La Passion in Eglisau

Das Romantikhotel Hirschen in Eglisau steht direkt am Rhein. Draussen auf der Terrasse des gemütlichen Hirschen-Bistros geniessen die Gäste, an diesem angenehm warmen Spätsommerabend, Klassiker wie das Wienerschnitzel oder Moules-frites und beobachten dabei den Sonnenuntergang, der sich malerisch auf der Wasseroberfläche spiegelt. Im Obergeschoss des Hirschen befindet sich das kleine Gourmetrestaurant La Passion. Hier kocht der 30-jährige Christian Kuchler. Der Kochberuf wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater Wolfgang besitzt in Wigoltingen die Taverne zum Schäfli, ebenfalls ein Spitzenrestaurant mit 18 Punkten im Gault-Millau und einem Stern im Guide Michelin.

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Schon als kleiner Junge stand Christian oft in Vaters Küche und hat sich vom Geschehen, den Aromen und Produkten begeistern lassen. Der Berufswunsch war entsprechend gesetzt und nach der erfolgreich abgeschlossenen Lehre ging es auf Wanderjahre bei den Grossen in Europa. So arbeitete er bei Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube, bei Didier de Courten in Sierre und, als einziger nicht-Franzose, in der Brigade von Alain Ducasse in Paris. Zurück in der Schweiz übernahm Kuchler in Diessenhofen seine erste Stelle als Küchenchef und wurde vom Gault-Millau gleich zur „Entdeckung des Jahres“ ernannt. Zwei Jahre später übernahm er die Küche im Hirschen.

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Das La Passion ist gemütlich und elegant eingerichtet. Auf dem schönen Holzboden stehen gerade mal sechs (!) Tische, welche Platz für maximal 20 Couverts bieten. Trotz der beschränkten Raumgrösse, hat man genügend Abstand zwischen den Tischen freigehalten, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Einzig die Party-Musik zur späten Stunde – von der Hochzeit im Nebensaal – mag den intimen Rahmen etwas trüben. Einen Tisch im Hirschen zu ergattern ist keine leichte Aufgabe. Seit der Auszeichnung zum „Gault-Millaus Aufsteiger des Jahrs 2014“ vor 15 Monaten ist das Restaurant fast immer ausgebucht. Wir haben entsprechend Wochen im Voraus zum Hörer gegriffen, um für heute Abend einer dieser begehrten Tische zu sichern. Eine frühzeitige Reservation wird auch für die nächsten Monate nötig sein, denn wer nochmals bei Christian Kuchler in Eglisau speisen will muss sich spurten – der Thurgauer übernimmt im Juli den elterlichen Betrieb in Wigoltingen.

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Wir werden von der charmanten Audrey Lewa in Empfang genommen. Die gebürtige Französin begleitet die Gäste als Chef de Service und Sommelière mit ihrem charmanten Akzent und dem grossen Fachwissen, durch den Abend. Ihre Servicekolleginnen halten sich dezent im Hintergrund. Zur ersten Erfrischung reicht man uns ein kleines Frottétuch mit vitalisierenden Ölen und erkundigt sich nach unseren Apéro-Wünschen.

Apéro-Häppchen [6/10]

Zum bestellten Sekt vom lokalen Produzenten, serviert man uns die ersten Häppchen. Hier in Eglisau gibt es dazu nicht einfach ein paar Kleinigkeiten, sondern man fährt eine regelrechte Armada auf. So wandert ein Töpfchen nach dem anderen auf unseren Tisch. Kaum ist alles aufgestellt probieren wir die warmen Eierschwämmli unter einem raffinierten Zwiebelschaum. Weiter geht es mit einer asiatisch anmutenden Jakobsmuschel an Soja-Reduktion, bevor wir uns anschliessend freudig dem aromatischen Saibling im Brunnenkresse-Sud widmen. Weniger gut gefällt uns die gehobelte Gänseleber. Sie geriet viel zu staubig und ist zudem zu kalt temperiert, wodurch die Foie gras im Mund nicht sofort schmilzt und das avisierte Geschmacksfeuerwerk ausbleibt. Darüber hinweg tröstet das himmlische, aber auch sehr fragile, Algen-Macaron mit Sauerrahm, Kartoffeln und edlem Osietra Kaviar. Der Höhepunkt ist die dunkle Ochsenschwanz-Essenz mit ihrer unglaublichen Power – wow, der grosse Aufwand für die Zubereitung hat sich gelohnt.

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Nach diesem abwechslungsreichen Auftakt haben wir die Wahl, ob wir uns heute Abend weiterhin überraschen lassen möchten oder ob wir vorher lieber einen Blick ins Menü werfen. Wir bitten um die Karte. Darauf finden wir ein einzelnes Menü in sieben Gängen. Dieses lässt sich individuell kürzen. Weitere Gerichte in Form einer à la carte Auswahl stehen nicht zur Wahl. Der Grund liegt bei der Küchenkapazität. Die sieben-köpfige Brigade ist nämlich nicht nur für das La Passion zuständig, sondern schickt auch die Bistro-Speisen auf die vorher erwähnte Terrasse. Zudem ist man auch für die vielen Hochzeitsbankette verantwortlich.

Brot

Raffiniert, die noch warme Brotauswahl. Hier kommt nämlich gleich eine ganze Selektion auf den Tisch. Auf keinen Fall verpassen darf man das Laugen- und das Speckbrot. Stark auch die salzige Butter mit dem dezenten Raucharoma.

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Amuse Bouche: Variation vom Schweizer Kalb [7/10]

Kuchler ist ein Krampfer, einer der vom Tier möglichst viel verwertet. Glück für den Gast. So kommt man nämlich auch in den Genuss nicht alltäglicher Produkte, wie diesen wunderbaren Herzmilken im Bierteig mit Estragon. Auch das modern interpretierte Vitello Tonnato ist genial, uns gefällt der kräftige Geschmack so gut, dass wir die Teller blitzeblank zurückgeben. Abschliessend begeistert uns das würzige Tatar-Röllchen mit prominenter Zitrusnote. Ein eindrucksvoller Auftakt!

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Amuse Bouche: Raviolo vom Hummer [5/10]

Sehr gut auch der mit Hummerfleisch gefüllte Raviolo an einem Kaffir-Limetten-Sud. Einzig die Wassermelonenstückchen sind für unseren Geschmack zu überproportioniert und lenken unnötig stark vom eigentlichen Hauptakteur ab.

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Tomate Mozzarella 2014 [8/10]

Der erste Gang des Menüs ist der Tomate gewidmet. Das Nachtschattengewächs ist aktuell auf dem Saison-Höhepunkt und das schmeckt man auch. Wundervoll welch Power das Gemüse hat. Christian Kuchler hat die besten Sorten ausgesucht und zu einer ausgezeichneten Marriage vereint. Auf dem Tellerboden sorgt ein fantastischer Sugo für den richtigen Grundton. Dazu gesellt sich feinster Mozzarella. Als kleines Supplément reicht man uns daneben im Reagenzglas eine gut abgeschmeckte, kalte Tomatenessenz. Ein ausgezeichnetes Gericht!

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Ormalinger Schwein – Karotte – Ingwer  [7/10]

Vorbildlich wie man die Tiere auf dem Hofgut Farnsburg haltet. Die Schweine leben draussen in der Natur und verbringen so ein würdiges Masttier-Leben. Vorbildlich auch was die Küche des La Passion nach dem Ableben der Tiere mit diesen anstellt. So wird nicht nur einfach das beste Stück verarbeitet, sondern respektvoll das ganze Tier verwertet. Sogar die Schwarte bekommt ihren Auftritt und wird gekonnt ins Gericht eingebaut. Im Mittelpunkt steht aber ein zartes Nierstück und die wunderbar geschmorte Schulter. Dazu gibt es geschmacksvolle Rüebli. Die Krönung ist die grossartige Sauce. Das Talent für die Zubereitung für dieses tiefe und charaktervolle Elixier hat Christian offensichtlich von seinem Vater geerbt – dieser gehört zu Recht zu den Saucenmeistern des Landes.

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Räucherstör – Aal – Carabineros [-/10]

Das nächste Gericht wird uns auf einer Schiefertafel serviert. Alle Produkte sind von guter Qualität und die Kombination von Avocado, Essig und den Zitrusnoten ist fein. Wir haben jedoch Mühe mit den vielen Tupfern. Vor allem das Stör-Mousse wirkt etwas gar mastig. Hier fehlt es klar an Balance und die Fokussierung auf das Wesentliche.

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Steinbutt – Kräuter – Grünes Gemüse [9/10]

Hervorragend und klar fokussiert ist dann der Steinbutt. Mit diesem puristischen Gericht demonstriert Kuchler eindrücklich sein grosses Können. Der edle Fisch ist perfekt gegart, wunderbar saftig und traumhaft im Geschmack. Dazu gibt es frische Kräuter und eine fantastische Beurre blanc.

Als zusätzliches Highlight serviert man uns eine edle Schwertmuschel mit harmonischen Aromen nach Kardamom, Koriander, Knoblauch und Mayonnaise.

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Erfrischung

Als kleine Erfrischung vor dem Hauptgang gibt es ein Verjus-Sorbet mit grünem Apfel und Tröpfel.

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Poularde Bourbonnaise – Blumenkohl – Perigord Trüffel [7/10]

Im Hauptgang folgt eine Poularde aus Bourbonnaise – ein wunderbares Produkt. Auch hier gibt es wieder verschiedene Teile des Vogels. Zum Beispiel den geschmorten Unterschenkel, oder den konfierten Oberschenkel. Sogar den Kamm des Federviehs finden wir auf dem Teller. Dazu kredenzt man uns eine hervorragende Trüffel-Sauce, bei der mit dem edlen Pilz nicht gegeizt wurde. Ganz stark auch das separat gereichte Sablé.

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Käsewagen

Der Käsewagen vereint einige Highlights aus der ganzen Schweiz. Dazu serviert man köstliches Früchtebrot und verschiedene Dressings wie Kreuzkümmel und süsser Senf.

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Pré Dessert: Waldboden mit Cassis und Joghurt [7/10]

Stark das pré Dessert mit schön gereiften Beeren, einer harmonischen Joghurt-Crème und dem fruchtigen Cassis-Glace. Schöne Aromen, abwechslungsreiche Texturen und ein angenehmes Säure-Süsse-Spiel.

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Nougat, Calamansi, Passionsfruch [5/10]

Handwerklich überzeugend, macht die intensive Säure der Calamansi der Balance einen dicken Strich durch die Rechnung. Da hat das eigentlich wundervolle Nougat mit dem caramelisierten Sesam keine Chance.

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Friandises [6/10]

Abgeschlossen wird das Menü von einer kleinen aber sehr feinen Auswahl an Friandises.

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Fazit: Während sich die Teller vieler junger Talente erstaunlich stark ähneln, geht Christian Kuchler einen eigenen Weg. Er setzt weniger auf die kleinen optischen Finessen und investiert seine Energie lieber in die aufwendige, klassische Zubereitung seiner Gerichte. Uns gefällt diese Art. So waren wir vom Abend im La Passion sehr beeindruckt. Gerade bei den Saucen und den stark auf das Produkt fokussierten Gerichte, wie dem Steinbutt oder der Tomate, zeigte Kuchler sein grosses Talent. Dabei ist es erstaunlich auf welchem Niveau hier gekocht wird, wenn man bedenkt, dass aus derselben Küche auch das Bistro und die Hochzeitsbankette bedient werden müssen. So darf man äusserst gespannt auf Christian Kuchlers Rückkehr nach Wigoltingen sein. Dort hat er zwar das Betriebsrisiko zu tragen, dafür kann er sich voll und ganz auf seine Gourmetküche konzentrieren. Zudem hat er mit seinem Vater einen hervorragenden Koch an seiner Seite. Die Voraussetzungen sind also vorhanden, dass die Ostschweiz in den nächsten Jahren ihr erstes 2-Sterne-Restaurant bekommt.

In Eglisau muss man nach dem Wegzug von Christian Kuchler aber nicht traurig sein. Werner Dubno, Inhaber des Hirschen, hat einen würdigen Nachfolger gefunden. Ab Juli übernimmt Tobias Buholzer die Brigade des La Passion. Buholzer kochte bis im Mai des vergangenen Jahres im Münsterhof in Zürich und war dort ebenfalls mit einem Michelin Stern ausgezeichnet. Für die Gourmets ist die im Sommer stattfindende Rochade also ein Gewinn.

La_Passion_Hirschen_Eglisau_Christian_Kuchler_13Christian Kuchler (links) mit seinem Team

 

La_Passion_Hirschen_Eglisau_Christian_Kuchler_20Audrey Lewa

 

Zeit: Das Dinner dauerte vier Stunden.

Menü: Es wird ein Menü in sieben Gängen für stolze 195 Franken angeboten. Dieses kann man bis auf drei Gänge kürzen wodurch sich der Preis jeweils um 15 Franken reduziert.

Wein: Neben der Weinkarte wird auch eine passende Weinbegleitung für 81 Franken (bei 7 Gängen) angeboten. Hier unsere Begleitung:

2012, Soave Classico Costeggiola, Guerrieri Rizzardi, DOC, Veneto, Italien
2013, Séguret Rosé, Domaine de Cabasse, Côtes du Rhône Sud, Frankreich
2013, Cuvée Blanc, Weingut Neukom, AOC Zürich, Zürcher Unterland, Schweiz
2011, Chardonnay Cornell Formigar, Schreckbichl Colterenzio, DOC, Alto Adige, Italien
2012, Volnay 1er Cru Les Robardelles, Remoissenet, AC, Côte de Beaune, Frankreich
Portwein, Quinta de la Rosa, Vintage, DO, Douro, Portugal
2012, Nives Assemblage Doux, Weingut Zum Sternen, Aargau, Schweiz

Online: Die Website des La Passion ist in die Hotelwebsite integriert. Wir finden drauf einige Bilder, Informationen über die Gastgeber und das jeweilig aktuelle Menü.

 

Wertung: Gourmör O7 / Michelin M1 / Gault-Millau GM17

(Besucht im September 2014)

2 Gedanken zu “La Passion in Eglisau

  1. Liebe Gourmör’s,
    besten Dank für Ihren interessanten Bericht über das La Passion und das Jungtalent Christian Kuchler, welcher wirklich auf hohem Niveau kocht. Für mich persönlich passt aber die Weinbegleitung überhaupt nicht zum hohrn Standard der Küche, auch wenn sie natürlich mit CHF 81.– nicht teuer war. Aber in einem 17-Punkte Lokal möchte ich nicht alles so junge Weine trinken. Wenn schon eine Weinbegleitung angeboten wird, sollte sie die Küche auf gleichem Niveau begleiten, auch wenn das teurer wird.
    Mit besten Grüssen
    W. Meier

    • Lieber Walter
      Danke für deinen Kommentar. Wir teilen deine Ansicht. Die Weine werden fast überall viel zu jung kredenzt. Man muss aber die Gastronomen in Schutz nehmen. Nicht jeder Betrieb kann es sich leisten die Weine im Keller zu reifen und dadurch das Kapital jahrelang zu binden. Gerade bei Weinbegleitungen benötigt man zudem eine grosse Anzahl Flaschen die man genug früh bereitstellen muss. Man kann natürlich auch ältere Weine einkaufen doch am Ende ist alles eine Preisfrage. Ob der Gast bereit ist für eine gut gereifte Weinbegleitung einen höheren Preis zu bezahlen darf zumindest bezweifelt werden.
      Kulinarische Grüsse!

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