Fahr in Künten-Sulz

Hätten wir nicht grosses Vertrauen in unser Navi, wären wir gerade ein paar Mal sicher gewesen, falsch abgebogen zu sein. Doch nun stehen wir vor einem hohen Haus mit auffallenden Holzfassade irgendwo im Nirgendwo. Die Atmosphäre inmitten der Natur und in der Nähe der Reuss ist mystisch. Hier kocht seit fünf Jahren Manuel Steigmeier der, gleichzeitig mit Kevin Romes (Skin’s in Lenzburg), endlich wieder einen Michelin-Stern in den Kanton Aargau gekocht hat. Auch der Gault-Millau ist nur des Lobes für den jungen Chef, weshalb unsere Vorfreude an diesem wolkenverhangenen Abend sehr gross ist.

Im Innern werden wir vom freundlichen und lockeren Service-Team begrüsst und vor die Wahl gestellt, ob wir den Apéro am Tisch, in der Lounge oder im Weinkeller geniessen möchten. Da die online einsehbare Weinkarte offenbart, dass im Keller spannende Schätze lagern, wählen wir die letzte Option und werden in Untergeschoss geführt. Hier im kleinen Keller finden wir alle Weine von der Karte, die sich auf sieben Länder der alten Welt fokussiert.

Umgeben von Gantenbeins, Marie-Therese Chappaz‘, Romanée Contis und Weinen von Manfred Krankl, geniessen wir ein Glas Champagner aus dem Hause Bruno Paillard. Dazu serviert man uns Snacks, die hier Amuse Bouche (7/10) genannt werden – da es später am Tisch, direkt mit dem eigentlichen Menü los geht. Das Highlight der vier Petitessen ist das filigran zubereitete Rüebli-Macaron (9/10) mit elegant eingearbeiteten Lachs- und Dill-Aromen – hervorragend! Die Sellerie-Consommé (7/10) gefällt uns ebenfalls sehr gut, auch wenn sie mit ihren wuchtigen Aromen noch besser in ein Wintermenü passen würde. Abgeschlossen wird der Auftakt von einem sehr feinen Windbeutel (6/10) mit etwas dominanter Trüffel-Käse-Füllung, sowie einem hauchdünnen Randenröllchen (5/10), welches fein aber etwas zu eindimensional schmeckt.

Nun geht es ins eigentliche Restaurant, welches sich mit den Adjektiven „gemütlich“ und „lebendig“ treffend beschreiben lässt. Die grossen Fenster geben einen Blick ins Grüne frei und die Sonnenstrahlen durchfluten den hohen Raum. Die Tische sind mit schönen Leinentischdecken geschmückt und an der Decke hängen eigens fürs Fahr designte Lampen. Ein sehr schöner Ort um den heutigen Abend zu verbringen. Hier am Tisch wartet auch bereits das wundervolle Sauerteigbrot mit Röstwiebel-Butter und Schnittlauch-Öl.

Nach einer etwas gar langen Wartezeit am Tisch, starten wir ins Menü. Was wir noch nicht wissen: auf dieses Gericht hätten wir gerne auch doppelt so lange gewartet. Denn der Engel’s Tofu mit Gurke, Erbsen und Joghurt (8/10) ist eine Wucht. Der Tofu stammt aus dem nahe gelegenen Widen und ist in diesem ausgezeichneten Gericht Texturgeber. Himmlisch sind die Frühlingsaromen, welche im Teller perfekt herausgearbeitet sind. Die Säure ist nicht nur genial balanciert, sondern regelrecht süchtigmachend. À part reicht man uns zudem einen fluffigen Bao Bun gefüllt mit Bärlauch Crème der förmlich nach mehr schreit. Ein starker Auftakt, der für alles steht, dass wir nach dem langen Winter kulinarische vermissten.

Weiter geht es mit Sot-l’y-laisse (7/10), eine Zutat die uns früher oft, seit zehn Jahren aber in keinem Gourmetrestaurant mehr serviert wurden. Die winzigen Stücke vom zarten Poulet werden hier unter anderem mit Piment gewürzt, wodurch sie eine orientalische Note erhalten. Dazu gibt es grüne Spargeln, welche geschmacklich, aufgrund der frühen Saison, noch nicht ganz überzeugen können. Wunderbar dafür die feinen Morcheln und die grossartige Béarnaise.

Als letzte Vorspeise kredenzt man uns mit dem Brüggli Saibling (9/10) das Highlight des Abends. Der Fisch ist perfekt glasig gegart und hat einen himmlischen Eigengeschmack. Daneben ein nur leicht gegartes und dadurch noch knackiges Rüebli mit fermentiertem Knoblauch, Miso und Buchweizen. Das hat alles so viel Aroma und harmoniert perfekt. Das ist ganz grosses Kino!

Nach einer kleinen Erfrischung in Form von einem tollen, gaumenreinigenden Rüebli-Ingwer-Sorbet mit etwas Raps-Öl, geht es zum grossen Finale. Im Hauptgang serviert man uns ein dünn aufgeschnittenes Black Angus Outside Skirt (7/10), welches mit seinem wundervollen Eigengeschmack überzeugt. Begleitet wird dies von einer frühlingshaften, gut abgeschmeckten Vinaigrette. Darüber finden wir noch Kräuterbutter in Form von Stickstoff-Kügelchen. Diese sehen zwar wegen dem Rauch-Effekt cool aus, entfalten ihr Aroma aber erst, wenn sie geschmolzen sind – bis dahin kühlen sie das Fleisch unnötig ab. Zum Glück ist die Qualität vom Fleisch so gut (Applaus an die Küche und die Jungs vom Lieferanten Luma), dass wir trotzdem grossen Spass daran haben. In Kombination mit dem à Part servierten Schälchen voller himmlischer Maluns, sind wir sogar richtig begeistert. Wir sind nämlich grosse Fans, von Beilagen zum Hauptgang und vermissen die Zeit, wo es selbstverständlich war, dass man noch etwas Kartoffelgratin oder ähnliches dazu gereicht hat.

Den Käsewagen hat man vor ein paar Monaten in Rente geschickt und serviert neuerdings einen Käsegang. Wir lieben einen Wagen voller gut sortierten Käse, wenn wir aber ein solch ausgezeichneten Käsegang erhalten wie hier, können wir gut darauf verzichten. Auf dem Glasteller finden wir eine ausgezeichnete Kreation aus drei verschiedenen Rotschmiere begleitet von eingelegten Birnen und wundervollen Piemonteser Haselnüssen – wow! (8/10)

Ein grosses Ausrufezeichen setzt dann noch die Patisserie. Die Rhabarber und der Sauerklee (8/10) sorgen für eine tolle Säure, dazu etwas exotisches und wundervolles Glacé mit Kaffir. Das hat alles ganz viel Geschmack und ist trotzdem wunderbar leicht – stark!

Auch die zum Kaffee servierten Friandises (7/10) überzeugen. Vor allem der Sanddorn-Gelée, der mit seinem süss-sauren-Spiel für einen schönen Kontrast sorgt.

Fazit: Wow, hier in Künten ist ein richtig engagiertes Team am Werk. Das spürt man beim Betreten des Restaurants und schmeckt es bereits beim ersten Happen. Hier wird mit Leidenschaft gekocht und kein Aufwand gescheut. Uns hat das Menü sehr beeindruckt und man spürt, in welche Richtung die Küchencrew geht. Ohne, dass es ausgesprochen wird, weiss man, dass Manuel und seine Brigade über die aktuellen Bewertungen zufrieden sind, aber auch, dass sie in Zukunft noch mehr wollen. Mit einigen Gerichten hat man heute Abend bereits demonstriert, dass man den Weg bereits kennt. So ist dann auch der einzige Kritikpunkt nachvollziehbar: das Menü ist etwas kurz. Wir hätten ein, zwei zusätzliche Gerichte sehr begrüsst. Das liegt aber eben vor allem daran, dass alles so verdammt gut geschmeckt hat – was ein weiteres Kompliment für die Küche unter der Führung des 28-jährigen Chefs ist.

Das Fahr-Team (v.l.n.r.): Howlader Rashadul Amin / Ryan Gauch / Alexander Fink / Nils Knöpfel / Axel Stratmann / Mike Suppiger / Manuel Steigmeier (Chef) / Sabrina Frass (es fehlen Antoinette Kovacs und Alexandra Steigmeier)

Menü: Zur Auswahl steht ein Menü in fünf (160 Franken) oder sechs Gängen (175.-). Im gleichen Umfang und zum selben Preis gibt es auch ein vegetarisches Menü.

Weinbegleitung: Neben einer gut sortierten Weinkarte, die sich auf 7 Länder der alten Welt konzentriert, stehen auch zwei Weinbegleitungen mit je 6 Gläsern zur Auswahl. Eine mit einfacheren Weinen zu 72 Franken und eine mit hochpreisigeren Flaschen für 120 Franken. Wir genossen die Weinbegleitung für 120 Franken und haben folgende Weine serviert bekommen:

Schäfer Fröhlich, Stromberg GG Riesling, 2020, DE
Donatsch, Completer, 2019, Graubünden
Tscharner, Churer Chardonnay, 2018, Graubünden
La Massa, Giorgio Prima, 2018, IT
Donatsch, Pinot Muté, 2020, Graubünden
Achim Molitor, Piesporter Grafenberger, 2003, DE

Online: https://fahr-sulz.ch/

Wertung: Gourmör / Michelin / Gault-Millau

Sonderauszeichnung: Auszeichnung für eine tolle Weinbegleitung / Schöne Zigarren-Lounge vorhanden

(Besucht im April 2023)

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