Talvo by Dalsass in Champfèr

Champfèr, der kleine Ort zwischen St. Moritz und Silvaplana zählt nur wenige Einwohner, beherbergt aber gleich zwei Sterne-Restaurants. Mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist Rolf Fliegaufs Winterdomizil im Giardino Mountain. Einen erneuten Besuch beim talentierten Koch ist zwar längst überfällig, doch für heute Abend haben wir einen Steinwurf entfernt, im Talvo by Dalsass, einen Tisch reserviert. Das 1-Sterne-Restaurant ist in einem der ältesten Bauernhäuser im Dorf untergebracht. Die Umnutzung vom Bauernhaus zum Restaurant erfolgte vor 65 Jahren. Seit den 90er Jahren gehört das Talvo zu den besten Adressen der Schweiz. Seine Blütenzeit hatte das Lokal unter Roland Jöhri. Es war eine Zeit in der der Champagner in Strömen floss, der Trüffel aus Alba grosszügig gehobelt wurde und die Gäste den Kaviar dosenweise löffelten. Damals leuchteten 2 Sterne über dem Lokal. Vor vier Jahren, nach 20 Jahren im Talvo, trat das Paar in die wohlverdiente Pension. Seit vier Jahren ist es nun das Reich von Martin Dalsass. Der gebürtige Südtiroler war bei den Feinschmeckern schon vor dem Umzug ins Engadin bestens bekannt. Denn seine italienische Küche wird immer wieder lobend erwähnt und sein ehemaliges Restaurant Santabbondio im Tessin war ebenfalls mit 18 Punkten und einem Michelin Stern dekoriert.

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Wir betreten das schöne Talvo kurz vor halb acht Uhr und erliegen augenblicklich seinem Charme. Das Lokal ist auf zwei Etagen aufgeteilt. Oben befinden sich ein paar Tische auf einer Empore. Dort findet man sogar einen kleinen Balkon mit einem exklusiven Séparée. Im oberen Stock werden die Gäste aber nur platziert, wenn die Tische im unteren Bereich nicht ausreichen. Das ist an diesem Sonntagabend in der Zwischensaison nicht der Fall. Denn es regnet (es ist Februar!) in Strömen, wodurch wohl niemand spontan die Lust verspürt sein Hotel oder die Ferienwohnung zu verlassen. Immerhin sind die Plätze unten alle besetzt. Wir erhalten den einzigen Tisch in einer gemütlichen Nische. In der Tischmitte steht eine bunte Kuh. Daneben liegt ein Flyer. Darin befindet sich nicht etwa die Speisekarte, sondern eine Preisliste für verschiedene Produkte die man hier erwerben kann. Zum Beispiel ein Olivenöl, eine hausgemachte Salami oder die Kuh die uns gerade Stumm zublinzelt. Wir finden es eine gute Idee, dass man ein bisschen Dalsass mit nach Hause nehmen kann, doch es wäre in unseren Augen passender, wenn man diese Werbeunterbrechung erst mit der Rechnung dem Gast überreichen würde.

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Mit dem bestellten Glas Champagner kommen ein paar Knabbereien auf den Tisch. Leider hat man dazu keine Worte verloren, weshalb wir auch den Grund nicht kennen, weshalb man uns im tiefen Winter unreife Tomaten serviert. Dafür vertrösten uns die wundervollen ‚Nocellara del Belice‘-Oliven die nach einem geheimen Hausrezept mariniert wurden. Für die Grissini und das später folgende Gebäck, finden wir im Gefäss das Intenso-Olivenöl des italienischen Produzenten Bertarello aus Viterbo.

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Das junge Serviceteam hat es mit der zum Teil speziellen Gästeklientel aus St. Moritz nicht gerade leicht. Wir werden selber Zeuge wie zwei russisch sprechende Damen hereinspazieren und darum bitten aus dem reservierten Zweiertisch einen Vierer zu machen. Danach streckt man der Dame im Service wortlos das Smartphone hin und lässt sich das WLAN-Passwort eintippen. Danach bestellen die Beiden einen Hauptgang und ein Glas Champagner welche sie Smartphone-tippend „geniessen“. Da die Begleitungen auch nach 90 Minuten nicht auftauchen, ziehen sie nach dem Bezahlen der Rechnung wieder von dannen. Das Serviceteam lässt sich von solchen Situation nicht beirren. Auch sonst machen die gut gelaunten Damen und Herren einen guten Job und sind dabei erfrischend unkompliziert. Optimieren könnte man aber die Produktkenntnisse über die servierten Speisen. Bei Fragen zu den einzelnen Gerichten muss immer der Chef de Service, Andrea Dalsass gerufen werden. Andrea – Sohn von Martin Dalsass – ist selber gelernter Koch und weiss entsprechend detailliert über die einzelnen Gerichte Bescheid.

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Nun wird uns die grossformatige Speisekarte überreicht. Auf der ersten Seite finden wir das Menü. Auf den beiden anderen die Geriche die à la carte angeboten werden. Anders als 85 % der Talvo Gäste, halten wir uns ans Menü. Da wir aber unbedingt noch eines der berühmten Pasta-Gerichte von Dalsass probieren möchten, bauen wir einen zusätzlichen Gnocchi-Gang ein.

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Amuse Bouche [5/10]

Das Amuse Bouche wird auf einem quadratischen Glasteller serviert. Darauf finden wir zum einen ein sehr feines Maissüppchen mit einer angenehmen Süsse. Im zweiten Schälchen treffen wir auf zwei geschmacksintensive, etwas gar ölige, Sardellen-Röllchen auf einem gut abgeschmeckten Pastinakenpüree. Zwischen dem Fisch und dem Wurzelgemüse will zwar keine Symbiose entstehen, aber beides für sich überzeugt.

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Brot

Das Gebäck ist hausgemacht und sehr abwechslungsreich. Toll ist zum Beispiel das knusprige Focaccio mit Kümmel oder das süss-buttrige Gnoccho fritto in Kissenform (die italienische Variante des Fasnachtsküchleins). Damit das Gebäck warm bleibt, wird es auf einer Rechaud-Kerze serviert.

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Fassone-Rindstatar, Entenleber, Burrata, Périgord Trüffel [5/10]

Das Fleisch für das Tatar stammt von den Fassone Rinder aus dem Piemont. Dalsass mag es puristisch, so kommt an sein Tartar auch keine ganze Gewürzmischung, sondern lediglich das hochwertiges Thymian-Olivenöl aus Lago di Trasimeno. Kontrastiert wird das rohe Fleisch von ein paar Scheiben von Périgord-Trüffel. Zudem findet man in der Tellermitte noch ein wundervoll crèmiger Burrata sowie knackige Salatblätter welche dem Gericht eine frische Note geben. Viel Power hat die delikate Entenleber. Sie ist scharf angebraten und lediglich mit einer Prise Fleur de Sel abgeschmeckt.

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Oliven-Gnocchi, Gambas, Datteltomaten [8/10]

Nun folgt das eingeschobene Pasta-Gericht. Zuerst steigt uns der Duft der fantastischen Gamba in die Nase. Wir wussten gar nicht, wie stark wir das Meer und seine Köstlichkeiten vermisst haben! Die himmlischen Gnocchi werden den vielen Vorschusslorbeeren gerecht. Dalsass weiss wie man die exquisiten Perlen zubereitet. Sie haben die perfekte Konsistenz und sind überraschend leicht. Auch die Tomaten überzeugen und bringen regelrecht die Sonne in diesen Winterabend. Dies ist ein ausgezeichneter Pasta-Teller wie man ihn leider viel zu selten serviert bekommt.

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Wildconsommé, Raviolini [6/10]

Darauf folgt eine warme Consommé vom Wild. Uns gefällt nicht nur die klare Suppe, sondern auch die geschmacksvollen Brunoise vom Stangensellerie und den Rüebli. Die winzigen Raviolini sind mit geschmortem Reh und Hirsch gefüllt – wundervoll! Das Wild dazu wurde aber nicht einfach nur eingekauft, sondern vom passionierten Jäger Andrea Dalsass persönlich geschossen.

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Winterkabeljau “Skrei“, Sauerkraut, Mangoldsprossen [7/10]

Darauf folgt der Skrei – ein Kabeljau aus Norwegen der nur von Januar bis April geangelt wird und deshalb auch den Übernamen Winterkabeljau trägt. Der Fisch wurde 24 Stunden in Miso eingelegt und danach kurz angebraten, bevor er bei kleiner Hitze fertig gegart wurde. Der Skrei ist zwar einen Tick zu durch, aber in Kombination mit der Miso absolut toll. Applaus gibt es auch für das prächtige Sauerkraut – ein Gemüse, dass in der Spitzengastronomie leider viel zu selten serviert wird. Abgesehen vom saftigen Sauerkraut erinnert uns das Gericht stark an den „Black Cod“ von Nobu Matsuhisa. In der Tat, Martin Dalsass hat sich in der Buddha-Bar in St. Petersburg inspirieren lassen und deren Küchenchef wiederum von Nobu. Ein wahrlich wundervolles Gericht, auch wenn es geschmacklich nicht an sein Original herankommt.

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Challans – Entenbrust mit Zitrushonig &  schwarzem Szechuan Pfeffer lackiert [6/10]

Im Hauptgang serviert man uns eine wundervolle Ente aus Challans auf Wok-Gemüse. Das rote Fleisch ist perfekt im Biss und wunderbar im Geschmack. Mariniert ist es mit Zitrushonig und Szechuan Pfeffer – eine schöne Kombination, welche dem Vogel einen spannenden Kontrast mit einer angenehmen Süsse und einer harmonischen Schärfe verleiht. Natürlich darf auch das leicht Zungen-lähmende Gefühl vom Szechuan-Pfeffer nicht fehlen. À part reicht man uns einen ausgezeichneten Kartoffelstock, den man auf die Frage, ob man Lust auf etwas Trüffel hat, da dieser zu diesem Gericht sehr gut passe, grosszügig mit dem wohlduftenden Trüffel aus Périgrod bedeckt. Später steht dieses Supplement mit 42 Franken auf der Rechnung. Ein kleiner Hinweis zu den Zusatzkosten wäre nett gewesen.

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Als man die leeren Teller wegräumt zeigt die Uhr genau 21 Uhr. Seit wir am Tisch Platz genommen haben sind erst 90 Minuten vergangen. Zwischen den Gängen gab es dann auch nur jeweils knappe zehn Minuten Pause. Ein solches Tempo ist ungewöhnlich in der Schweiz. Hier in der Nähe zu St. Moritz wird es aber offensichtlich so gewünscht. Denn um uns herum sind die meisten Tische schon wieder leer. Trotzdem wäre es schön, wenn man die Gäste fragen würde wie viel Zeit sie mitbringen. Wir haben jedenfalls für nach dem Essen keine weiteren Pläne, weshalb wir vor dem süssen Teil um eine kleine Pause bitten. Diesem Wunsch entspricht man sehr gerne. So haben wir auch die Möglichkeit die wunderschöne Smokers-Lounge zu bestaunen. Heute ist hier noch eine kleine Gruppe am dinieren.

Später geht es mit einem kleinen Pré-Dessert in Form eines intensiv fruchtigen Erdbeer-Sorbet weiter.

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Glühweinapfel, Sauerrahmeis, Zimtkeks [6/10]

Als Dessert gibt es einen geschälten Apfel. Die rote Farbe hat er vom Glüchwein. Wir sind keine Fans von diesem winterlichen Wein den wir bisher lediglich von Weihnachtsmärkten kennen. Dies ist offensichtlich ein Fehler, denn dieser Glühwein hier schmeckt absolut wundervoll. Die mannigfaltigen Aromen sind elegant im Vordergrund ohne die erdrückende Art, welche wir sonst vom Glühwein kennen. Ein Kompliment verdient die Pâtisserie auch für die traumhafte Sauerrahmglace.

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Schokolade, Kuchen [7/10]

Gemäss Menüablauf sollten jetzt noch Schokolade und Kuchen folgen. Es bleibt aber bei Ersterem. Der Kuchen wurde leider nur am Nachbartisch angeboten. Die Schokolade tröstet uns aber darüber hinweg. Diese ist nämlich ausgezeichnet. Sowohl die Milchschokolade mit Piemonteser-Haselnüssen, die Dunkle mit Ingwer, die Weisse mit Goji-Beeren oder die unkonventionelle Lemongrass-Praliné.

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Fazit: In Zeiten in denen man in der Spitzengastronomie immer öfters auf aufwändige Teller mit vielen Elementen und Zutaten trifft, geht Dalsass den umgekehrten Weg und serviert erfrischend einfache Gerichte mit klarem Fokus auf die Produkte. Dabei setzt er manchmal lediglich auf hochwertiges Oliven-Öl um seine Speisen zu verfeinern. Obwohl wir beim einen oder anderen Teller noch das gewisse Etwas vermisst haben, hat es uns in der Summe sehr gefallen. Vor allem die ausgezeichneten Gnocchi bleiben unvergessen! Dalsass ist aber nicht nur ein guter Koch, sondern auch ein sympathischer Gastgeber. Seine freundliche Art färbt sich auch aufs Serviceteam ab. Dieses ist jung, freundlich und für St. Moritz überraschend unkompliziert.

talvo_by_martin_dalsass_st_moritz_champfer_22Pietro Leanza, Giada Monaco, Andrea Bernasconi, Martin Dalsass, Michael Innerhofer, Kevin Fernandez (Sous Chef), Max Schmidt und Nicola Leanza (von links nach rechts)

 

Menü: À la carte gibt es eine grosse und spannende Auswahl. Die Vorspeisen kosten circa 50 Franken, Hauptspeisen im Schnitt 70 Franken. Viele Gerichte kann man gegen einen Aufpreis mit Kaviar oder Trüffel veredeln. Das Menü beinhaltet einige Gerichte die man auch à la carte bestellen kann, aber auch Gerichte die man darauf nicht findet. Das Menü in 5 Gängen kostet 198 Franken. In vier Gängen 162 Franken. Für einen Aufpreis von 20 Franken wird das Menü noch um einen Käseteller erweitert – die Käse dazu kann man sich vom Käsewagen zusammenstellen.

Zeit: Zwischen den Gängen gab es nur sehr kurze Pausen von knapp zehn Minuten. Deshalb sassen wir bereits nach 90 Minuten vor dem Hauptgang. Hätten wir nicht um eine Pause geben, hätte das Dinner nur zwei Stunden gedauert.

talvo_by_martin_dalsass_st_moritz_champfer_21Naika Deon, Thomas Retzlik, Andrea Dalsass (Chef de Service), Sara Pirog (vorne), Louis Leitgeb (Sommelier), Lisa Carlevero, Hannes Pescoll und Angelika Amhof (von links nach rechts)

Wein: Die Weinkarte ist riesig. Auch viele Trouvaillen sind darauf zu finden. Eine Weinbegleitung wird grundsätzlich nicht angeboten, auf Wunsch stellt man den Gästen aber gerne etwas zusammen. Sommelier Louis Leitgeb hat einen guten Job gemacht und uns folgende Weine kredenzt welche mit 100 Franken auf der Rechnung standen:

Grüner Veltliner Gigant 2013
Toni Zöhrer, Kremstal in Österreich

Bovel Chardonnay 2014
Marugg, Graubünden

Derthona Timorasso 2012
Vigneti Massa, Piemont

Seleccion Especial Abadia Retuerta 2011
Castillay Leòn, Sardon de Duero in Spanien

Torcolato 2011
Maculan, Veneto in Italien

Online: www.talvo.ch

Wertung: Gourmör O6 / Michelin M1 / Gault-Millau GM18

Sonderauszeichnung: Schöne Zigarren-Lounge vorhanden

(Besucht im Februar 2016)

Tentazioni in Cavigliano

Obwohl das Maggiatal und seine Seitentäler nicht die einfachsten Orte sind um erfolgreich ein Restaurant zu betreiben, gibt es in der Region auffallend viele gute Lokale. Seit dem letzten Herbst hat die Region mit seiner geballten Naturpracht gar sein erstes Restaurant mit Michelin Stern. Das besternte Tentazioni, zu Deutsch „Versuchung“, steht am Dorfeingang von Cavigliano, welches zwischen Ponte Brolla und Centovalli liegt. Dario Pancaldi und Andreas Schwab haben den kleinen Betrieb vor drei Jahren übernommen. Im Obergeschoss befinden sich fünf einfache aber chic eingerichtete Zimmer. Im Untergeschoss eine kleine Bar und das Restaurant mit den knapp 35 Plätzen.

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Es ist Mitte April und der heutige Tag bringt den ersten Regen seit 70 Tagen in den südlichsten Schweizer Kanton. Wir freuen uns für die Tessiner auch wenn das Dinner auf der Terrasse dadurch sprichwörtlich ins Wasser fällt. Wir betreten das Haus mit seiner violetten Fassade und nehmen die rote Gault-Millau Tafel mit den 13 Punkten stirnrunzelnd zur Kenntnis. Diese Differenz – 1 Stern und 13 Punkte – ist in der Schweiz einmalig. Schon jetzt ist klar, dass einer der beiden Guides eine veritable Fehleinschätzung gemacht hat. Wir hoffen natürlich, mit Blick auf unser bevorstehendes Abendessen, dass die Tester des Gault-Millau nachbessern müssen.

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Gastgeber Dario Pancaldi stellt sich gleich mit einem festen Händedruck und seinem Vornamen vor. Er ist ein lässiger, unkomplizierter und gut organisierter Gastgeber. Man fühlt sich hier vom ersten Moment an herzlich willkommen. Den Apéro dürfen wir wahlweise an der Bar oder im Restaurant geniessen. Wir bevorzugen den Tisch und betreten den überschaubaren Speiseraum der bis auf den letzten Platz besetzt ist.

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Zum bestellten Glas Proseco reicht man uns eine kleine Holzkiste mit einem Schieferplattendeckel. Darauf wird das Überraschungsmenü angepriesen. Auf Wunsch würde auch die Karte gereicht, falls ein Gast lieber à la carte bestellen möchte. Wir ordern das grosse Menü mit den korrespondierenden Weinen. Darios Begeisterung für das önologische Thema war von Beginn weg spürbar, weshalb wir ihm hier blind vertrauen.

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Man nimmt die Bestellung dankend entgegen und hebt den Deckel von der Holzkiste. Darunter kommen die ersten Häppchen zum Vorschein. Die feinen Randenchips mit Sauerrahm und der rassige Ziegenfrischkäse aus Onsernone mit Pumpernickel [5/10] sind dann auch ein erfrischender und naturbezogener Auftakt.

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Weiter geht es mit einem Picknick mit wundervollem Tessiner Speck und Salametti, sowie Thurgauer Seemerzler. Der würzige Rapssamen-Cracker passt sehr gut dazu. Uns gefällt nicht nur die Idee, sondern auch die sehr guten Produkte.

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Als Amuse Bouche [7/10] reicht man uns ein Hühnerei. Dieses ist mit rezentem Parmigiano, einem Wachtelei, knusprigen Brotwürfeln und grünem Spargel gefüllt. Ein sehr harmonisches und geschmacksvolles Häppchen.

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Die Brotauswahl vom lokalen Bäcker ist gut. Einzig eine schöne Alpen-Butter vermissen wir. Dafür gibt es Salz, Pfeffer und Olivenöl.

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Neben Dario arbeitet im Service auch noch die charmante Nicole Dummermuth. Zwischendurch werden die beiden vom Küchenchef unterstützt. Andreas Schwab kommt dann an den Tisch, giesst eine Sauce auf und erzählt dann gleich noch etwas über die Zubereitung. Schwab stammt aus dem Berner Seeland und lebt seit 15 Jahren im Tessin. Bevor er sich mit Dario selbständig gemacht hat, arbeitete er mehrere Jahre für Ivo Adam im Seven.

Büffelmozzarella – Frühlingsgemüse, Aceto Tentazioni, Quinoa [7/10]

Der erste Gang ist ein Gemüseteller mit einer schönen Ansammlung von frischen Kräutern (alles aus dem eigenen Garten) und Gemüse, welches der lokale Gemüsebauer frühmorgens anlieferte. Mit ihm pflegt Schwab eine enge Beziehung. Die beiden tauschen sich regelmässig aus und proben auch den Anbau von alten Sorten. Die Zusammenarbeit scheint zu funktionieren. Alles schmeckt frisch und intensiv. Einzig für die Spargeln ist es jetzt offensichtlich noch zu früh. Das restliche Gemüse hat aber genügend Power um dies zu kompensieren. Das Quinoa darunter passt sehr gut dazu. Auch der crèmige Büffelmozzarella aus dem Jura steuert eine spanende Note bei. Abgerundet wird es von einem kalten Tomaten-Fond. Ein toller Auftakt ins Menü.

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Jakobsmuschel – Erbse, Mandel, Endivie, Minze [7/10]

Der Duft der hervorragenden Jakobsmuscheln aus der Bretagne ist verführerisch und lässt unsere Vorfreude auf die kommende Reise in den Nordwesten von Frankreich (zum Bericht), weiter steigen. Die Erbsensuppe ist intensiv und super abgeschmeckt. Sie hat viel Charakter und eine perfekt dosierte Minznote. Dazu gesellt sich eine leichte Bitterkeit von der Endivie.

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Weiter geht es mit einem kurzen Intermezzo in Form einer Blinddegustation. Dazu kredenzt man uns einen Wein in einem schwarzen Glas. Dario lässt uns zuerst probieren und diskutieren und löst dann, ohne belehrend zu sein, auf. Die Idee ist zwar nicht neu, das Aqua in Wolfsburg hat es vorgemacht, passt hier aber sehr gut rein und wird sympathisch umgesetzt.

Brüggli Lachsforelle – Kresse, geräucherter Ricotta [7/10]

Weiter geht es mit einer glasig gegarten, und etwas zu dezent gesalzenen Lachsforelle aus der Innerschweiz. Ebenfalls auf dem Teller ist ein wunderbarer Ricotta mit einer spannenden Rauchnote. Die Kressesuppe sorgt für einen angenehmen Kontrast.

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Gitzi – Mönchsbart, Gewürzschokolade [8/10]

Das nächste Gericht entpuppt sich als Highlight des Abends und ist eine Geschmacksbombe. Die Tortellini sind hauchdünn und mit geschmortem Gitzi gefüllt. Das intensive Fleisch ist eine absolute Wucht! Dazu serviert man einen wundervollen Jus mit einem Hauch von Schokolade. Letztere ist mit viel Fingerspitzengefühl eingesetzt und wirkt ergänzend und keinesfalls aufdringlich. Ein Teller den man gerne jeden Tag serviert bekommen würde.

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Variation vom Rind [7/10]

Zum Hauptgang gibt es drei verschieden Rindfleischsorten. Ein Holzen Rindsentrecôte mit einer würzigen Vallemaggia-Pfeffer-Marinade, ein saftiges Luma Bavette Steak und ein zart geschmorter Rindsschulterspitz, ebenfalls von Holzenfleisch aus der Innenschweiz. Alle drei Teile bieten einen unverfälschten Fleischgenuss. Abgerundet wird das ausgezeichnete Gericht mit feinem Bärlauch-Kartoffelpüree, Artischocken, Zwiebeln und einem exzellenten Jus.

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Käse

Einen Käsewagen gibt es hier im Tentazioni nicht. Dafür serviert man uns eine schöne Selektion von Tessiner Käse. Dazu gibt es ein Stück Storziflade und etwas Chutney.

Pertusio – Valle di Blenio (Kuh / 10 Monate)
Piora – Alpe Piora, Leventina (Kuh / 18 Monate)
Formagella Froda – Valle Maggia (Kuh / 2 Monate)
Bergum – Monte Carasso (Kuh-Schaf-Ziege / 8 Monate)
Blu di Capra – Sonvico (Ziege / 50 Tage)

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Pré Dessert: Zitrone – Sauerampfer, Szechuan Pfeffer  [7/10]

Applaus für den ersten Streich aus der süssen Küche. Alles schmeckt sehr erfrischend, angenehm zitronig und hat durch den Pfefferstaub einen spannenden Kontrast.

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Erdbeere – Pistazien, Joghurt, Melisse [5/10]

Das Hauptdessert ist ebenfalls schön komponiert, doch leider ist die Erdbeere als zentraler Akteur, noch nicht bereit für diese Aufgabe. Zwar waren die letzten Wochen im Süden sehr sonnig, doch es fehlt der Frucht offensichtlich an Geschmack. Die Kombination mit dem Joghurt, der Melisse und den Pistazien ist dafür sehr erfrischend und harmonisch. Im Sommer, wenn die Erdbeeren ihr Geschmacks-Bouquet voll entfalten können, wird dies bestimmt ein wundervolles Dessert sein. Bis dahin sollte man auf einen anderen süssen Abschluss setzen.

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Friandises [7/10]

Zum Kaffe serviert man uns noch sechs köstliche Petitessen die uns allesamt sehr gut gefallen. Vor allem die Torrone und das Tartufi haben es uns angetan.

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Fazit: Wir verbrachten im Tentazioni einen wundervollen Abend bei einem sehr abwechslungsreichen Menü. Die Produkte sind von hoher Qualität und stammen von passionierten Produzenten und, wenn immer möglich, sogar von lokalen Bauern. Sogar das Geschirr wird von einer Töpferin aus dem Nachbarsdorf hergestellt. Sie verwendet dafür ausschliesslich Materialien aus dem Tessin. Andreas Schwab setzt zwar auf Regionalität, aber nicht um jeden Preis. Wird er in der Schweiz nicht fündig, reicht seine Suche auch über die Landesgrenze hinaus. So kommt man bei ihm auch in den Genuss von Meeresfrüchten und Gänseleber. Seine Küche ist sehr geschmacksvoll und Produktorientiert. Wir mögen diese fokussierte Art und verzichten für frische Kräuter gerne auf Dekorationselemente wie Tüpfchen und Schäumchen. Trotz den geradlinig angerichteten Tellern spürt und schmeckt man, dass mit viel Ehrgeiz und Herzblut gekocht wird.

Diese Attribute gelten auch für den Service. Dario und seine Mitarbeiterin sind top motiviert und ausgezeichnete Gastgeber. Trotz dem ungezwungenen Ambiente wird man hier vorbildlich bedient. Das Tentazioni ist eine tolle Adresse. Wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Besuch und können einen Abstecher nach Cavigliano wärmstens empfehlen. In der Zwischenzeit tut der Gault-Millau gut daran, einen neuen Tester nach Cavigliano zu schicken – denn dort fehlen drei Punkte auf der Tafel.

tentazioni_cavigliano_andreas_schwab_22Die Küchenbrigade: Diana Kürsteiner, Andreas Schwab, Duska Mossi und Leonardo Bielsa (v.l.n.r.)

tentazioni_cavigliano_andreas_schwab_24Im Service: Nicole Dummermuth mit Gastgeber Dario Pancaldi

Menü: Das Überraschungsmenü wird vom Küchenchef ausgewählt und besteht aus den Gerichten die man auch auf der Karte findet. Das Menü kann in 3 (95 Franken) bis 7 Gängen (148 Franken) bestellt werden. Die à la carte Auswahl bietet Vorspeisen für ca. 30 Franken, Hauptgänge für ca. 55 Franken und Desserts für 18 Franken.

Zeit: Das Abendessen dauerte 4 Stunden.

Wein: Neben der gut sortierten Weinkarte zu fairen Preisen, bietet man auch eine gut aufs Menü abgestimmte Weinbegleitung an. Diese wird wenn immer möglich mit Weinen aus dem Tessin zusammengestellt. Die Weinbegleitung in 7 Gängen kostet 85 Franken und sah bei unserem Besuch wie folgt aus:

Carla 2014, Doral, D. Catenazzi, Corteglia
Crudèll 2010, Chardonnay, Riesling & Sylvaner, Pinot grigio, Sauvignon Blanc – Giudici della Ganna Malvaglia, F.lli Meroni Biasca, Mondò Sementina
Viognier 2010, Andrea e Roberto Ferrari, Stabio
Irti Colli 2012, Merlot Settemaggio, Sementina
Castello di Morcote 2010, Merlot, Tenuta Castello di Morcote, Vico Morcote
Tintoforte Vintage 2011, Tamborini, Lamonte
Teorema 2012, Uva Americana, La Minerva, Camorino

Online: Die Website ist übersichtlich und sehr informativ.

 

Wertung: Gourmör O7 / Michelin M1 / Gault-Millau GM13

Sonderauszeichnung: Hier fühlt man sich besonders wohl

(Besucht im April 2015)

Sommet in Gstaad

Dem Management des neusten 5-Sterne-Hotels in Gstaad, gelang schon vor der Eröffnung im 2012 ein grosser Coup: Sie konnten den gebürtigen Vorarlberger Marcus G. Lindner als Executive Chef für ihr The Alpina Gstaad gewinnen. Lindner war bis dahin in Zürich im mesa tätig und mit 2 Sternen und 18 Punkten der best dotierte Koch der Limmatstadt. Lindner wollte sich mit 51 Jahren aber noch einmal einer neuen Herausforderung stellen. Und diese hat er im fantastischen Hotel (zu unserem Bericht) auch gefunden. Hier konnte er das kulinarische Konzept von Grund auf mitgestalten. Heute ist er nicht nur für die drei Restaurants verantwortlich, sondern für das komplette kulinarische Angebot des luxuriösen Hotels. So kümmert er sich auch um die Selektion der Lieferanten für das erlesene Frühstück, die Snackkarte und natürlich die Speisen für den Zimmerservice. Sein Lieblingsprojekt ist aber das Sommet – das lukullische Aushängeschild des Hotels. Hier werden jeden Abend bis zu 60 Geniesser verwöhnt. Neben dem Gourmet-Angebot gibt es auch einfache Gerichte vom Grill zu bestellen.

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Es ist kurz nach sieben als wir das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant betreten. Bunte Blumen, eine massive Holzdecke und ein angenehmes Lichtkonzept zeichnen das äusserst elegante Lokal aus. An den Wänden hängen beeindruckende Hörner, welche die Künstlerin Ann Carrington aus unzähligen Messern und Gabeln formte. Die weiss gedeckten Tische sind in zwei leicht voneinander abgetrennte Bereiche unterteilt. Wir erhalten vom Service die Speisekarte. Diese hält, neben dem Gourmetmenü und den eingangs erwähnten Grill-Gerichten, auch noch ein à la carte Angebot bereit. Daneben finden wir noch hochpreisige Speisen mit Trüffel und Kaviar – wir sind schliesslich in Gstaad.

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Noch sind wir die einzigen Gäste im Restaurant. Die vielen internationalen Gäste des The Alpina Gstaad bevorzugen es offensichtlich später zu tafeln. Diese weit gereiste Klientel ist dann auch der Grund weshalb hier im Sommet nicht alle Servicemitarbeiter deutsch sprechen – englisch ist die Hotelsprache. Auch mit Sommelier Pierfranco Lavra aus Sardinien unterhalten wir uns auf Englisch. Er und Sommelier Luca Padovani empfehlen den Gästen in allen drei Restaurants die passenden Weine. Dabei können sie auf einen grossen und gut sortierten Weinkeller zurückgreifen. Die Weinkarte ist entsprechend umfangreich und beeindruckend. Wir entscheiden uns für die Weinbegleitung die man hier für 110 Franken (bei sieben Gläsern) anbietet.

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Brot

Wir starten den Abend mit einer kleinen Brotselektion. Dazu serviert man uns eine luftige Tomatenbutter, etwas Ziegenkäse mit Peterli, eine herzhafte Zwiebelbutter sowie eine Bauernbutter mit Fleur de Sel. Die Quadrologie schmeckt sehr gut und wir müssen uns, angesichts des bevorstehenden Menüs, stark in Zurückhaltung üben.

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Häppchen: Gekeimtes Quinoa / Ziegenfrischkäse / Quitte [5/10]

Eine ruhige und sehr schöne Kombination mit dezenten Aromen eröffnet das Menü. Das Quinoa auf dem Teller wurde zuvor gekeimt wodurch es über einen besonderen, erdigen Geschmack verfügt. Der aromatische Ziegenfrischkäse ist ein willkommener Gegenpart. Komplettiert wird das Gericht mit einem süss-säure-Spiel von der Quitte und dem Apfel.

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Häppchen: Geräuchertes Wachteleigelb / Buttermilch / Buchweizen [6/10]

Sich nur auf die grosszügige Nocke Kaviar zu konzentrieren wäre ein veritabler Fehler und würde der Komplexität dieses Gerichts nicht gerecht. Die schwarzen Eier vom sibirischen Stör sind zwar von absoluter top Qualität, aber erst in Kombination mit dem rauchigen Wachtelei, der Buttermilch, den Buchweizen-Crumbles und dem intensiven Kürbiskernöl offenbart sich das ganze Geschmacksbild. Dieses ist facettenreich, setzt aber wiederum ein hohes Mass an Konzentration voraus, um all die Nuancen zu erfassen.

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Häppchen: Karotte / Kaffee / Mandarine / Minze [8/10]

Das letzte Häppchen ist eine vegetarische Komposition, die uns durch und durch begeistert. Die seltenen Rüebli-Sorten wurden zuvor in Kaffee eingelegt, wodurch sie über ein prominentes, aber keinesfalls aufdringliches, Mokka-Aroma verfügen. Der Sud ist eine elegante Mischung aus Mandarinen- und Rüeblisaft und sorgt nicht nur für eine leichte Süsse, sondern bringt auch eine angenehme Säure mit sich. Die fein geschnittenen Minzblätter und das darüber geträufelte Minzöl bereichern das Gericht mit einer erfrischenden Note. Ausgezeichnet!

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Amuse Bouche: Avocado / Königskrabbe / Lachskaviar mariniert [8/10]

Während Marcus G. Lindner in Zürich eine mediterrane Küche zelebrierte, spielen hier im Sommet die asiatischen Einflüsse eine wichtige Rolle. Der sympathische Spitzenkoch ist trotz seiner grossen Erfahrung noch immer sehr wissbegierig. Deshalb hat er bei den japanischen Köchen seines Restaurants MEGU ganz genau hingeschaut, gelernt und dann einzelne Elemente in sein Menü eingebaut. Dieses ausgezeichnete Amuse Bouche ist ein Ergebnis davon. Die saftige und geschmacksvolle Königskrabbe wurde in reife Avocadoscheiben eingerollt und mit etwas Koriander verfeinert. Am Gaumen entfalten sich fantastische asiatische Aromen. Das zweite Röllchen, mit dem Lachskaviar, übertrumpft die erste Variante sogar. Die Fischeier wurden zuvor einen Tag in Sojasauce und Sake eingelegt – entsprechend man­nig­fal­tig schmeckt diese Petitesse.

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Amuse Bouche: Auster mit Yuzu // Hühnerleber-Tramezzini [7/10]

Daumen hoch für die köstliche Auster-Komposition. Die delikate Muschel passt perfekt zur leichten Säure von der Yuzu, die als Eis und Gelée mit Sesam ihren Auftritt hat. Bei solchen Kombinationen passiert es leider oft, dass die Auster untergeht. Ganz anders hier. Die Yuzu ist präsent, lässt der Muschel aber genügend Platz, um ihr unverwechselbares Aroma zu entfalten.

Eine gänzlich neue Geschmackspalette eröffnet uns dann die Hühnerleber. Ein Gericht aus Vietnam, wie man uns beim Servieren erklärt. Die Leber liegt zwischen einem knusprig-buttrigen Gebäck. Dazu gibt es fermentierten Pak Choi, Ingwer und Koriander. Kaum im Mund, offenbart sich ein intensives Geschmacksfeuerwerk. Vor unserem geistigen Auge erscheint ein asiatischer Markt mit seinen intensiven Düften, so wie wir ihn vor ein paar Jahren in Bangkok erlebt haben. Das intensive Leberaroma ist vielleicht nicht jedermanns Sache, wir sind jedoch sehr angetan.

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Hamachi / Limette / Erdnuss / Edamame [9/10]

Der erste Gang unseres Menüs ist gleich ein hervorragendes Gericht. Die Gelbschwanzmakrele ist eine Wucht. Kombiniert wird der leicht gegarte Fisch mit Erbsenpüree, gepickeltem Kürbis, einem Hauch von Erdnüssen sowie einem wuchtigen aber niemals aufdringlichen Sojapüree. Perfekt dosiert sind aber auch die angenehme Schärfe, und das erfrischende Limettenaroma. Wie man die Komponente auf dem Teller auch kombiniert, das Ergebnis begeistert durch und durch. Als wäre das Glück nicht gross genug, gibt es als Krönung warme Spargeln in einer Mais-Kruste, die nicht nur himmlisch duften, sondern auch unvergesslich gut schmecken.

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Entenleber / Aal / Birne / Berberitze [6/10]

Die Entenleber ist zartschmelzend und in etwas Pumpernickelstaub eingehüllt. Die Berberitze steuert die Säure bei, während die Birne die konträre Frische bringt. Für den asiatischen Touch sorgt der marinierte Räucheraal. Uns gefällt das Gericht sehr gut, auch wenn sich hier die Begeisterung -was nach den vorherigen Highlights zugegebenermassen auch recht schwer ist – etwas im Zaum hält. Alles schmeckt sehr delikat, uns fehlt jedoch das aromatische Zusammenspiel, welches die vorherigen Kompositionen ausgezeichnet hat.

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Lachsforelle / Calamaretti / Gurke / Wasabi [8/10]

Der emporsteigende Dampf verhüllt den Blick auf das Gericht. Doch in der Nase ist bereits ein erfrischender Duft von Dill, Gurken und Wasabi wahrnehmbar. Letzterer stammt von den Stickstoffperlen die beim Servieren auf dem Teller verteilt wurden und nun langsam zu schmelzen beginnen. Das Gericht bekommt dadurch eine kühle, angenehme Schärfte. Kaum hat sich der Nebel verzogen entdecken wir auch den Fisch, welcher wiederum von auffallend hoher Qualität ist. Auch der Tintenfisch begeistert mit seinem schmackhaften Aroma nach den Weiten des Meeres. Ein ausgezeichnetes Gericht mit richtig viel Power.

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Spanferkel / Barbecue / Salatherz / Brokkoli [8/10]

Der Sommelier kredenzt uns nun keinen Wein, sondern ein kühles Bier. Natürlich nicht irgendein Bier, sondern ein besonderes aus Italien. Eines mit einem markant rauchigen Aroma. Passend dazu schickt uns die Küchenbrigade eine herzhafte Variation vom ormalinger Schwein. Uns begeistert schon allein die atemberaubende Barbecue-Sauce in Verbindung mit dem safigen Kotelett. Stark ist auch die gezupfte Schweineschulter in Kombination mit den knusprigen Schweinescharten-Chips. Beim animalischen Schweinebauch im steamed bun, greifen wir beherzt mit den Händen zu. Aber nicht nur das Fleisch ist toll, sondern auch das Gemüse. Noch nie haben wir solch aromatischen Broccoli serviert bekommen. Es war eine super Idee, das Grün auf dem Holzkohlegrill zuzubereiten – dieser unvergessliche Geschmack ist genial. Ein unvergessliches Gericht welches es – auch dank der Kombination mit dem tollen Bier – schafft, eine wundervolle Stimmung zu erzeugen, als sässe man an einem lauen Sommerabend an einer Feuerstelle.

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Muschel / Mais / Escabeche / Ur-Karotte [9/10]

Der Höhenflug geht weiter. Wir erfreuen uns ob der hochkarätigen Jakobsmuschel in Kombination mit dem traumhaften Mais. Die Muschel harmoniert mit der Süsse überraschend gut und gipfelt im absoluten Hochgenuss. Der Geflügelsud ist ganz leicht und trotzdem charaktervoll. Unorthodox und herzhaft ist dann die Stabmuschel mit Milken (!), welche für den aromatischen Kick mit Knochenmark überbacken wurden – ganz grosses Kino!

Unvergesslich bleibt auch die Hühnerhaut am Fleischspiess. Diese wurde mit Soja, Sesam, Ingwer und Zitronengras mariniert und schmeckt absolut fantastischt!

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Tomate / Tofu / Reiscracker [5/10]

Als kleiner Zwischengang serviert man uns drei sonnengereifte Cherrytomaten, die einen Tick zu wenig süss sind, um mit dem Essig-Soja in Einklang zu kommen. Dafür gefallen uns der selbstgemachte Tofu und die Reiscracker aus Sushi-Reis sehr gut.

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2 x Wagyu / Pilz / Nektarine / Zwiebel [6/10]

Im Hauptgang gibt es edles Wagy-Beef aus Japan. Das Entrecôte ist scharf angebraten und nur mit ein paar Flocken Fleur de Sel gewürzt. Der nussige Eigengeschmack sorgt für den Rest. Eine wahre Geschmacksbombe ist das unscheinbare Bällchen mit etwas Ingwer – Umami-Power pur. Das passt auch sehr gut zum schönen Jus und den aromatischen Zwiebelringen. Kontrastiert wird das Ganze von kurz angebratenen Pfirsich-Schnitzen. Für unseren Geschmack übernimmt diese süsse Komponente etwas zu stark die Oberhand. Trotzdem ein delikater Hauptgang in einer perfekt portionierten Grösse.

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Weisse Schokolade / Matcha / Yuzu / Schwarztee [9/10]

Mit dem asiatisch anmutenden pré Dessert gelingt der Pâtisserie ein Geniestreich. Eindrücklich wie sich die Aromen gegenseitig befruchten. Traumhaft der Geschmack von der weissen Schokolade, wie sie vom Matcha-Glace und dem Schwarztee-Schaum flankiert wird. Dazu noch etwas Säure von der Yuzu und ein fruchtiges Aprikosenkompott. Eine hervorragende und sehr erfrischende Süssspeise.sommet_gstaad_marcus_lindner_20

Himbeer / Rucola / Karamell / Schokolade [7/10]

Ein Rucola-Glace ist bestimmt nicht alltäglich, aber schmecken tut es super. Da der Rucola vor der Bearbeitung frittiert wurde, verfügt es nun über einen leicht nussigen Goût. Fruchtig dann die Himbeeren, welche es als Gelées und Marshmallows auf den Teller schaffen. Schön auch der feine Caramel. Witzig das im Mund knisternde Pulver.

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Friandises [6/10]

Eine umfangreiche Auswahl an Friandises schliesst das Menü ab. Selbstverständlich, dass auch diese einen asiatischen Touch haben.

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sommet_gstaad_marcus_lindner_27Marcus G. Lindner

Fazit: Die Küchenbrigade servierte uns ein hervorragendes Menü mit einem eindrücklichen Spannungsbogen. Es begann ruhig und wurde konstant intensiver. Dabei ist alles perfekt portioniert so, dass man am Ende auch bei den Friandises gerne zugreift. Begeistert hat uns auch die die Integration der asiatischen Küche – das ist einzigartig in der Schweiz! Marcus G. Lindner ist ein Spitzenkoch mit grossem Wissen und Erfahrung. Seine Gerichte sind durchdacht und aufwendig. Dabei schmeckt alles sehr intensiv, spannend und auffallend anders. Die Qualität der servierten Produkte ist auf Top-Niveau. Vor allem die Tiere aus dem Meer bekommt man nur selten in dieser Spitzenqualität.

Das Sommet ist auch optisch ein bezauberndes Restaurant. Es bietet die perfekte Kulisse für einen grossartigen Abend. Der Service ist gut, kann aber mit der Küchenqualität nicht ganz mithalten. Alle sind zwar sehr freundlich, aber es fehlt etwas an Passion. Grossartig ist dafür die Leistung des Sommeliers. Die Getränkebegleitung war perfekt. Sie hat die Speisen klar unterstrichen und einzelne Nuancen hervorgehoben. Wir finden es toll, dass man dabei nicht nur auf schöne Weine setzt, sondern auch Sake und Bier in die Begleitung einbaut. Man darf sich hier also uneingeschränkt den Herren mit dem goldenen Weintrauben-Pinn anvertrauen.

Marcus G. Lindner und sein Team haben uns im eleganten Sommet ein völliges unkonventionelles Menü serviert. Wir entdeckten nicht nur neue Geschmäcker sondern sogar neue Zutaten. Im Zentrum standen hochwertige Produkte die mit viel Können, und mit Fokus auf den Wohlgeschmack, zubereitet wurden.

Menü: Das Menü kann man zwischen 7 Gängen (200 Franken) und 4 Gängen (140 Franken) ordern. Dazu gibt es noch einige Einstimmungen, ein pré Dessert und Friandises. Alternativ gibt es eine Gerichte à la carte und eine Auswahl von einfachen Speisen vom Grill.

Zeit: Das grosse Menü wurde uns in 3.5 Stunden serviert

sommet_gstaad_marcus_lindner_22Die Küchenbrigade: Remy Müller (Saucier), Sonja Gübeli (Gardemanger), Bernd Wettengel (Sous Chef), Wolfgang Schmidt (Entremetier), Marcus G. Lindner (Executive Chef), Daniel Plank (Pâtissier) und Felix Gabel (Junior Sous Chef). (v.l.n.r.)

Wein: Die Weinkarte ist nicht nur vorbildlich aufgebaut, sondern auch sehr umfangreich. Für die Beratung stehen gleich zwei Sommeliers zur Verfügung. Sie stellen auch die Getränkebegleitung zusammen und die hat es in sich. Stark ist bereits die Kombination aus Wein, Sake und Bier. Jedes Getränk hat perfekt gepasst und die Gerichte um Nuancen verfeinert.

Hier unsere Weinbegleitung die zum Fixpreis von 110 Frankren verrechnet wurde.

Sake Shirakabe, Gura Daiginjo – Japan
Muskattel 2012, erich and walter polz – Österreich
Sancerre 2013, joshep mellot – Frankreich
Dark Beer, Burton beer – Italien
Pinot Grigio 2012, Adank – Schweiz
Chateau Poujeaux 2004 – Frankreich
Amberwine 2012, Clarendelle Wines – Frankreich

sommet_gstaad_marcus_lindner_28Die beiden Sommeliers Pierfranco Lavra und Luca Padovani

Online: Die Informationen über das Sommet sind in die Hotelwebsite integriert. Wir finden dort einige Informationen, das aktuelle Menü und Bilder von den Speisen.

Bewertung: Gourmör O8 / Michelin M1 / Gault-Millau GM18

Sonderauszeichnung:  Schöne Zigarren-Lounge vorhanden

(Besucht im März 2015)