Die Autofahrt dauert mehr als vier Stunden, bis wir das 5-Sterne Hotel Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg im kleinen deutschen Dörfchen Perl, nahe der luxemburgischen Grenze, erreichen. Das weisse Schloss mit den 96 Zimmern ist umgeben von saftig grünen Rebbergen der Mosel. Die Umgebung ist nett, das Hotel ebenfalls – aber wegen beidem hätten wir die soeben zurückgelegten 400 Kilometer sicher nicht auf uns genommen. Der Grund unserer langen Reise heisst Christian Bau – einer der zehn deutschen 3-Sterne-Köche. Seit 17 Jahren führt er zusammen mit seiner Frau Yildiz das kleine Restaurant Victor’s Gourmet-Restaurant Schloss Berg.
Kurz vor halb acht betreten wir das Restaurant mit dem holprig langen Namen (wieso nicht einfach ‚Bau‘?). Hinter der markanten Holztür werden wir von einer freundlichen Dame in Empfang genommen und in das längliche Lokal geführt. Dieses ist nicht nur vorbildlich beleuchtet, sondern auch stilvoll und hochwertig eingerichtet. Obwohl bereits alle Tische besetzt sind, ist der Geräuschpegel so tief, dass man die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören würde. So wechseln auch wir von Beginn weg auf den Flüstermodus und hoffen, dass sich die biedere Stimmung bald auflockern wird – was sie aber leider den ganzen Abend nicht tun wird.
Unsere Stimmung rutscht gleich komplett in den Keller. Denn während wir mit grosser Vorfreude in den bequemen Stühlen sitzen, werden wir auf ein kleines Kärtchen, auf dem weiss gedeckten Tisch aufmerksam. Darauf teilt man den Gästen mit, dass hier im Restaurant Fotos unerwünscht seien. Smartphones sind erlaubt – jedoch keine Kameras. Selbstverständlich ist jeder Gastronom frei bei der Gestaltung der Spielregeln. Jedoch wäre es angebracht diesen Hinweis auch auf der Internetseite zu platzieren, damit die Gäste diese Restriktion bereits im Voraus kennen. Enttäuscht stecken wir die Kamera wieder zurück in die Tasche. Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass wir am Ende des Menüs noch mit Christian Bau ins Gespräch kommen und er uns spontan offeriert am nächsten Mittag eine paar Gerichte am Pass für die Fotografie zuzubereiten. Diesem Einsatz ist es dann auch zu verdanken, dass dieser Artikel überhaupt mit Bildern bereichert ist.
Während die Kamera also vorerst in der Tasche schlummert, widmen wir uns der Speisekarte. Darauf finden wir das grosse Menü „Voyage Culinaire“ und mit der „Carte Blanche“ eine etwas kürzere Alternative. Wir entscheiden uns für das grosse Menü und hoffen inständig, dass es die Gerichte schaffen unsere aktuelle Stimmung aufzuheitern.
Alle Menüs hier im Restaurant beginnen mit dem „Prolog“. In dem mehrteiligen Auftakt werden verschiedene Häppchen und Amuses serviert. Den Start machen Cornet mit Bio-Ox & Räucherfischcrème / Knuspriges Foccacia mit Bellota, Olive & Basilikum / Apfel-Macaron mit Saibling & Wasabi [9/10]. Die kleinen Kunstwerke sind liebevoll zubereitet. Jedes Einzelne demonstriert eindrücklich, wie hervorragend Christian Bau die Klaviatur der Texturen und Aromen beherrscht und dadurch perfekt komponierte Kreationen erschafft. Zudem ist es beeindruckend wie einzigartig der 44-jährige die französische Küche mit der asiatischen vermählt und dadurch dem Gast ein einzigartiges Geschmacksspektrum offenbart. Spätestens beim himmlischen Apfel-Macaron, mit der eleganten Wasabi-Note, haben wir den Kamera-Schock komplett vergessen.
Karotte mit Joghurt, Koriander & Curry [10/10]
Grossartig geht es weiter. Gekonnt wird hier mit Temperaturen und Konsistenzen gezaubert. Das Resultat ist nicht nur absolut Wohlschmeckend, sondern auch spannend und facettenreich – grossartig!
‚Japanisches Meer‘ [9/10]
Als nächstes serviert man uns in einem weissen Porzellan ein Sammelsurium aus dem Meer. Und so betörend es riecht, so schmeckt das elegante Gericht auch. Wir probieren uns durch verschiedene Muschelarten und staunen nicht nur ab der Produktqualität, sondern auch über die meisterliche Zubereitung. Überglücklich versinken wir im Sessel und hoffen inständig, dass der Abend noch lange nicht zu Ende sein wird.
Gänseleber mit Café, Nuss & Rote Früchte [10/10]
Absolut gigantisch dann die Gänseleber-Praliné im Kaffee-Mattel mit gerösteten Haselnüssen. Das Juwel schmilzt auf der Zunge förmlich dahin und setzt das göttliche Aroma frei. Dazu gibt es ein perfekt temperiertes Gänseleber-Eis. Zum niederknien.
Abgeschlossen wird die eindrückliche Ouvertüre von Yellow Fin Tuna mit Avocado & Japanischer Essenz [7/10] mit einer herrlichen Säurenote, sowie einem süffigen Chawanmushi mit Schnecken & Chinesischem Schnittlauch [8/10].
Wir sind am Ende des Prologs angelangt und staunen, mit welcher Lockerheit Christian Bau hier ein Highlight an das Andere reiht. Ein Lehrstück auch für diejenigen Köche die glauben, man müsse den Gast zum Start quantitativ einlullen und dabei den Wohlgeschmack völlig aus den Augen verlieren.
Mit dem „Japanische Stein- & Gemüsegarten“ [10/10] beginnt der Hauptteil der „Voyage Culinaire“. Dies ist zugleich eines der schönsten uns jemals servierten Gerichte. Und zum Glück sieht es nicht nur episch aus, sondern schmeckt auch so. Mit grosser Hingabe probieren wir uns quer durch den Teller und kombinieren die unzähligen Zutaten zu immer neuen Geschmacksfeuerwerken. Dabei halten wir immer wieder inne und tauchen förmlich in den Teller ein. Ein absolutes Kunstwerk.
Da hat es jedes Nachfolgegericht schwer. So auch der Taschenkrebs [6/10], der zwar sehr gut schmeckt, aber das extrem hohe Niveau nicht halten kann. Zwar gefällt uns auch hier die liebevolle Optik, doch kann sich der subtile Hauptakteur geschmacklich nicht gegen die dominanten Aromen der Gurke durchsetzen. Da kann auch die grosszügige Nocke Kaviar nichts retten.
Mit der Japanische Gelbflossenmakrele [8/10] folgt ein Signature-Dish von Christian Bau. Dieser bringt das Menü wieder zurück auf die Gewinnerstrasse. Auf den Teller befinden sich rohe Tranchen von der Makrele, die von getrocknetem Ingwer und einem Hauch von Zitrusfrüchten, begleitet wird. Ein sehr harmonisches, elegantes und eindrucksvolles Gericht. (Kein Foto)
Der Grüne Spargel von ‚Monsieur Robert Blanc‘ [10/10] ist dann ein Gericht für die Ewigkeit. Im Zentrum stehen die aromatischen Spargeln vom berühmten Spargel-Bauer aus der Provence. Bau veredelt das hervorragende Produkt und zaubert daraus ein veritables Meisterwerk. Dazu ergänzt er das Gericht mit Säure und Süsse. Ersteres stammt vom Gewürz-Sumach, welches dezent auf dem Teller liegt. Die Süsse kommt von einer perfekt dosierten, karamellisierte
n Miso. Dazu serviert man uns eine luftige Yuzu-Hollandaise die ihresgleichen sucht. Kaum zu glauben welche Emotionen drei „einfache“ Spargeln auslösen können.
Ebenfalls grossartig ist dann die Langoustine³ [9/10]. Das wohlschmeckende Krustentier wird zum einen mit würziger Macadamia serviert. Daneben finden wir das edle Tier fein geschnitten, umhüllt mit Lardo. Als krönender Abschluss gibt es die Langoustine (Kaisergranat) als himmlische Praline. Abgerundet wird das Ganze mit Frühlingszwiebeln, Pok-Choi, Favabohnen, sowie einer wunderbaren Sauce.
Der Steinbutt [7/10] ist perfekt gegart und liegt in einem süchtig machenden Sud mit angenehmer Säure. Die dünne Scheibe „Buddhas-Hand“ versprüht eine erfrischende Zitrusnote. Ein starkes Gericht.
Während bei den bisherigen Gerichten die asiatischen Einflüsse für den entscheidenden Kick sorgten, setzt man bei den Hauptgängen eher auf eine klassische Zubereitung. So auch beim Rehrücken aus der Eifel [8/10] der sehr bunt daher kommt. So finden wir neben dem geschmacksvollen Wild, eine leuchtend grüne Frühlingsrolle aus Wirz und knallrote Kirschen mit einem brillanten Pfeffer-Aroma. Dazu kredenzt man eine charaktervolle Sauce und serviert Zwiebeln in verschiedenen Konsistenzen. Ein ausgezeichneter Hauptgang. (Kein Foto)
Als pré Dessert serviert man uns mit dem Mascarpone / Mango & Kokos / Rote Shiso-Infusion [10/10] ein erstes Highlight aus der Pâtisserie. Ein himmlisch-fruchtiges Dessert, bei dem wir uns mit dem Löffel wie Archäologen auf einer neuen Fundstelle, akribisch vorantasten. Dabei kombinieren wir die verschiedenen Bestandteile und werden mit wuchtigen Geschmacksexplosionen belohnt. Diese entführen uns gedangklich auf eine noch nicht entdeckte Insel. Ein Lehrstück, wie ein Dessert zu schmecken hat.
Ebenfalls traumhaft ist das zweite Dessert mit Beeren / Calpico / Sake / Limone [9/10]. Dieses ist zwar üppig portioniert, aber wiederum angenehm leicht und äusserst geschmackvoll und mit vielen spannenden Texturen.
Das letzte Dessert ist die Valrhona Schokolade `bau.stil.´ [9/10]. Eine exzellente Manjari-Canache mit Erdnusscrème und Caramell, sorgen für eine fabelhafte Neuinterpretation des Snickers. Dazu gibt es ein leicht gesalzenes, herrliches Caramel-Eis.
Sweeties [10/10]
Zum grande Finale serviert man uns unzählige Süssigkeiten wie „Himbeer-Cheesecake“, „unsere Yogurette“, Yuzu-Praline und weiteres mehr. Diese sind allesamt auf höchstem Niveau und zudem fantasievoll und filigran zubereitet. Ein würdiger Abschluss eines grossartigen Menüs. (Keine Fotos)
Fazit: Christian Bau ist ein grossartiger Koch. Seine Leidenschaft fürs Kochen spürt man bei jedem Bissen. Seine Kompositionen sind nicht nur wahre Bijous, sondern auch kulinarisch perfekt arrangierte Gerichte. Was beim Gast so locker daherkommt, ist das Ergebnis einer passionierten und ehrgeizigen Arbeit. Christian Baus Begeisterung für die asiatische Küche ist für den Gast ein weiterer Glücksfall, da man mit vielen neuen Geschmackskombinationen überrascht wird. Wir waren vom Besuch im Victor’s Gourmet-Restaurant Schloss Berg restlos begeistert und hatten auf der langen Rückreise noch viel zu träumen. Schade nur, dass sich die grossartige Kochkunst nicht auf alle Gäste abfärbt und die Stimmung im Restaurant eher streng ist. Zum Glück konnte Yildiz Bau mit ihrer offenen Art, der eher beklemmenden Stimmung etwas entgegenwirken. So oder so, Christian Baus Restaurant ist eines der Besten auf der Welt und gehört auf die Todo-Liste eines jeden Gourmets.
Hinweis: Die Kamera muss zu Hause bleiben. Im Restaurant sind nur Fotos mit dem Smartphone erlaubt.
Menü: Die grosse „Voyage Culinaire“ wird aktuell mit 198 € verrechnet. Diese kann man mit einem zusätzlichen Überraschungsgericht (30 €) oder mit Käse von Maître Antony (22 €) ausbauen. Die „Carte Blanche“ in vier Gängen kostet 130 €, in fünf Gängen 145 € und in sechs Gängen 175 €.
Online: Die Website des Hotels wird dem Spektakel im Restaurant nicht gerecht. Immerhin findet man darauf die wichtigsten Informationen und das aktuelle Menü. Viel emotionaler ist da Christian Baus eigene Website.
Wertung: Gourmör / Michelin
/ Gault-Millau
(Besucht im Mai 2014)
Liebe Gourmör,
wir waren diesen Spätsommer auch bei Christian Bau und waren, wie Sie, hell begeistert über seine Kreativität und Kochkunst. Im Gegensatz zu Ihnen hatten wir einen sehr lockeren Abend und haben uns mit dem Nebentisch gut unterhalten über Essen, Weine und andere Restaurants. Beim Abschied auch noch mit Herrn und Frau Bau längere Zeit trotz sehr fortgeschrittener Zeit.
Walter Meier
Vielen Dank für den wertvollen Beitrag. Schön zu wissen, dass es im Restaurant nicht an jedem Abend so mucksmäuschenstill ist. Kulinarische Grüsse.