Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier

Es ist wie mit dem Matterhorn oder dem Rheinfall, als Schweizer hat man zwar unzählige Sehenswürdigkeiten rund um den Globus besucht, die Highlights vor der eigenen Haustür kennt man aber nur von Fotos. So ist es auch mit dem 3-Sterne-Restaurant von Benoît Violier in Crissier. Es gibt hierzulande nur gerade zwei 3-Sterne-Restaurants und trotzdem waren wir noch nie bei ihm Gast. Dies wird sich heute endlich ändern denn wir reisen mit grosser Vorfreude in die Westschweiz. Als wir den Genfersee in seiner vollen Pracht vor uns sehen, stellen wir uns wieder einmal die Frage, weshalb eigentlich so viele Deutschschweizer jährlich ins Tessin reisen aber konsequent einen grossen Bogen um die wunderschöne Westschweiz machen?

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Das Restaurant de l’Hôtel de Ville erreichen wir kurz nach zwölf Uhr. Wir haben unseren Tisch für den Lunch bereits vor Wochen reserviert. Die Tische sind hier heiss begehrt. Auch heute Mittag wird jeder der circa 50 Plätze besetzt sein. So herrscht vor dem Restaurant auch reger Betrieb. Da trotz der ländlichen Lage, für die Gäste nur wenige Parkplätze zur Verfügung stehen, bietet man ein Valet-Parking an. Man übergibt den Schlüssel also einfach einem Mitarbeiter und dieser parkiert das Auto ein paar Strassen weiter weg. Das Restaurant de l’Hôtel de Ville fasziniert uns schon von aussen durch seine Erscheinung. Genau so stellen wir uns einen „Gourmettempel“ vor. Das Restaurant ist schliesslich eine Institution, mit einer Geschichte die zum Genuss verpflichtet. Angefangen hat alles mit Frédy Girardet. Der „Jahrhundertkoch“ eröffnete das Restaurant 1971 und erkochte sich schon bald 3 Michelin-Sterne. 1996 verkaufte er das Restaurant an den leider kürzlich verstorbenen Philippe Rochat. Rochat konnte die drei Sterne ebenfalls jährlich bestätigen und den guten Ruf des Restaurants weiter in die Welt tragen. Als Rochat vor drei Jahren kürzer trat, übergab er das Haus an seinen langjährigen Küchenchef Benoît Violier und dessen Frau Brigitte. Auch der gebürtige Franzose aus La Rochelle konnte die 3 Sterne nahtlos bestätigen und wurde vom Gault-Millau bereits im ersten Jahr als „Koch des Jahres“ gefeiert.

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Wir betreten das ehrwürdige Haus und werden augenblicklich von dessen Aura umarmt. Seine Geschichte ist förmlich greifbar obwohl das Haus in neuem Glanz erstrahlt. Bei der Übergabe vor drei Jahren wurde nämlich nicht nur eine grosse, neue Küche inklusive Chefs-Table gebaut, sondern auch die beiden Speiseräume modernisiert. Wir werden in den etwas grösseren Teil geführt und bestaunen das luxuriöse und ansprechende Interieur. Uns gefällt es hier auf Anhieb. Einzig die Tatsache, dass die zweier Tische so ausgerichtet sind, dass alle Gäste in die Restaurantmitte blicken – statt sich gegenseitig in die Augen – wirkt etwas befremdlich. Der Service ist bereits im vollen Gange und dem grossen, 18 (!) köpfigen Team zuzuschauen beeindruckt. Da werden Stammgäste per Händedruck begrüsst, dort empfiehlt einer der Sommeliers einen Wein, auf der anderen Seite wird eine Vorspeise aufgetischt. Später werden wir noch sehen wie perfekt zubereitete Soufflés ins Restaurant getragen werden oder wie an den Tischen Geflügel und Fische tranchiert werden. Es ist wunderbar lebhaft hier.

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Der Service ist sehr freundlich und professionell, aber auch etwas distanziert. Dies wirkt zwar keinesfalls arrogant, trotzdem würde dem Team etwas mehr Lockerheit, wie sie zum Beispiel im luxuriösen Epicure in Paris gelebt wird, sehr gut stehen. Neben der grossen Mannschaft im Service – die übrigens sehr gut englisch spricht – stehen in der Küche nochmals 22 Köche. Dazu kommen noch 14 Mitarbeiter für die Administration und die Reinigung. Das macht total 54 Mitarbeiter für gerademal 50 Couverts. So ist es dann auch verständlich, dass die Preise hier sehr hoch sind. Das grosse Menü kostet 375 Franken – das ist Schweizer Rekord. Dass wegen dem hohen Waren- und Personaleinsatz am Menü trotzdem nichts verdient wird, hat Herr Rochat schon vor einigen Jahren der Zeitschrift Bilanz vorgerechnet (zum Artikel).

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Zum Apéro bestellen wir ein Glas rosé Champagner aus dem Hause Gosset und geniessen dazu die buttrig feinen Flûtes au beurre. Jetzt haben wir Zeit um die beiden Karten vor uns zu studieren. Diese liegen in einem silbernen Einband. Neben dem grossen Menü gibt es auch ein täglich wechselndes Menü für 295 Franken. Hier spricht man das Menü kurz mit dem Maître mündlich durch und lässt sich dann überraschen. Natürlich werden auch ein paar Gerichte à la carte angeboten. Das Menü wechselt übrigens fünf Mal im Jahr – jeweils mit den Jahreszeiten wobei es im Sommer einen zusätzlichen Kartenwechsel gibt. Erst vor drei Tagen stand ein solcher Wechsel an, weshalb uns heute viele Frühlingsboten zur Auswahl stehen. Die Karte ist übrigens in Französisch. Ungefähr zwei Wochen nach der jeweiligen Umstellung liegt sie auch auf Deutsch und Englisch vor. Wir bestellen das grosse Menü und fragen den Sommelier nach einer Weinbegleitung.

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Brot

Nun macht ein schön sortierter Brotkorb die Runde. Das Gebäck wird zwei Mal am Tag frisch gebacken und ist von sehr hoher Qualität. Vor allem das Mais-Gebäck hat es uns angetan. Dazu serviert man uns eine sehr gute, leicht gesalzene Butter. Für uns in Kombination bereits das erste Highlight.

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Amuse Bouche: „Cressonnette“ de petits Coquillages rafraîchie à l’Osciètre nouvelle pèche [8/10]

Das Amuse Bouche ist nach den vergangen kalten Wochen ein prächtiger Vorbote auf den Frühling und vereint seine schönsten Eigenschaften. Im Vordergrund steht die herbe, aber erfrischende Kresse. Kombiniert wird sie mit frischen Kräutern und aromatischem Gemüse. Dazu gesellt sich ein meeriges Aroma von den frischen Muscheln und dem edlen Kaviar. Ein ausgezeichneter Auftakt der unsere Sehnsüchte nach dem weiten Meer und den saftigen Sommerwiesen weiter befeuert.

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Asperges violettes du Valais [5/10]

Konsequent haben wir uns in den letzten Wochen dem Spargel-Angebot aus Übersee wiedersetzt und uns deshalb besonders auf die hiesige Saison gefreut. Violier hat auf dem Menü eine besonders frühe Sorte aus dem Wallis angekündigt. Doch anscheinend war auch dafür das Wetter in den letzten Tagen zu schlecht. So informierte man uns beim Servieren des Spargelgericht, dass man heute auf einen Spargeln aus dem Dörfchen Cavaillon in Südfrankreich zurückgreifen musste und die einheimische Sorte erst ab der nächsten Woche aufgetischt werden können.

Die Küche von Benoît Violier ist für seine hohen Qualitätsansprüche bekannt. Umso erstaunter sind wir dann als wir die erste Spargelspitze im Mund haben und sich der erhoffte Goût nicht entfachte. Die Spargeln sind zwar wunderbar knackig und der Tropfen Balsamico ein passender Gefährte, aber uns fehlt klar das intensive Aroma. Wir müssen uns dann ganz genau auf unsere Geschmacksrezeptoren konzentrieren um ein leichtes Aroma wahrnehmen zu können. Dann harmoniert es auch super mit dem eleganten Parmesan-Schaum der das weisse Gemüse begleitet. Der Käse ist überraschend elegant und sehr behutsam dosiert. Die Möglichkeit hier in ein paar Wochen, wenn dann der wirklich gute Spargel da ist, ein wahres Highlight zu erleben, zeichnet sich schon jetzt ab. Umso enttäuschter sind wir um die verpasste Chance.

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Morilles brunes des massifs Cristallins [9/10]

Während uns beim vorherigen Gericht der intensive Spargelgeschmack gefehlt hat, duftet es nun himmlisch nach frischen Morcheln – und zwar noch bevor der Teller überhaupt vor uns steht. Kaum serviert wird am Tisch noch eine warme Mairitterling-Suppe aufgegossen. Eine fantastische Kombination die noch von frischen Kräutern und knackigem Stangensellerie begleitet wird. Jeder Bissen ist ein absoluter Hochgenuss!

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Crabe Cerise du Cotentin [8/10]

Auch beim nächsten Gericht kommt die Nase zuerst in den Genuss. Diesmal duftet es fantastisch nach Peperoni. Aber auch im Gaumen werden wir diesen delikaten Goût nicht mehr so schnell vergessen. Über dem orangenen Peperoni-Spiegel thront ein knuspriger Raviolo. Dieser ist gefüllt mit dem zarten Fleisch von der Samtkrabbe. Die Füllung schmeckt intensiv und frisch und hat genug Rasse, um neben der atemberaubenden und sehr rassigen Suppe, Akzente setzen zu können.

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Barbue du phare de Cordouan [8/10]

Der Glattbutt stammt aus der Nähe von Violiers Heimat an der Atlantikküste. Der Fisch ist perfekt geschmort, wunderbar saftig und mit viel Fingerspitzengefühl – und unzähligen Kräutern – gewürzt. Der Dill und die Limette erfrischen den Fisch ungemein. Dazu gesellen sich die leichte Süsse von der Favabohne, die als Jus serviert wird, sowie kleine Zwiebeln welche mit knackigem Gemüse gefüllt sind.

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Langoustine Royale de la mer Celtique [10/10]

Absolut grossartig dann der Kaisergranat aus dem keltischen Meer. Das Krustentier ist von allerbester Qualität und von stolzer Grösse. Dazu kredenzt man uns eine perfekt komponierte Zitronensauce mit unglaublich viel Power. Dieser Götterspeise widmen wir Minutenlang genüsslich unsere Aufmerksamkeit und wünschten, dass der Teller niemals leer sein möge. Das ist unprätentiöse Kochkunst auf höchstem Niveau!

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Pintadon des laines de l’Ain [8/10]

Die schöne Kunst des Tranchieren, direkt vor dem Gast, wird leider zu selten zelebriert. Schön zu sehen, dass es hier in Crissier noch tagtäglich gemacht wird. Heute kümmert sich Maître Louis Villeneuve geschickt um ein wunderbar duftendes junges Perlhuhn. Dazu serviert man uns einen leichten aber aromatischen Geflügel-Jus. Das Huhn aus der Bresse ist wunderbar zart und besticht mit einer aromatischen uns sehr knusprigen Haut. Als Highlight serviert man uns dazu einen kleinen Toast der mit Innereien und Kräutern belegt ist – traumhaft.

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Käse

Auf dem Käsewagen finden wir nicht nur Spitzenerzeugnisse aus Frankreich, sondern auch eine grosse Auswahl an gut gereiften Schweizer Käse. Dazu serviert man frisch zubereitetes Brot.

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Noisettes piémontaises [10/10]

Der glänzende Ring, der das pré-Dessert umgibt, wirkt sehr edel. Trotzdem ahnen wir jetzt noch nicht, dass wir diese Süssspeise niemals vergessen werden. Die Pâtissiers haben nämlich einen grossartigen Job gemacht. Die Kombination zwischen der schaumigen Gianduja aus piemontesischen Haselnüssen und der spannenden Säure von der Zitrone ist grandios. Die Gianduja ist angenehm leicht aber unglaublich gut. Die Zitrone ist perfekt dosiert und verleiht dem Dessert einen spannenden Kontrast der die elegante Gianduja bereichert. Uns läuft noch Monate später beim Gedanken an dieses Dessert das Wasser im Mund zusammen.

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Premières Cléry [9/10]

Auch das wundervolle Erdbeerdessert begeistert uns. Die roten Beeren schmecken intensiv. Das Mandelgebäck mit einem Hauch Vanille ist schlicht fantastisch. Der Winter ist nun definitiv vergessen!

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Friandises [8/10]

Eine schöne Auswahl an Friandises schliesst das hervorragende Menü ab. Die kleinen Petitessen sind liebevoll zubereitet und absolut köstlich.

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Fazit: Das Restaurant de l’Hotel de Ville ist ein fantastischer Ort. Hier wird die Kulinarik kompromisslos zelebriert. Ganze Vögel und Fische werden am Tisch tranchiert, riesige Soufflés werden aus der Küche getragen und an jedem Tisch sitzen Geniesser die einen solchen Aufwand zu schätzen wissen. Hierher kommt man nicht für den kurzen Lunch. Die meisten Mittagsgäste bleiben auch unter der Woche bis am Abend sitzen. Es ist dann auch 17 Uhr und bereits am eindunkeln als wir das Restaurant überglücklich verlassen. Verwöhnt wurden wir von 54 (!) Mitarbeitern.

Auch wenn der immense Aufwand – jeder Jus wird vor jedem Service neu angesetzt – nicht immer zu sehen und zu schmecken ist, haben wir dieses aussergewöhnliche Restaurant schon auf der Heimfahrt angefangen zu vermissen. Nicht nur die hervorragende Küche mit seinem Fokus auf das Wesentliche, sondern auch das Haus mit seiner einzigartigen Aura. So war es für uns dann auch klar, dass wir bei der kürzlich unternommenen Reise nach Lausanne, in Crissier wieder einen Tisch reservieren. Auch die Sommerkarte hat uns begeistert. Als nächstes wollen wir Monsieur Violier und sein Team im Herbst besuchen. Der passionierte Jäger zählt diese Jahreszeit zu seiner liebsten.

restaurant_de_hotel_de_ville_crissier_benoit_violier_26Patron Benoît Violier (rechts) mit Küchenchef Franck Giovannini

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Menü: Das grosse Menü kostet 375 Franken und umfasst 8 Gänge (dazu kommen noch ein Amuse Bouche, ein pré Dessert und Friandises). Das Überraschungsmenü ist 1 – 2 Gänge kürzer und wird mit 295 Franken verrechnet. Am Mittag gibt es noch ein kleines Menü zu 195 Franken. À la carte kosten die Vorspeisen cirka 60 Franken, die Hauptgänge circa 100 Franken, die Desserts 32 Franken.

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Zeit: Das grosse Menü wurde uns in vier Stunden serviert.

Wein:  Die Weinkarte ist sehr umfangreich. Auf Wunsch bietet man auch eine Weinbegleitung an.  Unsere wurde mit 99 Franken verrechnet.

AOC Dézaley Grand Cru „Les Gruyres“ 2012
P. Fonjallaz
(Chasselas)

AOC Genève Sauvignon Blanc 2013
Ecole Ingenieurs de Changins

AOC Saint-Joseph 2011
S. Ogier
(Syrah)

DOC Valpolicella Superiore Ripasso 2008
Monte dei Ragni
(Assemblage Valpolicella)

AOC Petite Arvine „Grains Nobles“ 2012
Ph. Darioli

Online: Die Website ist vorbildlich. Man findet hier alle relevanten Informationen. Der Chef führt sogar einen eigenen Blog und gibt in Videos einen Einblick in sein Reich.

Wertung: Gourmör O9 / Michelin M3 / Gault-Millau GM19

Sonderauszeichnung:  Hier fühlt man sich besonders wohl    Schöne Zigarren-Lounge vorhanden

(Besucht im April 2015)

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Ein Gedanke zu “Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier

  1. Das ist tatsächlich meistens der Fall, dass man die Schätze in seiner unmittelbaren Nähe nicht erkennt dafür aber ganz weit reist.. Das Restaurant scheint mit seinem Angebot und seinem Service sehr exquisit zu sein. Werde wohl demnächst dort auch einmal richtig dinieren oder vielleicht sogar mehrmals.

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