Südosten von England. Die Landschaft ist karg und rau aber auch sehr idyllisch. Hätten wir diesen Restaurant-Tipp nicht von verschiedenen Quellen erhalten wären wir überzeugt gewesen uns verfahren zu haben. Kann hier draussen wirklich noch ein Gourmet-Refugium auftauchen? Das Navigationssystem weiss irgendwann auch nicht mehr weiter und so fährt man die enge Strasse mutig weiter und hält währenddessen Ausschau nach einem Pub in dem anscheinend ein Besessener kochen soll.
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Steve Harris heisst er. Der Brite hat zwar keine Kochausbildung doch sein Talent und Willen sind gross. Er bezieht wenn immer möglichst alle Produkte aus der Region und stellt vieles selber her – zum Beispiel die geniale Seegras-Butter – aber dazu später mehr. Wir hatten an einem schönen Mittwochabend einen Tisch reserviert und bereits bei der Reservation das Tasting Menü bestellt. Dies muss man im Voraus tun sonst muss man sich mit der einfacheren à la carte Auswahl begnügen. Der Empfang war sehr herzlich und wir waren sehr gespannt auf die Küchenleistung.
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Pork scratchings / Senf / Fish & Apple [-/10]
Das Menü startete mit ein paar Apéro-Häppchen. Das frittierte Schweinefett war leider zu trocken, der Senf zu süss und die Fisch-Spiesse hatten überhaupt keinen Geschmack da das leichte Apfel- und Fischaroma durch das zu dicke Brot übertönt wurde.
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Oyssters [5/10]
Die sehr schön präsentierten Austern hatten kein Eigenaroma und konnten deshalb nicht begeistern. Stattdessen hatte die feine Beurre blanc ihren Auftritt. Der Kaviar war leider keine Bereicherung da dieser von zu schwacher Qualität war.
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Oysters [5/10]
Die zweite Variante wurde pochiert serviert und hatte ein schönes Eigenaroma. Die gehackten Kräuter passten gut dazu.
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Bread, home-churned butter with Seasalter salt
Das Brot wäre auch zu Hause überdurchschnittlich. Hier in England gilt solches Gebäck als Highlight und wurde uns sogar als separaten Gang serviert. Uns begeisterte vor allem die Variante mit Zwiebeln und Rosmarin, sehr frisch und fein. Dazu die selbstgemacht Butter – lecker!
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Chilled beetroot soup [7/10]
Nach dem eher enttäuschenden Auftakt gab es ein erster Lichtblick in Form einer wunderbaren Randensuppe und einem kleinen Randenküchlein mit dezenten Curry-Geschmacksnuancen – sehr harmonisch und fein!
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Slip sole grilled in seaweed butter [8/10]
Das Team um Steve Harris sammelt am Strand das angeschwommene Seegras um daraus diese tolle Butter zu machen in der nun die Seezunge serviert wurde. Der Fisch war extrem frisch und wurde samt Gräten aufgetischt. Das Fleisch lies sich ganz einfach lösen und zusammen mit der tollen Butter geniessen. So simpel, so genial.
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Crude, Zucchetti [-/10]
Aus diesem Zwischengang wurden wir überhaupt nicht schlau. Dünne Zucchetti Streifen mit drei kleinen Crudo Stückchen. Es passte weder zusammen, noch schmeckte es besonders. Es war einfach ein Mini-Happen den man schon vor dem runterschlucken wieder vergessen hatte.
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Braised turbot with smoked roe [7/10]
Zum Glück servierte man uns hier nochmals einen Fisch – perfekt zubereitet, super in der Konsistenz dazu eine passende leichte Paprika Sauce. Sehr, sehr fein und von bester Qualität.
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Mint [-/10]
Die Achterbahnfahrt ging wieder Richtung Boden. Paniertes (leicht zähes) Lammfleisch welches man in die Minzensauce dippen konnte. Es schmeckte nach Paniermehl mit frischer Minze – also das ist definitiv nichts wovon man ins schwärmen kommt.
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Roast lamb from monkshill farm [5/10]
Das Lamm, dessen Fleisch nun vor uns lag, hatte zu Lebzeiten lediglich ein paar hundert Meter vom Restaurant entfernt geweidet. Schon toll wenn man so regional kochen kann. Das Fleisch war leider etwas zu geschmacksneutral – beim Lammfleisch möchte ich gerne schmecken, dass es von diesem Tier stammt. Viel besser gefiel mir das kleine Stück von der geschmorten Schulter, das hatte ein tolles Aroma und war Butterzart. Das gereichte Gemüse war fein, der Kartoffel überzeugte ebenfalls.
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Cherry ice lolly in milk [-/10]
Gefrorener Kirschensaft wie wir es früher bei der Grossmutter gemacht hatten. Leider löste sich hier das Eis zu schnell von den Stäbchen und fiel in die Milch. Auch hier wurde ich nicht schlau weshalb uns dies hier aufgetischt wurde.
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Grilled plum with kernel ice cream [5/10]
Das Glacé stammt vom Zwetschgen-Kern, das Gebäck war schön feucht und schmeckte nach Mandeln. Ein feines und einfaches Dessert zum Schluss welches das vorhergehende Menü passend abschloss.
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Friandises [5/10]
Zum Abschluss noch schön zubereitete Kreation von diversen Desserts. Diese waren alle zwischen ok und fein. Am Besten war das Tiramisu.
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Fazit: Wir genossen einen schönen Abend im ‚The Sportsman‘. Das Essen konnte leider nicht durchgängig überzeugen und war ein ständiges auf und ab zwischen Banalität und Begeisterung. Begeisterung zum Beispiel für die frischen Fische welche lediglich von einer leichten Sauce oder Butter begleitet wurden. Auch der Fleischgang und die Randenkreationen gefielen uns, doch der Rest war weit hinter den Erwartungen zurück und oft sogar belanglos.
Das Menü wird für eigentlich faire 71.50 £ angeboten. Ich würde dieses Geld aber lieber nochmals in Torquay ins Menü investieren. Da gab es zwar nicht so viele Gänge dafür waren alle sehr überzeugend, also Qualität statt Quantität.
Eine Goldmedaille bekommt das ‚The Sportsman‘ von uns aber auf jeden Fall noch verliehen: es war der angenehmste Restaurantbesuch während unserer Reise durch Südengland. Ein sehr freundlicher und zuvorkommender Service, sehr ruhig und sehr stimmig. Das Pub war bei unserem Besuch etwa zur Hälfte gefüllt.
Eine weite Anreise zum Pub lohnt sich nicht, wer aber in der Nähe ist bekommt für 71.50 £ ein feines Überraschungsmenü serviert.
Menü: Auf grossen Schiefertafeln wird das à la carte Angebot angepriesen. Die Preise sind auf normalem Pub-Niveau (Hauptgang ca. 15 £). Falls man das Tasting Menü genissen möchte muss man dies bei der Reservation anmelden (mind. 24 Stunden vorher). Leider wird das Tasting Menü an Samstagen nicht serviert. Das Essen dauerte angenehme 3:10 Stunden.
Wein: Ein Wine pairing wird nicht angeboten (müsste man unbedingt verbessern!) so wählten wir aus der schönen Weinkarte selber aus.
Online: Die Website bietet einige Infos. Das aktuelle Speiseangebot findet man darauf aber leider nicht.
(Besuch im Juli 2011)