Dem Management des neusten 5-Sterne-Hotels in Gstaad, gelang schon vor der Eröffnung im 2012 ein grosser Coup: Sie konnten den gebürtigen Vorarlberger Marcus G. Lindner als Executive Chef für ihr The Alpina Gstaad gewinnen. Lindner war bis dahin in Zürich im mesa tätig und mit 2 Sternen und 18 Punkten der best dotierte Koch der Limmatstadt. Lindner wollte sich mit 51 Jahren aber noch einmal einer neuen Herausforderung stellen. Und diese hat er im fantastischen Hotel (zu unserem Bericht) auch gefunden. Hier konnte er das kulinarische Konzept von Grund auf mitgestalten. Heute ist er nicht nur für die drei Restaurants verantwortlich, sondern für das komplette kulinarische Angebot des luxuriösen Hotels. So kümmert er sich auch um die Selektion der Lieferanten für das erlesene Frühstück, die Snackkarte und natürlich die Speisen für den Zimmerservice. Sein Lieblingsprojekt ist aber das Sommet – das lukullische Aushängeschild des Hotels. Hier werden jeden Abend bis zu 60 Geniesser verwöhnt. Neben dem Gourmet-Angebot gibt es auch einfache Gerichte vom Grill zu bestellen.
Es ist kurz nach sieben als wir das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant betreten. Bunte Blumen, eine massive Holzdecke und ein angenehmes Lichtkonzept zeichnen das äusserst elegante Lokal aus. An den Wänden hängen beeindruckende Hörner, welche die Künstlerin Ann Carrington aus unzähligen Messern und Gabeln formte. Die weiss gedeckten Tische sind in zwei leicht voneinander abgetrennte Bereiche unterteilt. Wir erhalten vom Service die Speisekarte. Diese hält, neben dem Gourmetmenü und den eingangs erwähnten Grill-Gerichten, auch noch ein à la carte Angebot bereit. Daneben finden wir noch hochpreisige Speisen mit Trüffel und Kaviar – wir sind schliesslich in Gstaad.
Noch sind wir die einzigen Gäste im Restaurant. Die vielen internationalen Gäste des The Alpina Gstaad bevorzugen es offensichtlich später zu tafeln. Diese weit gereiste Klientel ist dann auch der Grund weshalb hier im Sommet nicht alle Servicemitarbeiter deutsch sprechen – englisch ist die Hotelsprache. Auch mit Sommelier Pierfranco Lavra aus Sardinien unterhalten wir uns auf Englisch. Er und Sommelier Luca Padovani empfehlen den Gästen in allen drei Restaurants die passenden Weine. Dabei können sie auf einen grossen und gut sortierten Weinkeller zurückgreifen. Die Weinkarte ist entsprechend umfangreich und beeindruckend. Wir entscheiden uns für die Weinbegleitung die man hier für 110 Franken (bei sieben Gläsern) anbietet.
Brot
Wir starten den Abend mit einer kleinen Brotselektion. Dazu serviert man uns eine luftige Tomatenbutter, etwas Ziegenkäse mit Peterli, eine herzhafte Zwiebelbutter sowie eine Bauernbutter mit Fleur de Sel. Die Quadrologie schmeckt sehr gut und wir müssen uns, angesichts des bevorstehenden Menüs, stark in Zurückhaltung üben.
Häppchen: Gekeimtes Quinoa / Ziegenfrischkäse / Quitte [5/10]
Eine ruhige und sehr schöne Kombination mit dezenten Aromen eröffnet das Menü. Das Quinoa auf dem Teller wurde zuvor gekeimt wodurch es über einen besonderen, erdigen Geschmack verfügt. Der aromatische Ziegenfrischkäse ist ein willkommener Gegenpart. Komplettiert wird das Gericht mit einem süss-säure-Spiel von der Quitte und dem Apfel.
Häppchen: Geräuchertes Wachteleigelb / Buttermilch / Buchweizen [6/10]
Sich nur auf die grosszügige Nocke Kaviar zu konzentrieren wäre ein veritabler Fehler und würde der Komplexität dieses Gerichts nicht gerecht. Die schwarzen Eier vom sibirischen Stör sind zwar von absoluter top Qualität, aber erst in Kombination mit dem rauchigen Wachtelei, der Buttermilch, den Buchweizen-Crumbles und dem intensiven Kürbiskernöl offenbart sich das ganze Geschmacksbild. Dieses ist facettenreich, setzt aber wiederum ein hohes Mass an Konzentration voraus, um all die Nuancen zu erfassen.
Häppchen: Karotte / Kaffee / Mandarine / Minze [8/10]
Das letzte Häppchen ist eine vegetarische Komposition, die uns durch und durch begeistert. Die seltenen Rüebli-Sorten wurden zuvor in Kaffee eingelegt, wodurch sie über ein prominentes, aber keinesfalls aufdringliches, Mokka-Aroma verfügen. Der Sud ist eine elegante Mischung aus Mandarinen- und Rüeblisaft und sorgt nicht nur für eine leichte Süsse, sondern bringt auch eine angenehme Säure mit sich. Die fein geschnittenen Minzblätter und das darüber geträufelte Minzöl bereichern das Gericht mit einer erfrischenden Note. Ausgezeichnet!
Amuse Bouche: Avocado / Königskrabbe / Lachskaviar mariniert [8/10]
Während Marcus G. Lindner in Zürich eine mediterrane Küche zelebrierte, spielen hier im Sommet die asiatischen Einflüsse eine wichtige Rolle. Der sympathische Spitzenkoch ist trotz seiner grossen Erfahrung noch immer sehr wissbegierig. Deshalb hat er bei den japanischen Köchen seines Restaurants MEGU ganz genau hingeschaut, gelernt und dann einzelne Elemente in sein Menü eingebaut. Dieses ausgezeichnete Amuse Bouche ist ein Ergebnis davon. Die saftige und geschmacksvolle Königskrabbe wurde in reife Avocadoscheiben eingerollt und mit etwas Koriander verfeinert. Am Gaumen entfalten sich fantastische asiatische Aromen. Das zweite Röllchen, mit dem Lachskaviar, übertrumpft die erste Variante sogar. Die Fischeier wurden zuvor einen Tag in Sojasauce und Sake eingelegt – entsprechend mannigfaltig schmeckt diese Petitesse.
Amuse Bouche: Auster mit Yuzu // Hühnerleber-Tramezzini [7/10]
Daumen hoch für die köstliche Auster-Komposition. Die delikate Muschel passt perfekt zur leichten Säure von der Yuzu, die als Eis und Gelée mit Sesam ihren Auftritt hat. Bei solchen Kombinationen passiert es leider oft, dass die Auster untergeht. Ganz anders hier. Die Yuzu ist präsent, lässt der Muschel aber genügend Platz, um ihr unverwechselbares Aroma zu entfalten.
Eine gänzlich neue Geschmackspalette eröffnet uns dann die Hühnerleber. Ein Gericht aus Vietnam, wie man uns beim Servieren erklärt. Die Leber liegt zwischen einem knusprig-buttrigen Gebäck. Dazu gibt es fermentierten Pak Choi, Ingwer und Koriander. Kaum im Mund, offenbart sich ein intensives Geschmacksfeuerwerk. Vor unserem geistigen Auge erscheint ein asiatischer Markt mit seinen intensiven Düften, so wie wir ihn vor ein paar Jahren in Bangkok erlebt haben. Das intensive Leberaroma ist vielleicht nicht jedermanns Sache, wir sind jedoch sehr angetan.
Hamachi / Limette / Erdnuss / Edamame [9/10]
Der erste Gang unseres Menüs ist gleich ein hervorragendes Gericht. Die Gelbschwanzmakrele ist eine Wucht. Kombiniert wird der leicht gegarte Fisch mit Erbsenpüree, gepickeltem Kürbis, einem Hauch von Erdnüssen sowie einem wuchtigen aber niemals aufdringlichen Sojapüree. Perfekt dosiert sind aber auch die angenehme Schärfe, und das erfrischende Limettenaroma. Wie man die Komponente auf dem Teller auch kombiniert, das Ergebnis begeistert durch und durch. Als wäre das Glück nicht gross genug, gibt es als Krönung warme Spargeln in einer Mais-Kruste, die nicht nur himmlisch duften, sondern auch unvergesslich gut schmecken.
Entenleber / Aal / Birne / Berberitze [6/10]
Die Entenleber ist zartschmelzend und in etwas Pumpernickelstaub eingehüllt. Die Berberitze steuert die Säure bei, während die Birne die konträre Frische bringt. Für den asiatischen Touch sorgt der marinierte Räucheraal. Uns gefällt das Gericht sehr gut, auch wenn sich hier die Begeisterung -was nach den vorherigen Highlights zugegebenermassen auch recht schwer ist – etwas im Zaum hält. Alles schmeckt sehr delikat, uns fehlt jedoch das aromatische Zusammenspiel, welches die vorherigen Kompositionen ausgezeichnet hat.
Lachsforelle / Calamaretti / Gurke / Wasabi [8/10]
Der emporsteigende Dampf verhüllt den Blick auf das Gericht. Doch in der Nase ist bereits ein erfrischender Duft von Dill, Gurken und Wasabi wahrnehmbar. Letzterer stammt von den Stickstoffperlen die beim Servieren auf dem Teller verteilt wurden und nun langsam zu schmelzen beginnen. Das Gericht bekommt dadurch eine kühle, angenehme Schärfte. Kaum hat sich der Nebel verzogen entdecken wir auch den Fisch, welcher wiederum von auffallend hoher Qualität ist. Auch der Tintenfisch begeistert mit seinem schmackhaften Aroma nach den Weiten des Meeres. Ein ausgezeichnetes Gericht mit richtig viel Power.
Spanferkel / Barbecue / Salatherz / Brokkoli [9/10]
Der Sommelier kredenzt uns nun keinen Wein, sondern ein kühles Bier. Natürlich nicht irgendein Bier, sondern ein besonderes aus Italien. Eines mit einem markant rauchigen Aroma. Passend dazu schickt uns die Küchenbrigade eine herzhafte Variation vom ormalinger Schwein. Uns begeistert schon allein die atemberaubende Barbecue-Sauce in Verbindung mit dem safigen Kotelett. Stark ist auch die gezupfte Schweineschulter in Kombination mit den knusprigen Schweinescharten-Chips. Beim animalischen Schweinebauch im steamed bun, greifen wir beherzt mit den Händen zu. Aber nicht nur das Fleisch ist toll, sondern auch das Gemüse. Noch nie haben wir solch aromatischen Broccoli serviert bekommen. Es war eine super Idee, das Grün auf dem Holzkohlegrill zuzubereiten – dieser unvergessliche Geschmack ist genial. Ein unvergessliches Gericht welches es – auch dank der Kombination mit dem tollen Bier – schafft, eine wundervolle Stimmung zu erzeugen, als sässe man an einem lauen Sommerabend an einer Feuerstelle.
Muschel / Mais / Escabeche / Ur-Karotte [9/10]
Der Höhenflug geht weiter. Wir erfreuen uns ob der hochkarätigen Jakobsmuschel in Kombination mit dem traumhaften Mais. Die Muschel harmoniert mit der Süsse überraschend gut und gipfelt im absoluten Hochgenuss. Der Geflügelsud ist ganz leicht und trotzdem charaktervoll. Unorthodox und herzhaft ist dann die Stabmuschel mit Milken (!), welche für den aromatischen Kick mit Knochenmark überbacken wurden – ganz grosses Kino!
Unvergesslich bleibt auch die Hühnerhaut am Fleischspiess. Diese wurde mit Soja, Sesam, Ingwer und Zitronengras mariniert und schmeckt absolut fantastischt!
Tomate / Tofu / Reiscracker [5/10]
Als kleiner Zwischengang serviert man uns drei sonnengereifte Cherrytomaten, die einen Tick zu wenig süss sind, um mit dem Essig-Soja in Einklang zu kommen. Dafür gefallen uns der selbstgemachte Tofu und die Reiscracker aus Sushi-Reis sehr gut.
2 x Wagyu / Pilz / Nektarine / Zwiebel [6/10]
Im Hauptgang gibt es edles Wagy-Beef aus Japan. Das Entrecôte ist scharf angebraten und nur mit ein paar Flocken Fleur de Sel gewürzt. Der nussige Eigengeschmack sorgt für den Rest. Eine wahre Geschmacksbombe ist das unscheinbare Bällchen mit etwas Ingwer – Umami-Power pur. Das passt auch sehr gut zum schönen Jus und den aromatischen Zwiebelringen. Kontrastiert wird das Ganze von kurz angebratenen Pfirsich-Schnitzen. Für unseren Geschmack übernimmt diese süsse Komponente etwas zu stark die Oberhand. Trotzdem ein delikater Hauptgang in einer perfekt portionierten Grösse.
Weisse Schokolade / Matcha / Yuzu / Schwarztee [9/10]
Mit dem asiatisch anmutenden pré Dessert gelingt der Pâtisserie ein Geniestreich. Eindrücklich wie sich die Aromen gegenseitig befruchten. Traumhaft der Geschmack von der weissen Schokolade, wie sie vom Matcha-Glace und dem Schwarztee-Schaum flankiert wird. Dazu noch etwas Säure von der Yuzu und ein fruchtiges Aprikosenkompott. Eine hervorragende und sehr erfrischende Süssspeise.
Himbeer / Rucola / Karamell / Schokolade [7/10]
Ein Rucola-Glace ist bestimmt nicht alltäglich, aber schmecken tut es super. Da der Rucola vor der Bearbeitung frittiert wurde, verfügt es nun über einen leicht nussigen Goût. Fruchtig dann die Himbeeren, welche es als Gelées und Marshmallows auf den Teller schaffen. Schön auch der feine Caramel. Witzig das im Mund knisternde Pulver.
Friandises [6/10]
Eine umfangreiche Auswahl an Friandises schliesst das Menü ab. Selbstverständlich, dass auch diese einen asiatischen Touch haben.
Fazit: Die Küchenbrigade servierte uns ein hervorragendes Menü mit einem eindrücklichen Spannungsbogen. Es begann ruhig und wurde konstant intensiver. Dabei ist alles perfekt portioniert so, dass man am Ende auch bei den Friandises gerne zugreift. Begeistert hat uns auch die die Integration der asiatischen Küche – das ist einzigartig in der Schweiz! Marcus G. Lindner ist ein Spitzenkoch mit grossem Wissen und Erfahrung. Seine Gerichte sind durchdacht und aufwendig. Dabei schmeckt alles sehr intensiv, spannend und auffallend anders. Die Qualität der servierten Produkte ist auf Top-Niveau. Vor allem die Tiere aus dem Meer bekommt man nur selten in dieser Spitzenqualität.
Das Sommet ist auch optisch ein bezauberndes Restaurant. Es bietet die perfekte Kulisse für einen grossartigen Abend. Der Service ist gut, kann aber mit der Küchenqualität nicht ganz mithalten. Alle sind zwar sehr freundlich, aber es fehlt etwas an Passion. Grossartig ist dafür die Leistung des Sommeliers. Die Getränkebegleitung war perfekt. Sie hat die Speisen klar unterstrichen und einzelne Nuancen hervorgehoben. Wir finden es toll, dass man dabei nicht nur auf schöne Weine setzt, sondern auch Sake und Bier in die Begleitung einbaut. Man darf sich hier also uneingeschränkt den Herren mit dem goldenen Weintrauben-Pinn anvertrauen.
Marcus G. Lindner und sein Team haben uns im eleganten Sommet ein völliges unkonventionelles Menü serviert. Wir entdeckten nicht nur neue Geschmäcker sondern sogar neue Zutaten. Im Zentrum standen hochwertige Produkte die mit viel Können, und mit Fokus auf den Wohlgeschmack, zubereitet wurden. Das Team hat den 2. Michelin Stern klar verdient.
Menü: Das Menü kann man zwischen 7 Gängen (200 Franken) und 4 Gängen (140 Franken) ordern. Dazu gibt es noch einige Einstimmungen, ein pré Dessert und Friandises. Alternativ gibt es eine Gerichte à la carte und eine Auswahl von einfachen Speisen vom Grill.
Zeit: Das grosse Menü wurde uns in 3.5 Stunden serviert
Die Küchenbrigade: Remy Müller (Saucier), Sonja Gübeli (Gardemanger), Bernd Wettengel (Sous Chef), Wolfgang Schmidt (Entremetier), Marcus G. Lindner (Executive Chef), Daniel Plank (Pâtissier) und Felix Gabel (Junior Sous Chef). (v.l.n.r.)
Wein: Die Weinkarte ist nicht nur vorbildlich aufgebaut, sondern auch sehr umfangreich. Für die Beratung stehen gleich zwei Sommeliers zur Verfügung. Sie stellen auch die Getränkebegleitung zusammen und die hat es in sich. Stark ist bereits die Kombination aus Wein, Sake und Bier. Jedes Getränk hat perfekt gepasst und die Gerichte um Nuancen verfeinert.
Hier unsere Weinbegleitung die zum Fixpreis von 110 Frankren verrechnet wurde.
Sake Shirakabe, Gura Daiginjo – Japan
Muskattel 2012, erich and walter polz – Österreich
Sancerre 2013, joshep mellot – Frankreich
Dark Beer, Burton beer – Italien
Pinot Grigio 2012, Adank – Schweiz
Chateau Poujeaux 2004 – Frankreich
Amberwine 2012, Clarendelle Wines – Frankreich
Die beiden Sommeliers Pierfranco Lavra und Luca Padovani
Online: Die Informationen über das Sommet sind in die Hotelwebsite integriert. Wir finden dort einige Informationen, das aktuelle Menü und Bilder von den Speisen.
Bewertung: Gourmör / Michelin
/ Gault-Millau
(Besucht im März 2015)