Als sein Telefon im letzten Herbst klingelte war Hauke Pohl erst vor drei Monaten vom Sous-Chef zum Küchenchef befördert worden. Als er den Hörer abnahm erfuhr er von seiner geschockten Freundin, dass sie – immerhin auf dieser Seite – gelesen hatte, dass sein Restaurant den Michelin-Stern verloren hat. Ein harter Schlag für den Deutschen. Doch vermutlich lag die Streichung der begehrten Auszeichnung nicht an seinen Kochkünsten, sondern am unglücklichen Zeitpunkt für den Chef-Wechsel (die Michelin-Inspektoren haben es vermutlich nicht mehr nach Zermatt geschafft). Und da das Hotel bereits zum dritten Mal innerhalb wenigen Jahren einen Wechsel am Chefposten bekannt gab, wird man bei Michelin den nächsten Besuch abwarten wollen.
Auch wenn das Ziel nicht so formuliert ist, muss man keine grossen Menschenkenntnisse haben um zu wissen, dass Hauke den Stern möglichst rasch wieder ins The Omnia zurückkochen will. Den vielen Vorschusslorbeeren von anderen Gastronomen in der Region nach zu urteilen, sollte dies dem 32-Jährigen und seiner Brigade bereits mit der nächsten Ausgabe gelingen. Wir sind jedenfalls sehr gespannt auf den Abend, als wir das Restaurant an diesem Samstag besuchen. Noch besser das Gefühl als wir an der Reception vorbei gehen und mitbekommen, dass gerade eine Familie vertröstet werden muss, da das Lokal – wie so oft – ausgebucht ist – ein gutes Zeichen!
Den Abend könnte man in der schönen Lounge vor dem offenen Kamin starten. Als wir das Restaurant betreten sitzt dort aber bereits eine grosse Gruppe mit einer Handvoll Kindern. In vielen anderen Ländern, müsste man sich jetzt auf einen lauten Abend gefasst machen. Hierzulande machten wir aber noch nie schlechte Erfahrungen mit Kindern in der gehobenen Gastronomie und das wird sich auch an diesem Abend nicht ändern.
So geniessen wir unseren Apéro an unserem Granitstein-Tisch. Die langen Tische sind ungewohnt für ein Restaurant. Aber kaum hat man Platz genommen, schätzt man den üppigen Platz, der diese bieten. Wir erhalten nun vom charmanten Service-Team die Speisekarte und finden darauf ein Menü mit Fisch und Fleisch sowie eine rein vegetarische Variante. Ergänzt werden die Menüs durch eine kleine à la carte-Auswahl. Wir entscheiden uns für das Menü mit allen sieben Gängen und bestellen dazu ein Glas Champagner.
Häppchen I (7/10)
Den kulinarischen Auftakt macht eine Häppchen-Trilogie auf einer Glasplatte, welche die Messlatte schon mal nach oben setzt. Das Süsskartoffelröllchen mit der orientalischen Note ist mit einem crèmigen, geräucherten Frischkäse und Rindstatar gefüllt. Uns gefällt der leicht süss-salzige Touch der uns die Petitesse an den Gaumen zaubert. Gar noch besser ist der Zwiebel-Chip mit der wundervollen Senfnote, die für einen langanhaltenden Abgang sorgt. Komplettiert wird das Trio von einem etwas gar fragilen, aber feinen Praliné aus Foie Gras-Glace mit Trüffelmayonnaise und Perigord Trüffel.
Häppchen II (5/10)
Da viele ausländische Gäste gerne einen Einblick in die lokale Walliser Küche erhalten möchten, hat sich Hauke entschieden vor dem Menü eine kleine Auswahl an regionalen Gerichten im Miniformat zu servieren. Sofort ins Auge springt der aufwändig zubereitete „Walliser-Teller“ in Dreiecksform. Dieser besteht abwechselnd aus einer Schicht Trockenfleisch und Bergkäse. Die Cholera ist eine weitere Spezialität aus dem Wallis. Der Gemüsekuchen mit Kartoffeln, Käse und Äpfeln wird hier im The Omnia in Form eines geschmacklich etwas ausdruckslosen Macaron serviert. Auch das Kalbskopf-Praliné dürfte mutiger abgeschmeckt sein. Da uns auch die geschäumte Gerstensuppe, aufgrund ihrer schleimigen Konsistenz, kein Lächeln ins Gesicht zaubert, buchen wir diese Häppchenwelle als „gute Idee mit Potential nach oben“ ab.
Amuse Bouche: Lauwarmer Hummer (9/10)
Gänzlich hervorragend das Geschmacksbild dann aber beim Amuse Bouche. Hauke Pohl schafft eine geniale Symbiose zwischen dem Fenchel, der erdigen Note vom Selleriefond und dem tollen, lauwarmen Hummer, der mit seinem typischen Geschmack begeistert. Das Aroma auf dem Teller ist charaktervoll, herausfordernd und in vielen Punkten anders als vieles was wir zuvor je geschmeckt haben. Beeindruckend! Auch ganz stark wie die Brigade das Spiel mit den verschiedenen Konsistenzen und Temperaturen beherrscht.
Brot
Das Brot stammt von der Bäckerei Biner unten im Dorf. Die drei Brotsorten sind sehr frisch, wundervoll knusprig und sehr fein im Aroma. Richtig toll schmeckt das Gebäck in Kombination mit den verschiedenen Brotaufstrichen. Es gibt selbstgemachte Butter und ein wundervoller Haselnuss-Frischkäse.
Auster // Blätterteig / Kaviar / Spargel (7/10)
Anschliessend eröffnet die prächtige Gillardeau-Auster das eigentliche Menü. Die Muschel ist von ausgezeichneter Qualität und wird von einer Nocke Ossetra-Kaviar begleitet – ein absolut delikates Vergnügen! Die meerige Kombination wird auf dem Hauptteller fortgesetzt. Hier kommt mit dem buttrigen Blätterteig – als kleine Kissen und in Form von einem genialen Glacé (!) – ein spannender und ungewohnter Protagonist hinzu. Der buttrige Geschmack passt überraschend gut zur jodigen Auster und dem wundervollen Kaviar. Die Spargeln sind schliesslich die erster Frühlingsboten, obwohl man sich in unseren Augen, aufgrund des noch fehlenden Geschmacks, für ein anderes Produkt hätte entscheiden müssen. Aber wir haben Verständnis, dass es für einen Koch am Ende des langen Winters sehr verlockend ist, den Gästewünschen nach dem Frühlingsgemüse Folge zu leisten.
Foie Gras // Kaisergranat / Rotes Curry / Koriander (8/10)
Beim nächsten Gericht zaubert Hauke Pohl wieder ein besonderes Aroma auf den Teller. Die Kombination zwischen der Gänseleber (welche noch intensiver sein dürfte), dem köstlichen Kaisergranat und den asiatischen Aromen von Curry, Koriander sowie dem sagenhaften Ingwer-Galgant-Eis ist ausgezeichnet. Die gepufften Tapioka mit rotem Curry sorgen für eine crunchy-spicy Textur. Exotisch und trotzdem überraschend bodenständig.
Forelle // Escabèche / Karotte / Meerrettich (5/10)
Nach dem intensiven Menüauftakt folgt mit der Forelle ein eher subtiler Zwischengang. Der Fisch liegt in einem angenehm süssen Escabeche Fond und wird von Rüebli, Forellenrogen und Peperoni begleitet. Für uns schmeckt die Komposition etwas zu eindimensional. Trotzdem haben wir unsere Freude mit dem saftigen Süsswasserfisch.
Kohlrabi // Bärlauch / Morchel / Amalfi Zitrone (6/10)
Dass Hauke Pohl auch vegetarisch kochen kann, beweist er mit diesem auf Salz gegartem Kohlrabi. Die eine Hälfte ist mit herrlichem Bärlauch gratiniert – das grüne Wildgemüse passt sehr gut zum Kohlrabi. Die andere Hälfte des Kohls ist mit Champignons, Morcheln und Pilzcrème bedeckt. Wobei uns die ersten Morcheln der Saison geschmacklich überhaupt nicht zu begeistern vermögen – dazu fehlt ihr typischer Geschmack. Begeistern vermag uns dafür der eindrückliche Gemüsejus der den feinen Kohlrabi mächtig unterstreicht und eindrücklich demonstriert wie viel Power ein vegetarisches Gericht haben kann.
Kalb // Erbse / Kartoffel aus dem Albulatal / Sauerampfer (8/10)
Im Hauptgang dreht die Brigade nochmals auf und zaubert eine aufwändige Kalbsvariation auf den Teller. Im Hauptteller liegt ein Tafelspitz in vollendeter Form. Noch nie wurde uns dieses Stück Fleisch so zart und geschmacksintensiv serviert. Grossartig auch die glasierten Milken, die feinen Röllchen von der Kalbszunge und die wunderbar süssen Erbsen. Die geschmacksintensiven grünen Perlen wurden auch noch zu einer genialen Hollandaise mit Sauerampfer verarbeitet. Der süss-herbe Kontrast passt hervorragend zum feinen Tafelspitz.
À part gibt es noch eine traumhafte Erbsenschaumsuppe mit getrocknetem Kalbsherz-Chip und auf einem zweiten Schälchen eine geschmorte Kalbsbacke mit einer ausgezeichneten Sauce und einem etwas zurückhaltend abgeschmeckten Kartoffelschnee.
Käse
Vom gut sortierten Käsewagen bestellen wir eine kleine Selektion. Dazu reicht man uns einen Teller mit Honig, feinem Früchtebrot, Nüssen und Dörrfrüchten.
Rhabarber // Zitronenmelisse / Pistazie (6/10)
Das Dessert ist sehr schön inszeniert. Es ist verspielt und der goldene Milchchip funkelt wunderschön im Licht. Am Tisch wird noch ein rosafarbener Rhabarberfond über die Zuckerwatte gegossen, wodurch diese schmilzt. Geschmacklich dreht sich alles um die Rhabarber. Begleitet wird die Frucht mit der schönen – aber etwas dominanten – Säure von etwas Kokos und ebenfalls säurebetonter Zitronenmelisse. Am besten gefällt uns die Komposition auf dem kleinen Schälchen neben dem Teller. Der gefrorene Rhabarber-Sponge mit dem Rhabarber-Gel und dem genialen Melissenblatt schmeckt zeitgleich intensiv und erfrischend und stellt auch geschmacklich die Rhabarber sehr schön ins Zentrum.
Apré-Dessert (7/10)
Statt dem üblichen pré Dessert gib es heute Abend ein apré Dessert. Und dieses legt gegenüber dem Hauptdessert sogar noch einen Zacken zu. Dazu greift die Pâtisserie auf die exotische Frucht Atemoya zurück um daraus ein Griess-Flan zu zaubern. Dazu gibt es ein sehr gutes Kokosnuss-Sorbet, knackige Schokoladenchips sowie caramelisierte Ananas.
Friandieses (6/10)
Zum Finale dürfen wir am Tisch noch Marshmallows bräteln. Da man weiss, dass die meisten Gäste nach dem süssen Abschluss oftmals keinen Hunger mehr haben, gibt man die feinen Friandises in einer praktischen Box mit nach Hause.
Fazit: Wir verbrachten im The Omnia einen wundervollen Abend. Die Stimmung ist nicht nur wegen dem warmen Cheminée-Feuer richtig schön gemütlich, sondern auch dank der ruhigen Stimmung und dem sehr freundlichen und aufmerksamen Service. Das Team um Restaurantleiterin Cornelia Brändli macht einen sehr guten Job. Doch der Hauptgrund, weshalb sich ein Besuch im Restaurant hoch über Zermatt lohnt sind natürlich die Speisen. Hauke Pohl und seine Brigade geben mächtig Gas. Bei jedem Gericht spürt und schmeckt der Gast die Leidenschaft mit der in der Küche gearbeitet wird. Hochwertige Produkte und aufwändige Zubereitungsmethoden werden verwendet um spannende Geschmacksbilder zu zeichnen. Highlights waren das Amuse Bouche und der Hauptgang, die uns nicht nur Produkte in Referenzqualität boten (Tafelspitz) sondern auch neue Geschmackskombinationen offenbarten. Jetzt muss man es nur noch schaffen das hohe Niveau der einzelnen Gerichte und Komponenten aufs Ganze Menü auszudehnen. Denn zum Teil standen einem hervorragenden Geschmackserlebnis nur Kleinigkeiten im Weg. Wir sind sehr gespannt wie sich der junge Chef entwickelt und sind überzeugt, dass im nächsten Winter wieder ein Stern über dem Restaurant leuchten wird. Das The Omnia ist übrigens das einzige Spitzenrestaurant in Zermatt, welches auch im Sommer geöffnet hat.
Hauke Pohl, Diogo Filipe, Tony Rudolph, Pietro Schmid, Natalie Kiernan, Johannes Wolf, Muriel Bussard, Timm Hagelmann, Cornelia Brändli, Markus Rösch, Lena Baas, Lukas Kaufmann (v.l.n.r.)
Speisekarte: Zwei verschiedene Menüs stehen zur Auswahl. Eines mit Fleisch und Fisch, das andere ein rein vegetarisches. 4 Gänge kosten 139 Franken, 5 Gänge 153 Franken, 6 Gänge 174 Franken und 7 Gänge 185 Franken. Die vegetarische Variante ist leicht günstiger. Alternativ gibt es noch eine Auswahl à la carte. Die Vorspeisen kosten 23 und 39 Franken, die Hauptgänge zwischen 57 und 75 Franken. Die Desserts kosten 23 Franken.
Wein: Zu den Menüs bietet man auch eine extra darauf abgestimmte Weinbegleitung an. Diese kostet 75 Franken bei 4 Gängen bis 106 Franken bei 7 Gängen. Alternativ steht auch eine grosse Auswahl an Flaschenweinen zur Verfügung. Diese Weinbegleitung wurde uns für 106 Franken serviert:
Franciacorta ca del bosco, Lombardei (I)
2015 Riesling Spätlese, Weingut Schloss Lieser, Thomas Haag, Mosel (D)
2015 Merlot Bianco, Les Tonneliers, Robert Gillard, Wallis (CH)
2013 Syrah, Alexandre Delétraz & Dominique Derisbourg, Wallis (CH)
2011 Merlot und Cabernet Franc, Château Larmande Grand Cru classé, Saint-Emilion (F)
2007 Syrah, Val Fado, Cave Biber, Wallis (CH)
2015 Chardonnay Beerenauslese, Gruber Röschitz, Weinviertel, (Ö)
Zeit: Das grosse Menü wurde in 3.5 Stunden serviert.
Website: https://www.the-omnia.com/
Wertung: Gourmör / Gault-Millau
(Besucht im April 2018)