Segreto, Wittenbach

Bei jeder Ausgabe eines neuen Guide Michelin schaut man nicht nur gespannt auf die Sterne Restaurants sondern auch auf die „Hoffnungsträger“. Diese wenigen Restaurants werden vom Inspektorenteam im darauffolgenden Jahr besonders genau getestet. Denn diese Restaurants haben bei gleichbleibender Leistung eine grosse  Chance auf einen Michelin Stern (respektive auf einen zusätzlichen Stern). Es ist auch möglich ein Restaurant zwei Mal in Folge als „Hoffnungsträger“ zu markieren. So zum Beispiel passiert beim Restaurant Schauenstein in Fürstenau welches nach zwei Jahren als Hoffnungsträger, in der 2011er Ausgabe den 3. Stern erhalten hat – übrigens der Einzige neue 3 Sterner in Europa in diesem Jahr!

Das Restaurant Segreto in Wittenbach bei St. Gallen ist eines von zwei Restaurants welche in diesem Jahr als Hoffnungsträger für einen Stern fungieren. Das Küchenteam rund um den Deutschen Martin Benninger werden deshalb dieses Jahr besonders Gas geben, im Wissen so kurz vor einem Stern zu stehen. Als „Hoffnungsträger“ zu gelten wird sie auch über die Abstufung auf 14 Punkte durch den Gault-Millau hinweg trösten. Ich wollte wissen wie die gehobene Italienische Küche im Segreto schmeckt und habe einen Tisch für einen Business Lunch reserviert.

Das stilvolle und moderne Restaurant sieht schon von aussen sehr einladend und interessant aus. Vom professionellen Gastgeber Alberto Provenza wurden wir herzlich begrüsst und an einen der wenigen Tische begleitet. Diese stehen mit grossem Abstand voneinander was sehr angenehm ist. Da ich zuerst nur für eine Person reserviert hatte, musste ein zusätzliches Gedeck aufgetischt werden. Dazu hatte der Maître weisse Handschuhe angezogen. Auch der restliche Service war tadellos. Die einzelnen Gänge wurden vorbildlich aufgetragen und vorgestellt, regelmässig nachgeschenkt, nachgefragt – kurz wir wurden richtig verwöhnt. So stark, dass wir am liebsten den ganzen Nachmittag sitzen geblieben wären.

Auf der Karte findet man einen preiswerten Business Lunch. Man wählt dabei aus drei verschiedenen Vorspeisen und zwei Hauptgängen (zusammen Fr. 38.-) und erhält für 10 Franken noch ein Tagesdessert. Daneben hat es noch eine kleine à la carte Auswahl, ein Auszug aus der Abendkarte. Ich habe mich für das Mittagsmenü entschieden.

Doch vor der Vorspeise wird das Brot gereicht. Man hat die Qual der Wahl von Brötchen mit Tomaten, Bärlauch, Oliven, Vollkorn und einigen mehr. Dazu erhält man drei verschiedene Dips auf den Tisch. Dies waren Mousse von der Bodensee-Forelle mit Oliven, gesalzene Appenzeller-Butter sowie Ricotta mit Baby-Rüebli. Ein toller Auftakt! Die Forelle mit Oliven harmonierte perfekt, der Ricotta-Dip passte wunderbar zu den knackigen Rüebli. Die Butter war für meinen Geschmack zu wenig gesalzen.

.

Ein grosses Fragezeichen beim Gruss aus der Küche! Was haben Spargeln mitten im März auf einem Teller zu suchen? Für mich macht es überhaupt keinen Sinn die Spargelsaison 6 Wochen früher durch Importe einzuläuten. Das bedeutet, dass man bis zur eigentlichen Saison schon genug davon hat. Ich verstehe, dass der Monat März für Köche schwierig ist (jeder hat genug vom Wintergemüse doch der Frühlingsnachschub ist noch nicht da) aber da muss man eine andere Lösung finden. Jedenfalls lag vor uns ein Spargelschaum / Pochiertes Wachtel Ei mit Spargelspänen. Eins muss man dem jungen Koch lassen, die Spargeln hatten einen intensiven Geschmack und waren nicht so wässrig wie übliche Importware. Das Wachtel Ei harmonierte gut mit den Spargeln, der Schaum war in Ordnung.

.

Das Bruschetta mit Flusskrebsen wurde serviert. Der Ruccola hatte ein feines Dressing. Das Brot war knusprig, die Tomaten sehr gut abgeschmeckt, die Flusskrebse passten gut. Das einzige Problem waren die WMF Messer welche zwar optisch sehr schön aussahen aber Mühe hatten sich durch das Brot zu schneiden.

.

Gebratene Perlhuhnbrust mit grünem Spargel und Parmesan war der Hauptgang oder Secondi, wie es auf der Karte heisst. Wiederholungen sind nie spannend. Deshalb fand ich das Wiedersehen mit dem Spargel nicht sehr originell. Ebenfalls total überflüssig war der Air der nach Spargeln schmecken sollte es aber nicht tat. Die Spargel war gut zubereitet, der Parmesan kam Geschmacklich aber nicht durch. Die grösste Enttäuschung war aber die Sauce die gar keinen Charakter hatte. Immerhin war das Perlhuhn schön zart zubereitet und konnte mit dem extra gereichten Fleischmesser problemlos zerkleinert werden.

.

Als Beilage wurde ein Schälchen mit Kartoffel-Gratin gereicht. Der Geschmack war eigentlich sehr fein jedoch war das Ganze viel (!) zu trocken. Dabei war die Sauce auf dem Teller total angetrocknet. Lag der Gratin zu lange unter der Wärmelampe oder zum wärmen im Ofen? Sehr schade!

.

Noch einmal ein Schock bei der Erläuterung des Tagesdesserts: Cheescake mit frischen Erdbeeren (!!). Ow nein, nicht auch noch!! Da wir uns die schönen Desserts die wir am Nachbartisch erspäht hatten nicht entgehen lassen wollten, orderten wir etwas von der Karte. Ich entschied mich für das Schokoladen-Pavé mit Szechuanpfeffer-Eis an einer Ananassauce. Ein geniales Dessert!! Die beiden Schokoladenstücke hatten einen richtig intensiven Geschmack. Die Konsistenz war ebenfalls perfekt. Das Pfeffer-Eis war ein wunderbarer Kontrapunkt und die knusprigen Schokobrösmeli die zwischen den beiden Pavés verstreut waren, gaben noch den crispy Effekt.

.

Zusammen mit dem Kaffe wurden auch noch Pralinen aufgetischt. Das weisse Praliné mit Cranberry schmeckte wunderbar frisch, das Tequille-Gelee mit Salzkruste war witzig aber schon sehr salzig. Auch die butter Bisquit waren fein – ein schöner Abschluss!

.

Fazit: Ein schönes Restaurant, ein Gastgeber der seinem Namen alle Ehre macht, wunderschönes Geschirr und Besteck (sogar die Gläser sind stilvoll mit „Segreto“ beschriftet) und ein motivierter Koch der in seiner jungen Laufbahn bereits in hoch dekorierten Restaurants arbeitete (u.a. Fischerzunft, Schaffhausen * / Residenz Heinz Winkler, Aschau ** / La Pergola, Rom ***). Eine hoch interessante Zusammensetzung, trotzdem ging ich punkte Kulinarik mit gemischten Gefühlen aus dem Restaurant. Die positiven Punkte waren die feinen Dips und das gereichte Brot sowie der Abschluss in Form des wunderbaren Desserts sowie den feinen Friandises. Die Gerichte dazwischen hinkten dem Rest hinterher. Das Bruschetta war fein, aber nicht auf einem Sterneniveau. Auch der Gruss aus der Küche konnte mich nicht begeistern. Am schwächsten war aber klar der Hauptgang der zwar sehr schön angerichtet war aber sonst einfach nicht überzeugte: schwache Sauce, überflüssiges Air, fehlender Parmesan Geschmack, trockener Gratin und dann halt das falsche Gemüse – obwohl dieses sehr gut zubereitet wurde und gut schmeckte.

In dieser Form ist das Segreto in meinen Augen kein Hoffnungsträger für einen Michelin Stern. Die entscheidende Frage ist jetzt nur ob es am Mittagsmenü lag. Dafür sprechen würde die Tatsache, dass in vielen Restaurants die günstigeren Mittagsmenüs nicht in derselben Liga spielen wie die Gerichte am Abend. Das Dessert aus der regulären Karte hat mich ja sehr begeistert. Ebenfalls die Pralinen welche sicher auch beim Abendservice zum Zuge kommen. Auf der anderen Seite bin ich aber der Meinung, dass man als Koch dieser Klasse auch einfachere Essen im Griff haben muss. Ein Kartoffelgratin darf gar nie so ausgetrocknet aufgetischt werden. Zudem müssen die Saucen eine Aussage haben und nicht auf dem Teller antrocknet. Im Herbst werden wir wissen welche Meinung die Herren und Damen des Michelins haben, ich bin gespannt.

Die Homepage ist vorbildlich. Man findet darauf die Menüs, die Weinkarte und andere Infos.

Wertung: Gourmör  / Michelin (*) /Gault-Millau

Werbung

2 Gedanken zu “Segreto, Wittenbach

  1. Ich bin ein bisschen verwirrt. Segreto ist ja ein mediterranes Restaurant und natürlich greift ein solches Restaurant auf „Importware“ zurück. Wieso kritisiert man den Koch wenn er hervorragende weisse Spargeln (Sie sagen ja selber sie waren sehr gut) verwendet zu einem Zeitpunkt wo sie im Süden erhältlich sind ? Wieso müssen alle Restaurants gleichzeitig das gleiche servieren ? Wieso darf der Koch das nicht auf den Tisch bringen was er in sehr guter Qualität findet ?

    Über die Qualität des Perlhuhnbrust Gericht kann ich nicht berichten, da ich sie noch nie probiert habe. Die Gerichte die ich von Martin Benninger im Segreto bis jetzt probieren konnte, zeigen ein Können der Meditterranen Küche die man in der Schweiz vergebens sucht und mich immer wieder ins Segreto zurueckbringen wenn ich in der Schweiz bin.

    Ist eine Bruschetta „Sternenniveau “ ? Gute Frage. Was ist schon „sternenniveau“?
    Die besten Köche sieht man bei den einfachen Gerichten weil man dort jeden Fehler sieht. Nehmen Sie sein „Vitello Tonnato“ das einfach unglaublich faszinierend ist. Wer macht schon sowas auf diesem Niveau ob Sternenlokal oder nicht ?

    In einer Kochwelt wo man dauernd den Gast mit Komplexität verwirrt , ist vielleicht auch wieder Einfachheit gefragt. Vielleicht liegt dort die Kunst (und auch die Faszination der mediterranen Küche ) . Schade wäre wirklich wenn Benninger jetzt die mediterrane Küche und deren Einfachheit verlässt (die man in den 1 stern lokale in Italien scheinbar eher zu würdigen weiss ) und sich einer verschnörkelten Küche widmet nur um Kritiker zu begeistern. Mein Applaus hätte er sicher nicht mehr.

    • Vielen Dank für den Beitrag!
      Oh nein, ich hoffe auch nicht, dass Benninger seine Küche verändert nur um irgend jemandem zu gefallen. In meinen Augen ist seine Küche übrigens schon genug „verschnörkelt“ aber im postivien Sinne. Wie man auf den Fotos sieht präsentiert er seine Gerichte sehr ansprechend.

      Das mit den Spargeln ist halt so eine Sache. Ich brauche im März schlicht keine Spargeln und ich finde es deplatziert wenn es draussen kalt ist, es regnet aber ein Koch auf biegen und brechen dieses Gemüse importieren muss. In meinen Augen hat ein Koch auch eine gewisse Vorbildfunktion und muss mit der Saisonalität umgehen können. In der Schweiz muss man viele Lebensmittel importieren. Aber braucht ein mediterranes Restaurant Gemüse welche es ein paar Wochen später auch in der Schweiz gibt? Aber wie gesagt, die Spargeln schmeckten.

      Sternenniveau? Es muss einfach richtig fein sein und ein bisschen besser schmecken als sonst überall. Das Dessert spielte in dieser Liga. Der Hauptgang, eben vorallem der Gratin war von dem weit weg. Das Bruchetta war fein, aber auch nicht mehr. Es fehlt das gewisse etwas um nochmals eins essen zu wollen.

      Wie ich aber im Beitrag geschrieben habe, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Qualität bei den à la carte Gerichten noch besser ist.

      Kulinarische Grüsse, pesus

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s