Das kleine Dörfchen Tisens (it. Tesimo) liegt ein paar Fahrminuten von Merano im Südtirol entfernt. Die Fahrt führt über steile und enge Strassen und bietet eine schöne Aussicht. Da das Restaurant über keinerlei Parkplätze verfügt muss man sein Auto im kleinen Parkhaus in der Dorfmitte abstellen. Die letzten Meter über den Pflasterstein legt man dann per Fuss zurück.
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Von aussen wirkt die alte Scheune einladend. Aber erst beim Betreten entfaltet das Restaurant seinen vollen Glanz. Das wunderschöne Gourmetlokal wurde zwischen die bestehenden Mauern gebaut. Der Stil ist modern. Das Ambiente ist ungezwungen. Dies ist seit über 22 Jahren das Reich von Anna und Alois Matscher. Beide übernahmen das Restaurant als Quereinsteiger und hatten zu Beginn einige Probleme. Doch der Betrieb lief immer besser und als nach zehn Jahren Michelin einen Stern verlieh, ging es richtig aufwärts. Anfang 2008 konnten sie dann ihren langjährigen Traum verwirklichen und das Restaurant nach ihren Wünschen umbauen.
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Vom Inhaber und Somelier wurden wir dann an unseren Tisch geführt. Obwohl wir für drei Personen reserviert hatten waren nur zwei Gedecke parat. Das wurde zwar umgehend korrigiert, eine solche Unachtsamkeit sollte aber gar nicht passieren. Wir entschieden uns jeweils für eines der beiden 5-Gang Menüs. Der Austausch eines einzelnen Ganges mit einem à la carte Gericht war dabei überhaupt kein Problem.
Die zum Start servierten Brötchen waren fein, die beiden dazu gereichten Aufstriche sehr gut abgeschmeckt.
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Schinken, Grüne Spargel, Frittiertes Wachtelei [5/10]
Als Gruss aus der Küche wurde uns eine feine Scheibe Schinken, knackige Spargeln und ein knuspriges warmes Wachtelei aufgetischt. Die getrockneten Rettichscheiben sorgten für die nötige Schärfe. Ein netter aber verhaltener Start.
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„Carbonara“ von weissem Spargel, Sepia und Speckkrokant [8/10]
Auf den ersten Gang war ich besonders gespannt. Verheissen die Anführungszeichen vor einer Speise meist eine originelle Interpretation eines Klassikers. Und so war es auch. Nach nur einem Blick auf das Servierte würde man auf normale Spaghetti tippen. In Tat und Wahrheit waren es aber dünne Streifen von Spargeln und Sepia. Ob das passt? Und wie! Die Sepia waren super frisch und wunderbar im Biss und Aroma, die Spargeln sorgten für die leichte Bitternote. Dazu sorgte der Speck für den spannenden Akkord. Das Krokant war zwar zu knapp bemessen, dafür gab es noch ein ganzes Stück Speck obendrauf und man konnte selber dosieren. Zum Abschluss sorgte eine tolle Sauce mit schönem Curryaroma für die nötige Rasse. Eine wunderbare Kombination und ein toller Auftakt!!
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Tortelloni mit Burrata gefüllt auf geschmorten Datterini und Origanoöl [7/10]
Optisch einer der schönsten Teller den ich je vor mir hatte. Wunderschöne Farben, geschmacksvoll angerichtet. Das Highlight waren die genialen, fruchtigen Datterini-Tomaten wie ich sie noch selten gegessen habe. Das rote Nachtschattengewächs lag wie ein Rubin auf dem Teller und schmeckte genau so – genial! Gleichwertige Tomaten-Geschmackserlebnisse hatte übrigens bis jetzt nur im Coi in San Francisco und in der Braui in Hochdorf mit ihren getrockneten Tomaten.
Nun zu den Ravioli, die waren hauchdünn – so dünn wie ich sie immer gerne hinbekommen würde. Ein Hauch von nichts. Leider konnte die leichte Burrata-Füllung nicht gleich begeistern. Die war schlicht zu fad (liegt in der Natur von diesem Käse) um mit den anderen Protagonisten mithalten zu können. Trotzdem ein Gang an den ich mich gerne zurückerinnere.
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Fischsuppe nach Art des Hauses [9/10]
Unter einer „Fischsuppe“ hätte ich mir etwas ganz anderes vorgestellt. Eigentlich war es eher ein Fischsud mit einer grossen Auswahl an verschiedenem Meergetier. Der Sud war vielleicht einen Tick zu salzig, aber die Fische waren einfach überwältigend im Geschmack! Noch selten habe ich Frutti die Mare mit solch intensiven Geschmack geniessen dürfen. Dazu behielt auch jedes einzelne Stück seinen individuellen Geschmack. Dazu servierte mir Alois Matscher einen wunderschönen Chardonay – was will man mehr!
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Einheimisches Roastbeef mit Frühlingsgemüse, Rotweinsosse und Rosmarinöl [-/10]
Was soll jetzt noch schief gehen? Die Küche hatte die Antwort darauf leider bereits parat. Optisch sah der Teller ansprechend aus. Ich habe auch gleich das Frühlingsgemüse probiert und das schmeckte wunderbar. Dann machte ich mich freudig an das medium bestellte Roastbeef. Zwar hatten die Tranchen auf der einen Seite eine schöne rosa Farbe, das Fleisch war jedoch total zäh! Zuerst hoffte ich noch, dass nur das erste Teil betroffen war, doch auch zwei weitere Abschnitte waren total trocken.
Ich habe dann zum zweiten Mal in meinem Leben einen Teller zurück gegeben. Das erste Mal war erst vor ein paar Wochen in einem Steakhouse in dem das Fleisch kalt serviert wurde. Damals hat man sich entschuldigt, neu aufgedeckt und ein paar Minuten später einen tadellosen, neuen Teller geschickt. Hier im „Zum Löwen“ wurde meine Beschwerde nicht ganz so elegant abgewickelt. Der Teller wurde zwar mehr oder weniger unzögerlich zurück genommen aber anstatt, dass man mir einen korrigierter Gang serviert hat, erschien der Chef mit einem Alternativgang mit Wachteln an meinem Tisch. Die Bemerkung „Wir haben uns entschieden ihnen eine Alternative zu servieren da auch das restliche Roastbeef so schmeckt“ heisst auf gut Deutsch „Du hast überhaupt keine Ahnung wie Roastbeef schmeckt“.
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Gebratene Wachteln auf Kartoffelpüree mit Balsamicoessigsosse [5/10]
Die Wachteln waren natürlich alles andere als zäh. Der Vogel war wunderbar zubereitet und auch im Geschmack überzeugend. Der Kartoffelpüree war dagegen zu salzig. Das Dressing vermochte keine Akzente zu setzen. Das grosse Manko dieses Hauptganges war aber klar das fehlende Gemüse! Für mich unverständlich. Das Frühlingsgemüse aus dem vorherigen Teller hätten diesen Teller stark aufgewertet.
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Mousse von der „Ashanti“ Bitterschokolade und Olivenöl auf Passionsfruchtgelatine und frischen Früchten [6/10]
Nach dem Hauptgang hat man uns die Dessertkarte gereicht. Darauf waren acht verschiedene Nachspeisen aufgeführt aus der wir uns eine aussuchen durften. Ich blieb bei meinem angekündigten Dessert vom Degustationsmenü.
Ich mag mich nicht erinnern wann mir zuletzt in einem Restaurant „frische Früchte“ angekündigt wurden und dann auch tatsächlich serviert wurden. Hier wurde das Versprechen 100 Prozentig eingehalten. Jede einzelne Frucht war frisch, fein im Aroma und vor allem reif!
Das Schokoladenmousse war in Ordnung. Die Passionsfruchtgelatine bildete den Boden und gab dem Mousse eine passende, fruchtige Note.
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Friandises [-/10]
Das Schokoladen-Stück war super intensiv und passte auch sehr gut zum tollen Espresso. Die beiden anderen Leckereien waren total belanglos. Auch die Präsentation auf dieser grossen Platte wirkte unbeholfen.
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Fazit: Was für ein fulminanter Start! Jeder Gang hat mich total begeistert. Dann der Fauxpas mit dem Hauptgang. Dass man ein Fleisch zu lange gart kann passieren, dann muss man aber auch die Grösse haben diesen Fehler professionell auszubügeln. Über den Gast hinweg zu entscheiden, dass eine Alternative für ihn gescheiter wäre und diese gleich an den Tisch bringt, geht gar nicht! Ein bisschen Verständnis könnte ich aufbringen wenn mir irgend etwas nicht geschmeckt hätte – darüber kann man bekanntlich streiten. Aber im Fall von zähem Fleisch liegt die Sache auf der Hand, respektive auf dem Teller.
Der zweite Versuch mit den Wachteln und das folgende Dessert waren ebenfalls nicht mehr auf dem selben Niveau wie die Vorspeisen. Diese ersten Gänge waren dafür umso überzeugender! Die Ravioli, die Carbonara Interpretation und vor allem die geniale Fischsuppe werden mir bestimmt noch lange in Erinnerung bleiben!
Der Service war eine Mischung aus Bistro und gehobener Gastronomie. Zwei Mitarbeiter hatten eine Schürze umgebunden und servierten die Speisen locker und sympathisch. Der Chef und Inhaber stand im Anzug und nahm die Bestellung auf oder kümmerte sich um die Weingebleitung. Seine Tochter unterstützte ihn dabei. Diese Mischung passt sehr gut in dieses Restaurant. Wir wurden sehr gut und freundlich bedient. Die Atmosphäre war sehr angenehm. Die angesprochene Weinbegleitung wird übrigens nicht direkt beim Menü angeboten. Man hat mir jedoch gerne eine Solche angeboten. Wer im Südtirol ist muss hier unbedingt einkehren, man wird es bestimmt nicht bereuen!
Online: Auf der ansprechenden Homepage findet man einige Informationen. Es fehlen leider Fotos von Gerichten, die Dessert Auswahl und die Weinkarte.
Menü: Dem Gast stehen neben einer kleinen à la carte Auswahl auch zwei Menüs mit jeweils 5 Gängen zur Auswahl. Das Degustationsmenü für 75 € (+ 2 € für das Gedeck – wie in Italien unnötigerweise üblich) und ein Menü mit einheimischen Gerichten für 65 € (Dieses Menü war bei unserem Besuch genau so beeindruckend wie das Degustationsmenü). Dazu wurde noch ein Amuse Bouche sowie Frandises serviert. Der Menüpreis ist extrem fair. Nur selten bekommt man für sein Geld so viel geboten! Die Weinbegleitung (5 Gläser) war mit 27 € ebenfalls äusserst gästefreundlich kalkuliert. Der Restaurantbesuch dauerte 3 Stunden.