erfahren wir, dass man die Gäste auch am Mittag verwöhnt. Bereits wenig später befinden wir uns auf der schmalen Quartierstrasse die uns in das Restaurant mit Blick über Zürich bringt. Schon beim Betreten des Spice fällt uns das aufgefrischte Erscheinungsbild auf. Dezent hat man auf botanische Hilfsmittel zurückgegriffen um dem Restaurant mehr Charme zu geben. Nach unserem Input habe man auch dem Licht am Abend mehr Power gegeben, teilt uns Gastgeber Christian Gujan mit. Die Veränderungen stehen dem Spice ausgesprochen gut.
Wir nehmen Platz und ordern das Mittagsmenü in 4 Gängen zu fairen 62 Franken. Die Veränderungen gegenüber dem letzten Besuch, machen sich auch auf den Tellern bemerkbar. Bereits die Häppchen kommen frischer und geschmacksvoller daher. Die Präsentation ist sehr stimmungsvoll. Anschliessend serviert man uns ein etwas gar süsses, aber spannendes Amuse Bouche mit Thunfisch, Rande und Himbeere. Der erste Gang des Menüs, ein wunderbarer Lachs, setzt dann ein erstes grosses Ausrufezeichen. Das Gericht ist sehr präzise zubereitet und stark auf den Geschmack fokussiert. Stark ist auch die Sonnenblumenkernsuppe mit seinem wunderbar rauchigen Aroma – eine sehr harmonische Komposition.
Beim Kabeljau sorgen dann die Senfnoten für Begeisterung. Diese finden wir als Eis und Merengue auf dem Teller. Applaus gibt es auch für den Hauptgang, welcher die Fleischgänge vom letzten November sowohl geschmacklich als auch handwerklich übertrifft.
Ein ganz grosses Highlight sind dann die Desserts. Bereits das Pré-Dessert erntet grosse Bewunderung – zum einen für das imposante Geschmacksbild, zum anderen für den Mut hier nicht alltäglich Zutaten einzusetzen. Das Hauptdessert entpuppt sich dann gar als eine der besten Süssspeisen der letzten Monate. Ausgezeichnet wie sich die weisse Schokolade und die Gurke zu einer unvergesslichen Marriage vereinen. Desserts mit Gemüse erfordern ein hohes Mass an Talent um daraus ein sensorisches Highlight zu machen. Dies ist hier klar gegeben. Die Friandises schliessen dann das tolle Mittagessen würdig ab.
Wir sitzen zufrieden, und über die Qualitätssteigerung innerhalb der kurzen Zeit staunend, am Tisch. Wir sind sehr gespannt wie es hier im Spice weitergeht und sind überzeugt, dass wir von Dennis Puchert und seinem jungen Küchenteam noch viel hören werden.
Wertung: Gourmör / Michelin
/ Gault-Millau
(Besucht im Februar 2014)

Häppchen: Algenknusper mit Dashi, Litschi und Koriander // Vinegar Kartoffel mit Brathering, Sauerrahm und Schnittlauch // Jakobsmuschel mit Soja, Karotte und Ingwer

Amuse Bouche: Gebeizter und grillierter Thunfisch mit Babyrande, Himbeeressig, Brunnenkresse und Rettich

Grapfruitfilet mit Vanillemousse und Nougat-Crumble / Granatapfel mit Vervain-Tee-Schaum und Wachholder / Rotkohl mit Kondensmilch, Araguani und Macadamianüssen

Die junge Brigade: Philipp Dischinger, Philipp Onyskow, Dennis Puchert, Sebastian Rösch, Jasmin Schnetzer, Markus Kiefer (v.l.n.r.)
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Unser Besuch im November 2013
Vor genau 100 Jahren übernahm der Zürcher Frauenverein den Rigiblick in Zürich und rettete damit den angeschlagenen Betrieb. Zu Beginn diente das Lokal als Aussichtsrestaurant. Mit der Zeit wurde das Konzept aber immer wieder neu ausgerichtet. Zwei Jahre nach dem Millenium hat man das Restaurant Spice als Gourmet-Lokal positioniert. Alternativ steht den Gästen mit dem Quadrino eine einfachere Brasserie zur Verfügung. Auch die Hotelzimmer wurden umgebaut und vergrössert. Heute stehen den Gästen sieben grosszügige Suiten mit Weitblick zur Verfügung.
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Beinahe eine Dekade lang war das Gourmetrestaurant Spice das einzige Stadtzürcher Restaurant, das sich mit einem Michelin Stern schmücken durfte. Für diese jahrelange Alleinherrschaft war Spitzenkoch Felix Eppisser verantwortlich. Erst 2008 stiessen mit dem mesa und The Restaurant zwei weitere Lokale in diese Liga auf. 2010 verliess Eppisser die Schweiz Richtung Myanmar, um in dem aufstrebenden Land eine neue Existenz aufzubauen.
Die Nachfolge trat sein Sous-Chef Christian Nickel an; der nur zwei Jahre später ein einmaliges Angebot vom Parkhotel Vitznau nicht ausschlagen konnte und das Spice Richtung Vierwaldstättersee verliess. Und wieder wurde der Sous-Chef zum Küchenchef befördert. Dennis Puchert, damals erst 27 jährig, stellte sich der Herausforderung und konnte bereits nach wenigen Monaten den Michelin Stern seiner beiden Vorgängern erfolgreich verteidigen. Damit wurde der Berliner zum aktuell jüngsten Sternekoch der Schweiz.
Seit unserem Besuch im The Restaurant vor fast vier Jahren, haben wir es zum Essen nie mehr in die grösste Schweizer Stadt geschafft. Höchste Zeit das zu ändern. Für die Anreise entscheiden wir uns für’s Auto, welches wir in der Tiefgarage des Rigiblicks parkieren. Alternativ hätten wir auch mit der Seilbahn hochfahren können – die Endstation hält direkt vor dem Restaurant.
Das Interieur des Spice gewinnt keinen Schönheitswettbewerb. Nüchterne Betonwände dominieren den Raum. Das Licht ist schummrig und es gibt weder Bilder noch Vorhänge – entsprechend laut wird es bei einer Vollbesetzung aller 14 Tische. Wir erhalten einen Platz in der Ecke, direkt beim Fenster. Von draussen dringen um diese Zeit zwar keine Sonnenstrahlen mehr herein, doch die Ecklampe spendet etwas zusätzliches Licht.
Eine junge Dame stellt sich uns mit Vornamen vor und erkundigt sich nach unseren Apéro-Wünschen. Auch allfällige Unverträglichkeiten werden gleich in Erfahrung gebracht, denn mit dem bestellten Champagner, der in einem auffallend hohen Glas serviert wird, erreichen uns die ersten Häppchen.
Sauerrahmmousse mit Pumpernickel und Mohngrissini / Jakobsmuschel mit Soja und Rübli / Crevette mit Cognac und Meerrettich [-/10]
Wir starten mit ein paar filigran angerichteten Knabbereien. Sie sind geschmacklich sehr zugänglich. Lediglich bei der Geschmacksbalance sind Schwächen auszumachen. So dominiert fast immer ein Aroma etwas zu stark, weshalb das anvisierte Geschacksbild etwas verfehlt wird.
Brot
Als nächstes wird uns das wunderbare Gebäck mit zweierlei Butter gereicht. Schöne Aromen – vor allem der Hüttenkäse mit steirischem Bauernsalat schmeckt toll. Zum guten Glück werden die kleinen Brötchen während des ganzen Abends immer wieder fleissig aufgefüllt.
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Auf der Speisekarte finden wir ein 9-gängiges Menü sowie eine vegetarische Alternative. Die beiden Menüs lassen sich problemlos kürzen und kombinieren – später werden wir zudem die Möglichkeit haben, einen zusätzlichen Käsegang einzuschieben.
Gleich nachdem unsere Bestellung in der Küche verschwindet, wird das erste Amuse Bouche serviert:
Gänseleber mit Zimt und Portwein [5/10]
Daumen hoch für das exzellente Gänseleber-Mousse. Perfekt abgeschmeckt, wunderbar crèmic. Nur schade, dass die ebenfalls sehr geschmacksintensive Feige das Gericht zu stark dominiert und den feinen Lebergeschmack beinahe egalisiert. Mit einer dezenteren Dosierung wäre hier ganz viel mehr drin gewesen.
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Kartoffelragout mit Steinpilzen und Vadouvan [-/10]
Ein sommerlich anmutendes Gericht mit süffig feinen Aromen wird als zweites Amuse serviert. Uns fehlt hier ein mutiger Akteur, weshalb wir das Gericht nach dem Verzehr gleich wieder vergessen.
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Pulpobouillabaisse mit Artischocke und Granny Smith [5/10]
Der Abschluss der Amuse-Trilogie wird auf einem schwarzen Teller serviert. Der Pulpo ist zwar etwas stark abgekühlt, aber wunderbar zart. Das Zusammenspiel mit dem säurehaltigen Granny Smith funktioniert sehr gut. Auch der Fisch-Fond überzeugt – auch wenn wir den typischen Safran-Geschmack der klassischen Bouillabaisse etwas vermissen.
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Kalbstatar und Sardine [6/10]
Für das rassige Tatar mit der auffallenden Senfnote gibt es Applaus. Auch sonst macht es grossen Spass, sich kreuz und quer durch den Teller zu probieren. Darauf finden wir intensiven Pastinake in unterschiedlich Texturen. Einzig die Sardine wirkt als hätte sie den Weg auf den Teller willkürlich gefunden.
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Giliardeau Auster und Leinsamen [5/10]
Nun zaubert uns Puchert das Meer auf den Tisch. Als erstes widmen wir uns der wunderbaren Auster in der Schale. Diese ist mit Stangensellerie abgerundet was dem edlen Tier nicht nur eine weitere Textur, sondern auch ein facettenreicheres Geschmacksbild verleiht. Uns gefällt das sehr gut. Weniger harmonisch ist das Gericht auf dem marina blauen Teller. Wir finden darauf zwar schöne Geschmäcker, aber gerade der nicht annoncierte Lebkuchen wirkt befremdlich. Ein Beweis, dass alleine das Kombinieren von konträren Zutaten noch kein Garant für ein hervorragendes Geschmacksbild ist.
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Adlerfisch und Teriyaki [5/10]
Der Adlerfisch ist in Eiweiss gebraten und wird als eine Art Piccata serviert. Uns gefällt die Zubereitungsart sehr gut, auch wenn dadurch der Eigengeschmack des Fisches etwas in den Hintergrund gerät. Die dazu gereichte Sauce überzeugt und erinnert uns wegen der leichten Süsse an den Besuch bei einem Chinesen.
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Kaiserbein mit Herbsttrüffel [6/10]
Das nächste Gericht ist wunderbar süffig. Im Zentrum stehen knusprig frittierte Poulet-Bällchen mit Sot-l’y-laisse, daneben frischer Trüffel sowie Mousse und Püree von Schinken, Trüffel und Salat. Abgerundet wird die tolle Komposition von einem wunderbaren Jus. Ein Gericht zum reinknien und immer wieder essen.
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Steinbutt und Nordseekrabben [6/10]
Überzeugend geht es weiter mit einem glasigen Steinbutt, an einer wunderbaren Dill-Nordseekrabben-Sauce. Dazu serviert man uns knusprige Kartoffeln und als Highlight ein unscheinbar wirkendes Randen-Krabben-Praliné. Doch kaum verschwindet das rote Bällchen im Mund, haut uns sein intensiver Geschmack fast um und löst am Tisch uneingeschränkte Begeisterung aus.
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Königstaube mit Schlossberger [5/10]
Eine wunderbare sous-vide gegarte Taube leitet die Fleischgänge ein. Der schön zubereitete Vogel wird mit vielerlei knusprigen Elementen und einem schönen Jus begleitet. Letzterer hätte man ruhig noch etwas mutiger einsetzen dürfen.
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Molekularer Zwischengang
Für Pucherts Gerneration ist es selbstverständlich, dass man bei Bedarf molekulare Techniken einsetzt. Er macht dies so geschickt, dass dies meistens nicht auffällt, sondern nur seinen Zwerk erfüllt. Vor dem Hauptgang setzt er aber jeweils voll auf die Karte Molekularküche und schiebt einen kleinen Zwischengang ein. Heute Abend ist dies eine Sphäre mit Likör 43, Tonkabohne und weissem Pfirsich.
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Piemontesisches Rind mit Totentrompeten [6/10]
Ein überzeugender Hauptgang schliesst die salzigen Gerichte ab. Das zarte Rind wird begleitet von Pilzen, Kürbis und Passionsfrucht, diese sorgt für einen süss-sauren Kontrast. Ein sehr spannender und harmonischer Gang, der wiederum mit einem guten Jus abgerundet wird.
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Käse
Zur schönen Auswahl an verschiedenen Hart- und Weichkäsen serviert man uns Konfitüre und Früchtebrot.
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Pré-Dessert: Elisenlebkuchen mit Physalis, Glühweinoblate, Muskatbaiser, Ingwergelee und Koriander [5/10]
Mit dem pré-Dessert bringt Pâtissier Sebastian Rösch den Winter pointiert auf den Teller – hier passt jetzt auch das Lebkuchenaroma vorzüglich dazu.
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Apfelstrudel mit Süssholz [5/10]
Beim vollen Programm von 9-Gängen, bilden zwei Desserts den Abschluss. Den Auftakt macht ein modern interpretierter Apfelstrudel mit wunderbar knusprigen Elementen. Süssholz ist der zweite Akteur, der sich, als Gelée in Form einer nachgebauten Haribo-Lakritzschnecke, durch das Gericht schlängelt – dieser müsste noch etwas intensiver schmecken um gegen die dominierende Vanille-Sauce entgegenhalten zu können. Doch auch so ist dies ein sehr schönes Dessert.
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Herbstwald [6/10]
Das zweite Dessert gehört zu den schönsten, uns jemals aufgetischten Süssspeisen. Aber nicht nur die Präsentation ist wunderschön, auch die Aromen und Texturen überzeugen und machen diesen herbstlichen Spaziergang ganz besonders. Es schmeckt nach Beeren, Haselnuss Schokolade und Hagenbutte. Einzig der überproportionierte Schokoladen-Taler raubt dem süssen Abschluss etwas von seiner Eleganz. In Summe ein sehr spannendes und fruchtiges Dessert.
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Friandises [7/10]
Bei den Friandises legt man geschmacklich noch einen drauf und serviert drei traumhafte Häppchen mit klaren Aromen zu den Themen:
Chanelle N°5
Calamansi Macadamia weisse Schokolade
Christstollen Dörrzwetschge Portwein

Gastgeber Christian Gujan mit seinem Service-Team: Nicolas Leuenberger, Alzbeta Malova, Paul Micke, Pavol Spila und Dominik Dosch
Fazit: Es ist beeindruckend, wie selbstsicher der junge Dennis Puchert, nach nur 15 Monaten als Küchenchef, hier aufkocht. Ein Menü im Spice ist umfangreich, ideenreich und unterhält mehrere Stunden. So verwundert es auch nicht, dass das Restaurant am besuchten Abend voll war. Ob Jung oder Alt die ambitionierte Küche scheint zu begeistern. Den ersten Schritt hat Puchert also geschafft. Er hat sich im Spice gut eingelebt, seine Küche etabliert und talentierte Mitarbeiter gefunden. Im zweiten Schritt geht es nun darum noch präziser, abgeklärter und mutiger zu werden. Mutiger, um konträre Produkte nicht nur zu kombinieren, sondern daraus Kunstwerke zu schaffen. Uns hat der Besuch im Spice offenbart, dass Puchert grosses Potential besitzt und den nötigen Ehrgeiz hat, um dieses auszuschöpfen. Wir sind überzeugt, dass wir vom jungen Berliner in Zukunft noch viel hören werden. Wir bleiben dran und haben schon mal ein Tisch für ein Mittagessen reserviert.
Noch ein Wort zum Service: Hier kann sich Puchert auf Gastgeber Christian Gujan und dessen Team verlassen. Gujan ist ein nahbarer und hervorragender Gastgeber, der mit seiner positiven Art die Tristesse des Restaurants vergessen macht. Trotzdem sind wir überzeugt, dass man mit etwas mehr Blumen und Licht, nicht nur mehr Wärme ins Restaurant bringen würde, sondern dadurch auch die schön arrangierten Teller die verdiente Bühne erhielten.
Menü: Es stehen zwei Menüs mit 9 Gängen zur Verfügung – eines davon ist vegetarisch. Die Gäste haben individuell die Wahl welche und wieviele Gänge sie möchten. 4 Gänge kosten 145 Franken, 9 Gänge werden zu 225 Franken verrechnet. Dazu gibt es Häppchen, Amuses, Pré-Dessert und Friandises. Wunschweise kann man auch noch einen Käsegang einschieben.
Zeit: Das grösste Menü, inklusive Käse, wurde in knapp 5 Stunden serviert.
Wein: Unsere Weinbegleitung, welche mit 108 CHF verrechnet wurde:
Grüner Veltliner 2011, Emmerich Knoll, Wachau, Österreich
Tabula Rasa 2011, Domaine des Enfants, Languedoc, Frankreich
Vieilles Vignes 2010, Maitre de Chais, Wallis, Schweiz
Chardonnay 2011, Fam. Donatsch, Malans, Schweiz
Pinot Gris Barrique 2011, Erich Meier, Zürich, Schweiz
Nr. 3 Pinot Noir 2010, Schlossgut Bachtobel, Weinfelden, Schweiz
Châteaux Grand-Puy-Ducasse 2008, Bordeaux, Frankreich
Vintage Portwein, Quinta dela Rosa
Chradonnay Beerenauslese 2011, Weingut Tschida, Österreich
Online: Die Website des Restaurants ist übersichtlich aber etwas gar nüchtern. So fehlen uns vor allem Fotos von den schönen Gerichten. Hier hat jetzt Dennis Puchert aber selber Abhilfe geschaffen und startete eine eigene, sehr stimmungsvolle Website.
Wertung: Gourmör / Michelin
/ Gault-Millau
(Besucht im November 2013)
Sagenhafte Fotos. Toller Blog. Mein Glückwunsch.