Acht Wochen ist es her, seit uns die Hiobsbotschaft aus Luzern erreicht hat (zur Meldung auf Facebook). Darin erfuhren wir, dass im einzigen Sterne-Restaurant der Leuchtenstadt überraschend das Konzept geändert wurde. Im betroffenen Restaurant ‚Jasper‚, sind die Zeiten von Foie Gras Variationen und aufwendigen Gourmet Menüs seit dem vorbei. Markus Iseli, der Direktor des 5 Sterne Hotel „Palace Luzern„, zu dem das betroffene Restaurant gehört, verkündete, dass man einen „Schritt in die Gegenwart“ gemacht hätte und das Gästebedürfnis nach „entspanntem kulinarischem Vergnügen“ anstelle von „edelsten Zutaten auf höchstem Preisniveau“ angepasst habe. Spitzenköchin Kerstin Rischmeyer, vom Entscheid ebenfalls überrascht, musste ihren Arbeitsplatz räumen. An ihre Stelle trat Markus Weiss, welcher sich bis dahin für die Hotelküche verantwortlich zeigte. Unter gleichem Namen und mit dem neuen Konzept „Modern Dining“, serviert man nun am Vierwaldstättersee Rinds-Tatar, Salate und Pasta. Weshalb die teuersten Hauptgänge nach wie vor über 50 Franken kosten und man so für ein 4 Gang Menü fast gleich viel berappen muss wie bei der vorherigen Küche, bleibt wohl das Geheimnis von Herrn Iseli.
Wir „altmodischen“ Gourmets lassen uns den Appetit dadurch nicht verderben und gehen stattdessen auf Entdeckungsreise nach neuen Gourmetrestaurants am schönen Vierwaldstättersee. Mit dem im letzten Jahr frisch restaurierten Dampfschiff „Unterwalden“, haben wir uns auch gleich ein passendes Fortbewegungsmittel für diesen Ausflug ausgesucht. An einem stark bewölkten Tag stechen wir von Stansstaad aus in See. Den ersten Halt machen wir in Hergiswil im Seerestaurant ‚Belvédère‚.
Hier kocht der talentierte Fabian Inderbitzin. Vor fünf Jahren arbeitete der gebürtige Schwyzer auf der anderen Seite des Seeufers in Kastanienbaum, bevor er von Gault-Millau zur „Entdeckung des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Danach wurde er von den Verantwortlichen des Château Gütsch abgeworben und wirkte fortan als Küchenchef des wunderschönen Schlosses, hoch über Luzern. Dort besuchten wir Inderbitzin vor drei Jahren und genossen ein Menü, welches der tollen Aussicht auf Luzern in nichts nach stand. Damals sagten wir dem Koch innerhalb von wenigen Jahren einen Michelin Stern voraus. Das befristete Château Gütsch Abenteuer endete aber schon früh und nach einem Charity Projekt und der Eröffnung eines Slow-Food Standes in Luzern, stand die Verpflichtung in einem neuen Restaurant in Hergiswil an.
Seit zwei Jahren steht er nun in der Küche des ‚Belvédère‚ und begeistert seine Gäste mit seiner zeitgemäss interpretierten, französischen Küche. Die Kritiker von Michelin sind ebenfalls beeindruckt und führen Inderbitzin seit der aktuellen Ausgabe als „Hoffnungsträger“ für einen der begehrten Sterne. Für uns bleibt heute nur Zeit für einen Espresso auf der schönen Terrasse. Doch bevor das nächste Schiff ablegt, reservieren wir noch schnell einen Tisch. Denn hierhin wollen wir unbedingt bald zurück kehren und neben der Aussicht, auch die Gerichte aus Fabian Inderbitzins Küche geniessen.
Zurück auf dem Schiff nehmen wir Kurs auf Luzern. Bei der Anfahrt fällt unser Blick wehmütig auf das „Palace„. Von hier aus sieht man auch das ‚Jasper‘. Heute müssen wir hier definitiv nicht von Bord. Es gibt in der 65’000 Seelenstadt zwar immer noch kulinarische Perlen (z.B. unsere Lieblingsbrasserie, das Bodu), doch beim aktuellen Abenteuer halten wir Ausschau nach Restaurants, welche in Zukunft die ganz besonderen kulinarischen Bedürfnisse befriedigen können.
Vierzig Minuten später sind wir an einem solchen Ort angekommen, in Weggis. Wir laufen vom Bootssteg 900 Meter dem Seeufer entlang. Dort steht eines der schönsten Hotels der Region – das 5 Sterne Haus „Park Weggis“ (bis vor kurzem firmierte es noch unter dem Namen „Park Hotel Weggis“). Das Hotel ist eine Wohlfühl-Oase mit sehr freundlichen Mitarbeitenden und gepflegter Infrastruktur. Hier fühlt man sich wohl und geborgen, ob zum Essen in einem der drei Restaurants, für eine Zigarre in der edlen Bar oder einfach bei einem starken Espresso, so wie wir heute.
In unseren Augen ist das Herzstück des „Park Weggis“ das Gourmet-Restaurant ‚Annex‚ mit wunderschönem Blick auf den See. Hier kocht Renee Rischmeyer und hält nun den einzigen Michelin Stern am Zentralschweizer See (den Stern für das ‚Jasper‘ haben wir geistig bereits gestrichen). Das ‚Annex‘ ist stilvoll eingerichtet und bereits beim Lesen der spannenden Speisekarte kriegen wir Hunger. Da in wenigen Minuten unser Dampfer ablegt und wir noch fast einen Kilometer zurück laufen müssen, bleibt uns hier ebenfalls nur eine Tischreservation. Im Juni werden wir aber nach Weggis zurückkehren und uns von der ‚Annex‘ Crew kulinarisch verwöhnen lassen. Auch darüber werden wir hier natürlich berichten.
Die nächste Station ist gleichzeitig auch unsere Letzte: Vitznau, ein wunderschöner Ort mit vielen Villen. Hier sorgte im letzten Jahr das Restaurant ‚Sens‚ für Schlagzeilen. Das noch junge Gourmet-Restaurant im „Vitznauer Hof“ hatte sich mit ihrem damaligen Koch Pascal Schmutz, ebenfalls eine junge „Gault-Millau Entdeckung“, eine kleine Medienfehde geliefert. Schmutz kocht nun im ‚Bam Bou‚ in Luzern und das ‚Sens‘ startete mit Fabrizio Piantanidas italienischen Küche in den zweiten Frühling.
Unser heutiges Ziel ist jedoch ein paar hundert Meter vom ‚Sens‘ entfernt und im Moment noch recht staubig. Hier auf dieser grossen Baustelle bekommt das Luxushotel „Park Hotel Vitznau„, dank grossem finanziellen Engagement, ein neues Kleid. Seit drei Jahren wird hier nach MINERGIE-Standard gebaut. Im Herbst 2012 soll das ehrwürdige 5 Sterne Haus wieder eröffnet werden. An uns Feinschmecker wurde auch gedacht, denn der Inhaber Peter Pühringer setzt klar auf die Karte Gourmet. Dafür hat er einen weiteren Shooting-Star, Nenad Mlinarevic, verpflichtet. Der 29-Jährige sorgte vor drei Jahren das erste mal für Furore, als er in Lömmenschwil in der ‚Neuen Blumenau‚ anheuerte und sich dort rasch in die Herzen der Gäste und Foodjournalisten kochte. Schon nach wenigen Monaten gab es den Michelin Stern und ebenfalls die Auszeichnung zur „Neuentdeckung des Jahres“ durch Gault-Millau.
Mlinarevics Erfolg kommt nicht von ungefähr; seine Ausbildung absolvierte er im Waldhaus Dolder, danach kochte er bei Hans-Peter Hussong im ‚Wiesengrund‘, im ‚Talvo‘ (damals noch unter Roland Jöhri) und später bei Andreas Caminada im ‚Schloss Schauenstein‚. Seine Ferien verbrachte er nicht am Strand, sondern absolvierte Praktika bei René Redzepi im ‚Noma‘ in Kopenhagen oder jüngst bei Joachim Wissler im ‚Vendôme‚. Nun hat er in Vitznau eine neue, sehr grosse Herausforderung angetreten. Es gilt das Gourmet Restaurant des „Park Hotels“ zum Erfolg zu führen. Für den jungen Koch geht damit ein Traum in Erfüllung. So ist es nur ganz wenigen vorbehalten, ein Restaurant in einem 5 Sterne Haus von Grund auf mit zu gestalten.
Da es in Vitznau im Moment zu laut und schmutzig ist, sitzt der junge Koch im Partnerhotel in Wien. Im „Palais Couborg„, ebenfalls im Besitz der Pühringer Gruppe, konnte man jüngst den Erhalt von zwei Michelin Sternen feiern. Nenad Mlinarevic freut sich für das Team vor Ort. Er selber ist aber fast den ganzen Tag im Büro und plant das neue Restaurant in Vitznau. Er und sein Team in der Schweiz, erarbeiten nicht nur das Konzept sondern entscheiden zusammen über Details wie Geschirr, Besteck, sowie die Namensfindung. Uns hat man den Namen bereits verraten; ‚Focus‘ wird das Gourmetrestaurant im „Park Hotel Vitznau“ heissen. Der Name ist Programm, Mlinarevics Küche ist nicht experimentell sonder fokussiert sich auf Kombinationen die man kennt und mag. Beim Restaurantdesign wird die Natur im Vordergrund stehen und Weinfreunde dürfen sich auf eine imposante Karte freuen.
Wie Mlinarevic uns im Interview weiter verriet, geniesst er im Moment als Bürolist die attraktiven Arbeitszeiten und die freien Wochenenden. Er sei aber kein Büromensch und freue sich deshalb riesig auf den Start im Herbst; mit ihm auch sein Team. Fünf Kollegen werden ihn am Herd unterstützen – doppelt so viele wie bei seiner letzten Arbeitsstelle in der Ostschweiz. Dies ermögliche ihm, nun auch vermehrt nach neuen Kreationen zu forschen und eine noch höhere Qualität zu gewährleisten. Da hilft ihm sicher auch, dass das Restaurant nur an fünf Abenden pro Woche geöffnet sein wird und nur für maximal 40 Gäste Platz bietet.
Der junge Koch fliegt nächste Woche zurück in die Schweiz. Nach ein paar geschäftlichen Terminen geht es dann weiter in die USA. Dort besucht er drei der besten Restaurants in Nordamerika – wohl auch zur Weiterbildung. Ab August gilt es dann ernst. Denn ab diesem Zeitpunkt entstehen die ersten Gerichte und das Konzept wird finalisiert.
Wir wünschen dem jungen Koch und seiner Brigade viel Erfolg und werden, sobald die erste Telefonleitung in Betrieb ist, hier ebenfalls einen Tisch reservieren und Euch über das neue Hotel und das ‚Focus‘ berichten.
Übrigens: Auch auf die Hotelküche dürfen wir uns freuen. Denn für diese hat man einen weiteren Sternekoch verpflichtet. Der junge Christian Nickel wechselt im Sommer vom Restaurant ‚Rigiblick‚ in Zürich nach Vitznau.
Zurück auf dem Schiff gönnen wir uns ein Glas Chardonnay und schauen über den glitzernden See. Die heutige Reise hat uns für die kulinarische Zukunft sehr zuversichtlich gestimmt. Wir wissen nun, dass wir am Vierwaldstättersee auch weiterhin kulinarische Höhenflüge erleben dürfen und uns nicht mit „modernem Food“ à la Ceasar Salad begnügen müssen.