Spice (Rigiblick) in Zürich

Nach dem letzten Besuch im Spice attestierten wir dem jungen Küchenchef Dennis Puchert ein grosses Talent und viel Potential nach oben. Dass er nun aber nach nur wenigen Monaten einen so grossen Schritt gemacht hat, überrascht uns dann doch. Aber alles der Reihe nach. Auf der Website des Rigiblick erfahren wir, dass man die Gäste auch am Mittag verwöhnt. Bereits wenig später befinden wir uns auf der schmalen Quartierstrasse die uns in das Restaurant mit Blick über Zürich bringt. Schon beim Betreten des Spice fällt uns das aufgefrischte Erscheinungsbild auf. Dezent hat man auf botanische Hilfsmittel zurückgegriffen um dem Restaurant mehr Charme zu geben. Nach unserem Input habe man auch dem Licht am Abend mehr Power gegeben, teilt uns Gastgeber Christian Gujan mit. Die Veränderungen stehen dem Spice ausgesprochen gut.

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Die beiden Gastgeber Dennis Puchert und Christian Gujan

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Wir nehmen Platz und ordern das Mittagsmenü in 4 Gängen zu fairen 62 Franken. Die Veränderungen gegenüber dem letzten Besuch, machen sich auch auf den Tellern bemerkbar. Bereits die Häppchen kommen frischer und geschmacksvoller daher. Die Präsentation ist sehr stimmungsvoll. Anschliessend serviert man uns ein etwas gar süsses, aber spannendes Amuse Bouche mit Thunfisch, Rande und Himbeere. Der erste Gang des Menüs, ein wunderbarer Lachs, setzt dann ein erstes grosses Ausrufezeichen. Das Gericht ist sehr präzise zubereitet und stark auf den Geschmack fokussiert. Stark ist auch die Sonnenblumenkernsuppe mit seinem wunderbar rauchigen Aroma – eine sehr harmonische Komposition.

Beim Kabeljau sorgen dann die Senfnoten für Begeisterung. Diese finden wir als Eis und Merengue auf dem Teller. Applaus gibt es auch für den Hauptgang, welcher die Fleischgänge vom letzten November sowohl geschmacklich als auch handwerklich übertrifft.

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Ein ganz grosses Highlight sind dann die Desserts. Bereits das Pré-Dessert erntet grosse Bewunderung – zum einen für das imposante Geschmacksbild, zum anderen für den Mut hier nicht alltäglich Zutaten einzusetzen. Das Hauptdessert entpuppt sich dann gar als eine der besten Süssspeisen der letzten Monate. Ausgezeichnet wie sich die weisse Schokolade und die Gurke zu einer unvergesslichen Marriage vereinen. Desserts mit Gemüse erfordern ein hohes Mass an Talent um daraus ein sensorisches Highlight zu machen. Dies ist hier klar gegeben. Die Friandises schliessen dann das tolle Mittagessen würdig ab.

Wir sitzen zufrieden, und über die Qualitätssteigerung innerhalb der kurzen Zeit staunend, am Tisch. Wir sind sehr gespannt wie es hier im Spice weitergeht und sind überzeugt, dass wir von Dennis Puchert und seinem jungen Küchenteam noch viel hören werden.

 

Wertung: Gourmör  O6 / Michelin M1 / Gault-Millau GM15

(Besucht im Februar 2014)

 

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Häppchen: Algenknusper mit Dashi, Litschi und Koriander // Vinegar Kartoffel mit Brathering, Sauerrahm und Schnittlauch // Jakobsmuschel mit Soja, Karotte und Ingwer

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Amuse Bouche: Gebeizter und grillierter Thunfisch mit Babyrande, Himbeeressig, Brunnenkresse und Rettich

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Siebirischer Wildlachs mit Dörraprikosen Kohlrabi / Gewürzbrot / Spreewaldgurken

 

 

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Rauchige Sonnenblumenkernsuppe mit Spinat / Lauch / Hefe / Eigelb

 

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Winterkabeljau mit Blumenkohl Rindermark / Craneberries / Meaux-Senf

 

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Geschmortes Kalbsbäggli mit Schwarzwurzeln / Zwiebeln / Rosenkohl / Jack Daniel’s-Jus

 

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Pré Dessert: Quark mit Butterkeks / Tamarillo / Mohn / Pistazie

 

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Weisse Schokolade mit Gurke / Martini / Mandel / Sauerampfer

 

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Grapfruitfilet mit Vanillemousse und Nougat-Crumble / Granatapfel mit Vervain-Tee-Schaum und Wachholder / Rotkohl mit Kondensmilch, Araguani und Macadamianüssen

 

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Die junge Brigade: Philipp Dischinger, Philipp Onyskow, Dennis Puchert, Sebastian Rösch, Jasmin Schnetzer, Markus Kiefer (v.l.n.r.)

 

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Unser Besuch im November 2013

 

Vor genau 100 Jahren übernahm der Zürcher Frauenverein den Rigiblick in Zürich und rettete damit den angeschlagenen Betrieb. Zu Beginn diente das Lokal als Aussichtsrestaurant. Mit der Zeit wurde das Konzept aber immer wieder neu ausgerichtet. Zwei Jahre nach dem Millenium hat man das Restaurant Spice als Gourmet-Lokal positioniert. Alternativ steht den Gästen mit dem Quadrino eine einfachere Brasserie zur Verfügung. Auch die Hotelzimmer wurden umgebaut und vergrössert. Heute stehen den Gästen sieben grosszügige Suiten mit Weitblick zur Verfügung.

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Beinahe eine Dekade lang war das Gourmetrestaurant Spice das einzige Stadtzürcher Restaurant, das sich mit einem Michelin Stern schmücken durfte. Für diese jahrelange Alleinherrschaft war Spitzenkoch Felix Eppisser verantwortlich. Erst 2008 stiessen mit dem mesa und The Restaurant zwei weitere Lokale in diese Liga auf. 2010 verliess Eppisser die Schweiz Richtung Myanmar, um in dem aufstrebenden Land eine neue Existenz aufzubauen.

Die Nachfolge trat sein Sous-Chef Christian Nickel an; der nur zwei Jahre später ein einmaliges Angebot vom Parkhotel Vitznau nicht ausschlagen konnte und das Spice Richtung Vierwaldstättersee verliess. Und wieder wurde der Sous-Chef zum Küchenchef befördert. Dennis Puchert, damals erst 27 jährig, stellte sich der Herausforderung und konnte bereits nach wenigen Monaten den Michelin Stern seiner beiden Vorgängern erfolgreich verteidigen. Damit wurde der Berliner zum aktuell jüngsten Sternekoch der Schweiz.

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Seit unserem Besuch im The Restaurant vor fast vier Jahren, haben wir es zum Essen nie mehr in die grösste Schweizer Stadt geschafft. Höchste Zeit das zu ändern. Für die Anreise entscheiden wir uns für’s Auto, welches wir in der Tiefgarage des Rigiblicks parkieren. Alternativ hätten wir auch mit der Seilbahn hochfahren können – die Endstation hält direkt vor dem Restaurant.

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Das Interieur des Spice gewinnt keinen Schönheitswettbewerb. Nüchterne Betonwände dominieren den Raum. Das Licht ist schummrig und es gibt weder Bilder noch Vorhänge – entsprechend laut wird es bei einer Vollbesetzung aller 14 Tische. Wir erhalten einen Platz in der Ecke, direkt beim Fenster. Von draussen dringen  um diese Zeit zwar keine Sonnenstrahlen mehr herein, doch die Ecklampe spendet etwas zusätzliches Licht.

Eine junge Dame stellt sich uns mit Vornamen vor und erkundigt sich nach unseren Apéro-Wünschen. Auch allfällige Unverträglichkeiten werden gleich in Erfahrung gebracht, denn mit dem bestellten Champagner, der in einem auffallend hohen Glas serviert wird, erreichen uns die ersten Häppchen.

Sauerrahmmousse mit Pumpernickel und Mohngrissini / Jakobsmuschel mit Soja und Rübli / Crevette mit Cognac und Meerrettich [-/10]

Wir starten mit ein paar filigran angerichteten Knabbereien. Sie sind geschmacklich sehr zugänglich. Lediglich bei der Geschmacksbalance sind Schwächen auszumachen. So dominiert fast immer ein Aroma etwas zu stark, weshalb das anvisierte Geschacksbild etwas verfehlt wird.

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Brot

Als nächstes wird uns das wunderbare Gebäck mit zweierlei Butter gereicht. Schöne Aromen – vor allem der Hüttenkäse mit steirischem Bauernsalat schmeckt toll. Zum guten Glück werden die kleinen Brötchen während des ganzen Abends immer wieder fleissig aufgefüllt.

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Auf der Speisekarte finden wir ein 9-gängiges Menü sowie eine vegetarische Alternative. Die beiden Menüs lassen sich problemlos kürzen und kombinieren – später werden wir zudem die Möglichkeit haben, einen zusätzlichen Käsegang einzuschieben.

Gleich nachdem unsere Bestellung in der Küche verschwindet, wird das erste Amuse Bouche serviert:

Gänseleber mit Zimt und Portwein [5/10]

Daumen hoch für das exzellente Gänseleber-Mousse. Perfekt abgeschmeckt, wunderbar crèmic. Nur schade, dass die ebenfalls sehr geschmacksintensive Feige das Gericht zu stark dominiert und den feinen Lebergeschmack beinahe egalisiert. Mit einer dezenteren Dosierung wäre hier ganz viel mehr drin gewesen.

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Kartoffelragout mit Steinpilzen und Vadouvan [-/10]

Ein sommerlich anmutendes Gericht mit süffig feinen Aromen wird als zweites Amuse serviert. Uns fehlt hier ein mutiger Akteur, weshalb wir das Gericht nach dem Verzehr gleich wieder vergessen.

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Pulpobouillabaisse mit Artischocke und Granny Smith [5/10]

Der Abschluss der Amuse-Trilogie wird auf einem schwarzen Teller serviert. Der Pulpo ist zwar etwas stark abgekühlt, aber wunderbar zart. Das Zusammenspiel mit dem säurehaltigen Granny Smith funktioniert sehr gut. Auch der Fisch-Fond überzeugt – auch wenn wir den typischen Safran-Geschmack der klassischen Bouillabaisse etwas vermissen.

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Kalbstatar und Sardine [6/10]

Für das rassige Tatar mit der auffallenden Senfnote gibt es Applaus. Auch sonst macht es grossen Spass, sich kreuz und quer durch den Teller zu probieren. Darauf finden wir intensiven Pastinake in unterschiedlich Texturen. Einzig die Sardine wirkt als hätte sie den Weg auf den Teller willkürlich gefunden.

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Giliardeau Auster und Leinsamen [5/10]

Nun zaubert uns Puchert das Meer auf den Tisch. Als erstes widmen wir uns der wunderbaren Auster in der Schale. Diese ist mit Stangensellerie abgerundet was dem edlen Tier nicht nur eine weitere Textur, sondern auch ein facettenreicheres Geschmacksbild verleiht. Uns gefällt das sehr gut. Weniger harmonisch ist das Gericht auf dem marina blauen Teller. Wir finden darauf zwar schöne Geschmäcker, aber gerade der nicht annoncierte Lebkuchen wirkt befremdlich. Ein Beweis, dass alleine das Kombinieren von konträren Zutaten noch kein Garant für ein hervorragendes Geschmacksbild ist.

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Adlerfisch und Teriyaki [5/10]

Der Adlerfisch ist in Eiweiss gebraten und wird als eine Art Piccata serviert. Uns gefällt die Zubereitungsart sehr gut, auch wenn dadurch der Eigengeschmack des Fisches etwas in den Hintergrund gerät. Die dazu gereichte Sauce überzeugt und erinnert uns wegen der leichten Süsse an den Besuch bei einem Chinesen.

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Kaiserbein mit Herbsttrüffel [6/10]

Das nächste Gericht ist wunderbar süffig. Im Zentrum stehen knusprig frittierte Poulet-Bällchen mit Sot-l’y-laisse, daneben frischer Trüffel sowie Mousse und Püree von Schinken, Trüffel und Salat. Abgerundet wird die tolle Komposition von einem wunderbaren Jus. Ein Gericht zum reinknien und immer wieder essen.

 

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Steinbutt und Nordseekrabben [6/10]

Überzeugend geht es weiter mit einem glasigen Steinbutt, an einer wunderbaren Dill-Nordseekrabben-Sauce. Dazu serviert man uns knusprige Kartoffeln und als Highlight ein unscheinbar wirkendes Randen-Krabben-Praliné. Doch kaum verschwindet das rote Bällchen im Mund, haut uns sein intensiver Geschmack fast um und löst am Tisch uneingeschränkte Begeisterung aus.

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Königstaube mit Schlossberger [5/10]

Eine wunderbare sous-vide gegarte Taube leitet die Fleischgänge ein. Der schön zubereitete Vogel wird mit vielerlei knusprigen Elementen und einem schönen Jus begleitet. Letzterer hätte man ruhig noch etwas mutiger einsetzen dürfen.

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Molekularer Zwischengang

Für Pucherts Gerneration ist es selbstverständlich, dass man bei Bedarf molekulare Techniken einsetzt. Er macht dies so geschickt, dass dies meistens nicht auffällt, sondern nur seinen Zwerk erfüllt. Vor dem Hauptgang setzt er aber jeweils voll auf die Karte Molekularküche und schiebt einen kleinen Zwischengang ein. Heute Abend ist dies eine Sphäre mit Likör 43, Tonkabohne und weissem Pfirsich.

 

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Piemontesisches Rind mit Totentrompeten [6/10]

Ein überzeugender Hauptgang schliesst die salzigen Gerichte ab. Das zarte Rind wird begleitet von Pilzen, Kürbis und Passionsfrucht, diese sorgt für einen süss-sauren Kontrast. Ein sehr spannender und harmonischer Gang, der wiederum mit einem guten Jus abgerundet wird.

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Käse

Zur schönen Auswahl an verschiedenen Hart- und Weichkäsen serviert man uns Konfitüre und Früchtebrot.

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Pré-Dessert: Elisenlebkuchen mit Physalis, Glühweinoblate, Muskatbaiser, Ingwergelee und Koriander [5/10]

Mit dem pré-Dessert bringt Pâtissier Sebastian Rösch den Winter pointiert auf den Teller – hier passt jetzt auch das Lebkuchenaroma vorzüglich dazu.

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Apfelstrudel mit Süssholz [5/10]

Beim vollen Programm von 9-Gängen, bilden zwei Desserts den Abschluss. Den Auftakt macht ein modern interpretierter Apfelstrudel mit wunderbar knusprigen Elementen. Süssholz ist der zweite Akteur, der sich, als Gelée in Form einer nachgebauten Haribo-Lakritzschnecke, durch das Gericht schlängelt – dieser müsste noch etwas intensiver schmecken um gegen die dominierende Vanille-Sauce entgegenhalten zu können. Doch auch so ist dies ein sehr schönes Dessert.

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Herbstwald [6/10]

Das zweite Dessert gehört zu den schönsten, uns jemals aufgetischten Süssspeisen. Aber nicht nur die Präsentation ist wunderschön, auch die Aromen und Texturen überzeugen und machen diesen herbstlichen Spaziergang ganz besonders. Es schmeckt nach Beeren, Haselnuss Schokolade und Hagenbutte. Einzig der überproportionierte Schokoladen-Taler raubt dem süssen Abschluss etwas von seiner Eleganz. In Summe ein sehr spannendes und fruchtiges Dessert.

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Friandises [7/10]

Bei den Friandises legt man geschmacklich noch einen drauf und serviert drei traumhafte Häppchen mit klaren Aromen zu den Themen:

Chanelle N°5
Calamansi Macadamia weisse Schokolade
Christstollen Dörrzwetschge Portwein

 

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Das Küchenteam: Dennis Puchert, Sebastian Rösch, Markus Kiefer, Philipp Onyskow, Jasmin Schnetzer

 

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Gastgeber Christian Gujan mit seinem Service-Team: Nicolas Leuenberger, Alzbeta Malova, Paul Micke, Pavol Spila und Dominik Dosch

 

Fazit: Es ist beeindruckend, wie selbstsicher der junge Dennis Puchert, nach nur 15 Monaten als Küchenchef, hier aufkocht. Ein Menü im Spice ist umfangreich, ideenreich und unterhält mehrere Stunden. So verwundert es auch nicht, dass das Restaurant am besuchten Abend voll war. Ob Jung oder Alt die ambitionierte Küche scheint zu begeistern. Den ersten Schritt hat Puchert also geschafft. Er hat sich im Spice gut eingelebt, seine Küche etabliert und talentierte Mitarbeiter gefunden. Im zweiten Schritt geht es nun darum noch präziser, abgeklärter und mutiger zu werden. Mutiger, um konträre Produkte nicht nur zu kombinieren, sondern daraus Kunstwerke zu schaffen. Uns hat der Besuch im Spice offenbart, dass Puchert grosses Potential besitzt und den nötigen Ehrgeiz hat, um dieses auszuschöpfen. Wir sind überzeugt, dass wir vom jungen Berliner in Zukunft noch viel hören werden. Wir bleiben dran und haben schon mal ein Tisch für ein Mittagessen reserviert.

Noch ein Wort zum Service: Hier kann sich Puchert auf Gastgeber Christian Gujan und dessen Team verlassen. Gujan ist ein nahbarer und hervorragender Gastgeber, der mit seiner positiven Art die Tristesse des Restaurants vergessen macht. Trotzdem sind wir überzeugt, dass man mit etwas mehr Blumen und Licht, nicht nur mehr Wärme ins Restaurant bringen würde, sondern dadurch auch die schön arrangierten Teller die verdiente Bühne erhielten.

Menü: Es stehen zwei Menüs mit 9 Gängen zur Verfügung – eines davon ist vegetarisch. Die Gäste haben individuell die Wahl welche und wieviele Gänge sie möchten. 4 Gänge kosten 145 Franken, 9 Gänge werden zu 225 Franken verrechnet. Dazu gibt es Häppchen, Amuses, Pré-Dessert und Friandises. Wunschweise kann man auch noch einen Käsegang einschieben.

Zeit: Das grösste Menü, inklusive Käse, wurde in knapp 5 Stunden serviert.

Wein: Unsere Weinbegleitung, welche mit 108 CHF verrechnet wurde:

Grüner Veltliner 2011, Emmerich Knoll, Wachau, Österreich
Tabula Rasa 2011, Domaine des Enfants, Languedoc, Frankreich
Vieilles Vignes 2010, Maitre de Chais, Wallis, Schweiz
Chardonnay 2011, Fam. Donatsch, Malans, Schweiz
Pinot Gris Barrique 2011, Erich Meier, Zürich, Schweiz
Nr. 3 Pinot Noir 2010, Schlossgut Bachtobel, Weinfelden, Schweiz
Châteaux Grand-Puy-Ducasse 2008, Bordeaux, Frankreich
Vintage Portwein, Quinta dela Rosa
Chradonnay Beerenauslese 2011, Weingut Tschida, Österreich

Online: Die Website des Restaurants ist übersichtlich aber etwas gar nüchtern. So fehlen uns vor allem Fotos von den schönen Gerichten. Hier hat jetzt Dennis Puchert aber selber Abhilfe geschaffen und startete eine eigene, sehr stimmungsvolle Website.

Wertung: GourmörO5  / Michelin M1  / Gault-Millau GM15

(Besucht im November 2013)

MAD in Ischgl (Österreich)

Die österreichische Wintersportdestination Ischgl, ist eher für ihren ausgiebigen Aprés Ski, als für Spitzengastronomie bekannt. So findet man auf den Skipisten unzählige Lokale die Pizzas anbieten, bediente Restaurants mit Speisen, abseits von Elektroofen und Fritteuse sind aber rar. Auch am Abend unten im Dorf, verpflegen sich viele Partygänger vorzugsweise bei Burger King oder in einer der Döner Buden.

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Verständlich, dass viele Hoteliers deshalb lieber auf eine hippe Disco setzen, als dass sie ihr Geld in ein Gourmetrestaurant investieren. So ist es begrüssenswert, dass die Besitzerfamilie des 4 Sterne Hotel „Madlein“ seit dieser Saison, neben dem angesagten Club „Pascha“, auch auf die Karte „Fine Dining“ setzen. Dazu hat man Küchenchef Bruno Sojer verpflichtet.

Der gebürtige Österreicher absolvierte seine Ausbildung in Lech bevor es ihn für mehrere Jahre nach Deutschland zog. Zurück in der Heimat, ist er mit seiner 13 Mann starken Brigade, für das leibliche Wohl der bis zu 120 Halbpension Gäste zuständig. Sojer hat aber höhere Ambitionen und stellte bei der Vertragsunterzeichnung eine Bedingung: er will neben dem Halbpension-Angebot auch ein Gourmet-Konzept aufziehen – die Geburtsstunde des ‚MAD‘.

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Nach einem wunderschönen Tag auf den prächtigen Skipisten, machen wir uns auf den Weg zum „Madlein“. Von aussen eher unauffällig, treffen wir Innen auf ein modern eingerichtetes Hotel. Überraschenderweise öffnet das Restaurant erst um halb acht, weshalb wir zur Überbrückung an der Hotelbar ein Glas Riesling aus der Wachau bestellen.

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Mit dem letzten Schluck öffnet sich hinter uns die Tür zum ‚MAD‘. Vom aufgestellten Restaurantleiter Jakob Scharner werden wir begrüsst und durch das grosse Hotelrestaurant geführt. In der Mitte steht ein grosses Aquarium, in dem farbige Salzwasserfische schwimmen. Gegenüber wartet ein abwechslungsreiches Salatbuffet auf die Gäste der Halbpension. Das Gourmetmenü wird ganz hinten, in einem leicht vom restlichen Restaurant separierten Bereich, serviert. Die acht Tische hier sind gut beleuchtet, stehen aber sehr nahe beieinander – doch dies wird heute Abend keine Rolle spielen, da das Restaurant bis auf einen zweiten Tisch, leer bleibt.

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Auf der ersten Seite der Speisekarte finden wir das 10 Gänge Menü für 125 €. Dieses kann man uneingeschränkt kürzen und dabei frei wählen auf welche Gerichte man verzichtet. Auf den weiteren Seiten sind die à la carte Gerichte aufgelistet – zum Beispiel Geflügel, welches direkt am Tisch tranchiert wird. Wir sind wegen dem Menü gekommen und ordern es ohne Anpassungen.

Brot

Gleich zum Start serviert man uns eine grosszügige Brotauswahl. Wir sind von der abwechslungsreichen und sehr hochstehenden Variation sehr angetan. Jedes Gebäck schmeckt exzellent und lediglich der Blick auf das bevorstehende Menü kann unser Verlangen etwas zügeln.

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Häppchen: Wiener Schnitzel / Kalbsbeuschel / Kalbstafelspitz [-/10]

Ein imposantes Horn vom Tiroler Hochlandrind wird in die Tischmitte gestellt. Darauf finden wir österreichische Spezialitäten in Miniatur. Die Häppchen sind hübsch, geschmacklich aber eher zurückhaltend. Das Mini-Wienerschnitzel mit einer neckischen Sardine setzt als einziges Akzente.

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Amuse: Tatar von Carabiniero – Knäckebrot – Banane – Petersilie [-/10]

Mit einem sehr schön angerichteten Teller geht es weiter. Konzeptionell sehr spannend, scheitert diese Kombination jedoch an der viel zu dominanten Banane, die dem edlen Krustentier jedwede Entfaltungsmöglichkeit raubt. Das gut dosierte Petersilien-Eis vertröstet uns über die soeben verpasste Chance, ein erstes Highlight erleben zu können.

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Amuse: Carabiniero – Allerlei vom Blumenkohl – Schokoladengelée [-/10]

Auch beim zweiten Auftritt kann sich der Carabiniero nur bedingt in Szene setzen. Zwar schätzen wir die abwechslungsreiche Interpretation vom Blumenkohl, der Einsatz der Schokolade wirkt auf uns aber viel zu unharmonisch.

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Marinierte Gänseleber – Studentenfutter – Nüsse – Rumrosinen [5/10]

Viel besser dann der erste Gang des eigentlichen Menüs. Die Gänseleber-Pralinen sind sehr aromatisch und wunderbar im Schmelz. Dazu flankierende Geschmäcker von Nüssen, Studentenfutter in einem Raviolo und einem stimmigen Rumrosinen-Eis. Witzig, die täuschend echt aussehenden Nüsse bestehen in Wahrheit aus einem Gelée, aus dem dekonstruierten Original.

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Salat von der Schweineschnauze – Buttermilch – Gelée vom Zwiebelrostbraten – Imperial Kaviar [5/10]

Die Kombination ist gewagt, funktioniert aber überraschend gut. Die Balance zwischen dem Schwein, der Zwiebel und dem Kaviar ist gelungen. Von links nach rechts kombinieren wir uns durch und erleben eine wuchtig-animalische Reise.

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Hummer – Erbsenpüree – Musetto – Eisenkraut [7/10]

Der nächste Teller fällt zwar optisch von den vorherigen Gerichten ab, markiert aber den bis hierhin kulinarische Höhepunkt. Uns gefällt der tolle Zitronengras Geschmack, der sich sehr harmonisch mit den süssen Erbsen vereint und zu einem sehr stimmigen Geschmacksbild führt. Fein auch der gut gewürzte Hummer, obwohl dieses Gericht auch sehr gut ohne diesen funktionieren würde.

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Jakobsmuschel – Pastinake – Sot-l’y-laisse – Madeira – Enokipilze [5/10]

Weiter geht es mit hochwertigen Jakobsmuscheln in einem sehr feinen Madeira-Jus. Die Kombination ist sehr stimmig – die Präsentation sehr anmutend.

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St. Pierre – Osso Bucco – Creme von Gillardeau Auster – Gurke – Meerrettich [-/10]

Kaum ist der erste Tropfen dieser tollen und charaktervollen Sauce im Gaumen, beginnen unsere Augen zu leuchten. Leider leistete man sich bei der Zubereitung des St. Pierre einen Fehltritt – so ist der edle Fisch durchgegart und entsprechend zäh. Dasselbe Schicksal teilt auch das Fleisch. Schade um die gute Ausgangslage.

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Langostino – Gewürzananas – Sud von Langostino – Kaffeeöl [-/10]

Wir haben zwar schon hochwertigere Langostinos angetroffen, doch auch dieses Exemplar überzeugt. Die Kombination mit der Ananas sitzt. Auch der Sud ist grundsätzlich toll, wäre da nur nicht der viel zu penetrante Kaffeegeschmack, der uns jegliche Begeisterung raubt.

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Iberico Schwein – Spare Rib – Kartoffelnudel – Saubohnen – Romanasalat [7/10]

Mit dem Spare Rib vom Iberischen Schwein, reisst die Küchenbrigade das Steuer wieder um und liefert ein tolles Gericht ab. Das Fleisch ist zart und aromatisch zugleich, dazu hat man eine tolle Barbecue Sauce zubereitet. Die spannenden Kartoffel-Nudeln runden das überzeugende Gericht ab.

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Gestockter Mais – Mini Gemüse – Hühnerhaut – Périgord Trüffel [6/10]

Der Trüffel-Geschmack ist traumhaft. Auch die restlichen Komponenten sind sehr stimmig. Das knusprige, leicht gesüsste Popcorn sorgt für eine krosse Textur.

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Taube – Bratapfel – Fichtensprossen – Süsskartoffel – Pain epicé [6/10]

Im Hauptgang serviert man uns eine perfekt zubereitete Taube, an einem sehr feinen Jus mit passenden Begleitkomponenten. Ein spannendes und schmackhaftes Gericht.

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Pré-Dessert: Sex on the beach [-/10]

Ein Damenkörper aus Fruchtgummi, ein Badetuch aus Marzipan, Sand aus Schokolade und blauer Wodka der das Meer symbolisiert. Die Idee ist witzig, das geschmackliche Ergebnis eher ernüchternd.

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Pré-Dessert: Gelierter Portwein – Tagliatelle – Pata Negra – Crème Anglaise [-/10]

Auch das zweite Pré-Dessert ist aufwendig zubereitet, schmeckt aber etwas gar wirr. Grundsätzlich ist es immer schwierig, wenn man nach dem Hauptgang und hier sogar nach dem ersten Pré-Dessert, nochmals Fleisch einbindet. Pluspunkte gibt’s für die Vanille-Tagliatelle und den Portwein-Gelée.

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Pflaumenstrudel – Mousse – Vanille – Sternanis [5/10]

Etwas unglücklich, dass man hier nach dem Hauptgericht und dem zweiten Pré-Dessert, bereits zum dritten Mal auf eine Zimt-Komponente setzt. Geschmacklich funktioniert das, vermutlich von Jonnie Boer aus ‚De Librije‘ inspirierte Dessert, sehr gut. Mit Freude probieren wir uns durch die verschiedenen Elemente und erleben ein sehr stimmiges und abwechslungsreiches Dessert. Zudem staunen wir wiederum über den immensen Aufwand der hier betrieben wurde. So ist weder die Vanillestange, noch der Sternanis echt – diese bestehen wiederum aus einem Gelée, respektive Schokolade.

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Friandises: „Von der Wachtel“ [5/10]

Die Kreativität und Ausdauer der Küchenbrigade kennt keine Grenzen. Während das Restaurant mit den Halbpension Gästen bereits seit über einer Stunde leer ist, denkt man im Gourmetbereich gar nicht ans Aufhören und schickt uns die Friandises.

Mit einem Augenzwinkern wird uns ein „Dreierlei von der Wachtel“ annonciert. Ein Mango-Eis in Form eines Schenkels, ein „Wachtel-Ei“ aus Aprikose und weissem Balsamico und ein tolles Piña Colada-Ei. Erfrischend, fruchtig und witzig inszeniert, so unser Urteil.

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Pralinés [6/10]

Als Grande Finale wird ein opulent bestückter Pralinenwagen vorgerollt. Darauf finden wir zehn verschiedene Pralinés, welche geschmacklich von Toblerone, Zwiebeln bis Fenchel reichen. Das Highlight auf dem Wagen ist das exzellente Trüffel-Eis.

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Fazit: Wir ziehen den Hut, noch selten haben wir ein solch arbeitsaufwändiges Menü serviert bekommen. Und das, während die Brigade nebenher 400 Teller für die Halbpension Gäste schicken musste. Beim einen oder anderen Gericht liess sich dieser Umstand dann auch nicht verbergen. Gerade verpasste Garpunkte oder Balanceprobleme bei den Geschmacksnoten, lassen sich darauf zurückführen. Hier könnte sich die Küche selber entlasten, indem sie das Menü etwas kürzen würde. Mit 18 Speisefolgen verlangt sie vom Gast sowieso ein sehr hohes Mass an Konzentration.

Uns hat das Essen auf jeden Fall Spass gemacht. Bruno Sojer provoziert mit seinen unorthodoxen Kombinationen. Dass man dabei nicht immer den Geschmack des Gastes trifft, liegt auf der Hand. Das Meiste hat überzeugt, einiges war richtig toll. Wir hoffen sehr, dass die acht Tische hier bald jeden Abend ausgebucht sind. Dadurch würde auch die Chance steigen, dass das ‚MAD‘ bald in eine eigene Lokalität im Haus umziehen könnte. Die jetzige, ins Hotelrestaurant eingebundene Lösung, macht niemand so richtig glücklich.

Menü: Zur Auswahl steht ein 10 Gänge Menü für 125 €. Dieses kann man auf Wunsch auch kürzen. Auf der restlichen Karte findet man eine spannende à la carte Auswahl.
Das Menü dauerte 4 Stunden und 45 Minuten

Wein: Die oft gewagten Kombinationen gestalten die Auswahl eines passenden Weines nicht gerade einfach. Wir überliessen die Aufgabe dem Service, welcher uns für die Begleitung drei Weine und einen Rum kredenzte:

2008 Rully – Domaine Vincent Dureil-Janthial, Frankreich2010 Vermentino Colli di Luni – Lunae Bosoni, Ortonova, Ligurien, Italien
2007 Vega De Toro – Bodega Numanthia Termes, Valdefinjas, Toro
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Tipp: Das Menü wird von unzähligen zusätzlichen Gerichten begleitet. Deshalb empfiehlt es sich, beim Menü nur 7 – 8 Gerichte zu bestellen.

Online: Der Online-Auftritt ist eher dürftig. Hier hätte man grosses Potential um das ‚MAD‘ besser zu präsentieren und dadurch neue Gäste anzulocken.

Wertung: O5

(Besucht im März 2013)

Usagiyama (Hotel Ryokan Hasenberg), Widen

Das Usagiyama auf dem Hasenberg gilt als eines der bestes japanisches Restaurant auf dem europäischen Festland. Es ist auch eines der wenigen mit einem Michelin Stern. Der japanische Geschäftsmann Masafumi Kurahayashi hat das Ryokan (japanische für Gaststätte) im Jahr 2003 gebaut und sich für eine authentische japanische Küche entschieden. Doch bis es soweit war mussten noch einige Steine aus dem Weg geräumt werden. Zuerst galt es den Gemeinderat zu überzeugen, dass ein solches Hotel und Restaurant überhaupt auf den Hasenberg passt. Der hatte dann auch per Verordnung dafür gesorgt, dass das Restaurant weiterhin auch Schweizer Speisen anbieten musste – zum Glück wurde diese Auflage mittlerweile sistiert.

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Die nächste Aufgabe bestand darin einen Koch zu finden der die Fähigkeit besass Kaiseki Menüs zuzubereiten. Um diese Kunst zu erlernen muss ein Koch über zehn Jahr bei einem Meister in die Ausbildung. Dass man nach einer solch strengen und langen Ausbildung in Japan ein gefragter und bewunderter Koch ist, erklärt sich von selbst. Umso schwieriger war es einen solchen Mann zu überzeugen in die Schweiz zu kommen, in ein Land wo man japanischem Essen nur mit Sushi assoziiert. Doch die grösste Hürde stand noch bevor: den Koch zu überzeugen in der Schweiz zu bleiben. Wie auf der Homepage zu lesen ist, stellte sich der nämlich schon bald die Frage wozu man sich diesen ganzen Aufwand antut wenn es die Gäste sowieso nicht schätzten. Er war nämlich der Meinung die Schweizer bevorzugten die industriell hergestellte Sojasauce seiner selbstgemachten und würden es nicht wertschätzen, dass man das Wasser zum kochen aus einer externen Quelle bezieht weil das Hahnenwasser zu hart sei. Zum Glück hat man das Vorhaben aber nicht aufgegeben. Mittlerweile hat man nämlich einen sehr guten Ruf und die Gäste kommen von weit her um diese spezielle Küche zu kosten. Heute steht Kenichi Arimura mit einer Handvoll japanischer Jungköchen in der Küche und zelebriert die japanische Kochkunst.

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Das Konzept wurde seit dem Start ein paar Mal geändert. Zuerst hat man die aufwendigen Kaiseki Menüs auch im regulären Restaurant angeboten. Vor zwei Jahren konnte man diese nur noch in den japanisch eingerichteten Hotelzimmer geniessen. Dies hatte den Nachteil, dass diese oft durch Übernachtungsgäste besetzt waren. Kurahayashi hat dem nun Abhilfe geschaffen indem er seinen Hofschreiner Sugiyama beauftragt hat im EG drei neue Séparées zu schreinern. Zwei sind für 2 – 4 Personen und das Grosse für eine Gruppe bis ca. 10 Personen. Da dieser lange Tisch auch für mehrere zweier Gruppen vergeben wird empfehle ich beim Reservieren anzumerken, dass man in einem der Kleinen speisen möchte. So oder so, man fühlt sich sofort ins 9’500 km entfernte Land der aufgehenden Sonne versetzt. Denn nicht nur das Essen ist authentisch sondern auch der Service. Die immer lächelnden Damen tragen alle einen Kimono und ziehen vor dem servieren ihre Schuhe aus. Auch die Geste werden aufgefordert sich vor dem betreten der Séparées von ihrem Schuhwerk zu trennen. Für den Gang auf die Toilette stehen dann Hausschuhe parat.

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Tofu in Saiko-Miso (Sojabohnenpaste) einelegt // Spargel mit Bauernspeck // Aji Makrele in Essig und Peperoncini // Aronwurzelpaste mit Senf // Tintenfisch und Meerlattich gerollt und frittiert [7/10]

Der erste Blick gilt den vielen Details. Alles ist mit feinster Kleinarbeit zubereitet. So zum Beispiel die feinen Schnitte in der Aronwurzel oder der Meerlattich der kunstvoll in den Tintenfisch gerollt wurde.

Für mich war das geschmackliche Highlight der frittierte Spargel mit Speckaroma – einfach wunderbar! Der Tintenfisch war extrem zart, bei der Aronwurzel machte sich eine schöne Senfschärfe (schmeckte eher nach Wasabi?) breit. Auch die Makrelen im Peperonicini hatten eine angenehme Rasse und gaben ein schönes Mundgefühl. Ähnliche Schärfe gab es bei den Folgegängen nicht mehr.

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Klare Japanische Suppe mit Dashi / Tofu aus Fisch und Ei / Bambussprössling, Kirschblumen, Karotte [-/10]

Was für ein Tempo! Gerade mal 6 Minuten nachdem uns die Vorspeise serviert wurde erreichte uns bereits die Suppe.  Auch bei den weiteren Gängen wurde jeweils beim Abräumen gleich die nächste Kreation auf den Tisch gestellt.  An diesen speditiven Ablauf mussten wir uns zuerst gewöhnen.

Die Dashi, klare Suppe, gehört zur schwierigsten Aufgabe eines Kochs und ist so etwas wie die Visitenkarte. Für mich war der Geschmack der Suppe zu schwach. Man musste sich stark konzentrieren um ein leichtes Aroma wahrzunehmen. Diese milden Aromen ziehen sich wie ein roter Faden durch die japanische Küche. In dessen der Grundgeschmack des Produkts im Vordergrund steht. Mit Gewürzen geht man hier sehr zurückhaltend um oder verzichtet ganz darauf.

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Komposition von Sashimi dekoriert für Kirsch (Sakura)-Fest. Thunfisch, Loup de mer, Jakobsmuscheln, Tintenfisch, Dünn geschnittenes Gemüse, Wasabi, Sojasauce mit Dashi [6/10]
Ein Bijou! Diese Farben, diese Detailarbeit! Der erste Bissen war dann auch gleich eine Offenbarung. Zwei Jakobsmuschelteile mit einem kleinen Zitronenschnitz. Den einen Ecken in die hausgemachte Sojasauce dunken und einfach geniessen! Das zweite Highlight lag, versteckt unter einem Kirschbaumblatt, in einem Glas: Tintenfischstreifen, mariniert mit ein paar knackigen Fischeiern. Die beiden Edelfische (Tuna und Wolfsbarsch) waren sehr frisch und zart für meinen Geschmack wurden sie aber viel zu kühl serviert und waren geschmacklich zu belanglos.

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Crevette mit Brotkrusten fritiert / Zitronenscheibe, Salz mit Currypulver [8/10]

Ufff… was würde ich nicht alles machen um nochmals ein solches Stück essen zu können. Als dieser Gang am Nachbartisch aufgetragen wurde, hatte ich sogar mit dem Gedanken gespielt die Dinger in einem Sturmangriff zu erobern. Einzig die Sorge aus dem Restaurant geworfen zu werden ohne die weiteren Gänge zu essen hielt mich von diesem abenteuerlichen Vorhaben ab. Dafür genoss ich meine zwei Exemplare umso mehr; streute eine Prise Currysalz drauf, presste die Zitrone so behutsam, dass nur ein einziger Tropfen die feine Kruste traf und genoss dann intensiv!

Sakuramushi die Symbolspeise zur Kirschblütenzeit aus Kaisekiküche. Klebreis mit Rouget Barbet gedämpft, Sauce aus Pfeilwurzelmehl, Wasabi [-/10]

Der gedämpfte Rotbarbe lag eingewickelt im Klebreis. Das Wasabi war für die Schärfe zuständig. Ich wäre froh gewesen, wenn mir jemand erklärt hätte wie man so etwas genau isst. Auf jeden Fall war ich froh, dass mich dabei niemand beobachtete. Geschmacklich ging die Sache in Ordnung, wirklich überzeugend war es aber nicht.

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Rolle aus Lachs, Gurke und Yamwurzel. Dressing: Essig und Sesam [5/10]

Auch dieser Fisch war für mich zu kalt. Das wird auch der Grund gewesen sein, weshalb der Lachs zu wenig Geschmack hatte. Dafür stach der Gurkengeschmack schön heraus. Das Dressing war sehr speziell und lecker. Es erinnerte mich irgendwie an ein Haselnussjoghurt.

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Rindsfilet grilliert, an japanischer Sauce aus Sake-Hefe. Rettich in Kirschblumenform [5/10]

Ich hatte mich schon gefragt wie das Rindsfilet serviert wird damit ich es mit meinen Stäbchen essen kann. Die Lösung lag auf der Hand, es war in vier mundgerechte Happen geschnitten. Das Fleisch war medium-rare gebraten und extrem zart. Einzig die Tatsache, dass auch dieses Fleisch kühl serviert wurde, überraschte mich. Die Sauce passte sehr gut zum Fleisch und war wiederum wenig dominant damit der Eigengeschmack des Fleisches nicht verloren ging. Der Rettich war sehr speziell und erinnerte Geschmacklich überhaupt nicht an die Rettiche die ich bisher kannte.

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Sushi-Reis mit Krabbenfleisch in der grossen Tasche aus Ei,  Schwarzwurzel, Karotte, Ingwer // Misosuppe [5/10]
90 Minuten nachdem wir das Restaurant betreten haben, wurde bereits der letzte Gang aufgetragen. Die servierte Miso schmeckte mir besser als die erste Suppe, sie hatte mehr Aroma. Der Sushi-Reis war gut, vor allem überzeugte die feine Ei-Tasche und der frische Ingwer.

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Sakura-Mochi mit eingelegtem Kirschblatt (Klebreiskugel mit süsser Mungabohnenpaste) / Hausgemachte Glace mit Honig / Tofu aus Milch / Browniekuchen aus Schokolade / Früchte der Saison [6/10]

Fangen wir bei der Rangliste mal hinten an: Früchte der Saison… Erdbeere? Nun ja, ein bisschen Geschmack hatte sie. Die Melone war leicht besser, die Ananas war richtig reif. Das Sakura-Mochi war gut, für meinen Geschmack hätte aber mehr Mungabohnenfüllung rein gehört. Diese Füllung war nämlich sehr fein, ging wegen dem vielen Reis aber ein wenig unter. Der Tofu aus Milch war sehr lecker, die zwei Stück Brownie ebenfalls. Auch hier verwendete man wenig Zucker und Schokolade, aber es war sehr fein und sehr frisch! Platz 1 ging an die Honig-Glace, einfach genial! Während ich Löffel für Löffel auf der Zunge zergehen lies, frage ich mich weshalb es eigentlich so wenig Glace mit diesem Aroma gibt?

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Zur Rechnung wurde uns noch ein Origami geschenkt.

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Fazit: Wir hatten im Usagiyama einen schönen und interessanten Abend. In der Küche wird mit viel Liebe gekocht. Ein solches Restaurant zu bewerten ist sehr schwierig denn ich habe überhaupt keine Vergleichsmöglichkeiten. Ich esse zwar für mein Leben gerne Sushi das hat aber mit der Kaiseki Küche gleich viel gemeinsam wie Schnitzel Pommes in einem Fine Dining Restaurant. Das Einzige was ich bewerten kann ist der Geschmack und das ist schlussendlich das Wichtigste. Die Köche und Ihre Dashi in Ehren, aber würde mir die Suppe in einem anderen Restaurant serviert würde ich den Koch fragen ob er vergessen hat zu würzen. Und diese erwarteten Geschmacksexplosionen vermisste ich auch in vielen anderen Gängen. Ich brauche keine Schärfe und auch keine Bratensauce, aber schlussendlich will man ja einfach etwas tolles schmecken.

Die geschmacklichen Highlights hat es natürlich auch gegeben. Die Vorspeisevariation war zum Beispiel sehr toll. Auch die eine Hälfte der Sashimis (Tintenfisch und Jakobsmuscheln) waren genial! Unvergesslich bleiben auch die frittierten Crevetten im Brotmantel und die tolle Honigglace!!

Vom freundlichen Service wurden wir total alleine gelassen. Ich hätte es begrüsst wenn man uns zu Beginn das Konzept und den Ablauf erklärt hätte. Auch hätte es uns interessiert welche Getränke zum Essen passen würden. So bestellten wir zu Beginn einen Tee und wurden danach nicht mehr gefragt. Die Wein/Sake-Gläser wurden vor dem Dessert ungebraucht abgeräumt. Es lag sicher auch daran, dass die Bedienung kein Wort Deutsch sprach. Hier würde sich aber empfehlen, dass man einen Maître hätte, der mindestens zu Beginn zum Gast geht und das Menü bespricht.

Unter dem Strich war es eine schöne, neue Erfahrung. Wie geschrieben war jedoch für mich der Geschmack oft zu schwach, die Menüabfolge viel zu schnell (wir hätten das Restaurant während der Abenddämmerung verlassen, wenn wir das Dessert nicht um 40 Minuten verzögert hätten) und die Portionen zu klein. Auf dem Weg zum Ausgang hätte ich gerne noch einen Halt an der Sushi-Bar gemacht. Ich muss nicht der Völlerei frönen, jedoch mag ich es auch nicht noch leicht hungrig ein Restaurant zu verlassen.

Neben dem Michelin-Ausgezeichneten Restaurant Usagiyama gibt es übrigens auch noch ein à la carte Restaurant. Dort sitzt man an normalen Tischen und kann von der japanischen Alltagsküche ordern. Zu guter Letzt darf natürlich auch eine Sushi-Bar nicht fehlen. Die frischen Sushis bewegen sich auf einem Band am Gast vorbei und man kann sich wie gewohnt selber bedienen. Die Sushis sind hier von überdurchschnittlicher Qualität.

Online: Eine Homepage muss den Gast im Vorfeld informieren und ihm einen Eindruck über das Restaurant verschaffen. Besonders bei einem solch unalltäglichen Esserlebnis wie hier. Doch leider ist der Internetauftritt wirr und unübersichtlich. Es gibt Widersprüche und viele offene Fragen. Auch die Auskunft in welchem Raum man die Kaiseki Menüs essen kann wird nicht schlüssig beantwortet. Die Investition in eine schöne und übersichtliche Homepage würde sich bestimmt lohnen.

Übrigens empfiehlt es sich telefonisch zu reservieren. Die Reservationen per Mail werden nämlich nicht rückbestätigt! Auf Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass dies zu aufwändig wäre, deshalb melde man sich nur, wenn die Reservation nicht gemacht werden kann… ungewohnt und vor allem kundenunfreundlich!

Menü: Bei unserem Besuch standen drei Menüs zur Auswahl. Diese wechseln monatlich und sind einem speziellen Thema gewidmet. Bei unserem Besuch stand in Japan das Kirschfest an, deshalb prägte dies das Menü. Kurama für Fr. 169.- (wie oben beschrieben). Im Menü Daigo gibt es zusätzlich Toro vom Thunfisch (Fettreiches Teil vom Fisch – vor allem bei Japanern sehr beliebt) und statt dem Rindsfilet das edle Wagyu Beef (100 gr.) Preis Fr. 305.- also ein Upgrade von 136 Franken. Zu guter Letzt gibt es für 140 Franken noch eine abgespeckte Version des Kurama Menüs – davon würde ich aber abraten. Zum Essen bestellten wir Tee welcher jeweils mit 5 Franken verrechnet wurde.

Wertung: Gourmör / Michelin / Gault-Millau