Seerestaurant Belvédère in Hergiswil

Vor drei Jahren zauberte uns Fabian Inderbitzin ein dermassen gutes Menü, dass wir ihm innerhalb von wenigen Jahren einen Michelin Stern prognostizierten. Damals kochte der junge Schwyzer im ehrwürdigen Château Gütsch hoch über Luzern. Dabei schaffte er es, dass uns trotz dem wunderschönen Setting und der einmaligen Aussicht, am Ende des Abends vor allem seine Gerichte in Erinnerung blieben.

Das Abenteuer Gütsch endete leider viel zu früh und so suchte Inderbitzin eine neue Herausforderung, welche er im nahe gelegenen Hergiswil fand. Dort entstanden vor zwei Jahren luxuriöse Residenzen und im Erdgeschoss das Restaurant ‚Belvédère‘. Wir sind sehr gespannt wie sich Inderbitzin in den letzten Jahren weiterentwickelt hat und ob sich unsere Michelin-Prognose bald bewahrheiten wird.

Von Aussen ist das ‚Belvédère‘ recht unscheinbar. Lediglich eine Tafel an der Dorfstrasse macht auf das Restaurant mit „Genuss am See“ aufmerksam. Innen steigt zuerst der Geruch der neuen Einrichtung in unsere Nasen. Bald weicht dieser jedoch dem Duft von feinen Gerichten aus der Küche – die Vorfreude steigt. Die Einrichtung ist sehr modern, der Blick auf den See malerisch. Ein umgänglicher Servicemitarbeiter nimmt uns in Empfang und führt uns zu unserem Tisch. Dabei gehen wir an einer einladenden Lounge vorbei und notieren uns, beim nächsten Besuch dort einen Apéro zu geniessen.

Die Tische im Restaurant werden durch einen Weinschrank in zwei Kategorien geteilt. Im vorderen, kleineren Bereich ist das Seebistro. Hier werden alltägliche Gerichte wie Hackbraten, Tatar oder auch ein Caesar’s Salad serviert. Selbstverständlich auch hier alles frisch und hausgemacht. Bei den hellgrau gedeckten Tischen im hinteren Teil, werden Inderbitzins Gourmet-Kreationen aufgetischt.

Trotz der stilvollen Einrichtung und dem direkten Blick auf den Vierwaldstättersee (wenn möglich Fensterplatz buchen!) herrscht hier eine lockere Atmosphäre. Das Serviceteam ist jung, unkompliziert und macht einen sehr guten Job. Einzig das fast leere Restaurant ist ungewohnt und kratzt etwas an der Stimmung. Wie uns die Kollegen von Küchenreise aber bestätigen, war das Belvédère eine Woche später voll besetzt.

Von unserem Tisch haben wir einen guten Blick auf die Terrasse, auf der wir vor ein paar Monaten während unserer „Sternensuche“ sassen. Heute ist es dafür viel zu kalt. Der See ist dadurch aber nicht minder eindrücklich. Die Regenwolken hängen schon fast bedrohlich zwischen den Bergen – hier und da gibt es eine Hoffnung bringende Aufhellung. Für uns der perfekte Moment um hier im Warmen zu sitzen und sich auf ein schönes Menü zu freuen.

Wir bestellen den Apéro und erhalten die übersichtliche Speisekarte gereicht. Darin finden wir neben einer sehr kleinen Auswahl an Belvédère-Klassikern, auch das Menü. Dazu sind 14 Komponenten mit jeweils zwei bis drei zusätzlichen Ingredienzien aufgeführt. Wir haben nun die freie Wahl, aus diesen Gerichten unser eigenes Menü zusammen zu stellen. Auch der Umfang – zwischen zwei bis acht Gängen – obliegt unserer Entscheidung. Uns gefällt dieses Konzept, welches wir bereits vom ‚Annex‚ kennen, sehr gut!

Während wir noch über der Speisekarte brühten und mit der Auswahl unserer 8 Gänge beschäftigt sind, erhalten wir als kulinarische Einstimmung ein paar Apéro-Häppchen.

Häppchen [7/10]

Wir beissen in das frittierte Maispoularde-Bällchen und werden von einer extrem saftigen und zarten Füllung überrascht. Dagegen wirkt jedes vorher gegessene Chicken-Nuggets zäh und fad.

Auch für das Samosa gibt’s nur lobende Worte – die orientalische Gewürzfüllung entführt uns für einen Augenblick in eine andere Welt, bevor wir behutsam wieder in Hergiswil abgesetzt werden. Nach diesen intensiven Aromen hatte es das Rinds-Tatar mit roher Birne sehr schwer und viel dann auch ab.

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Brot

Die selbst gebackene Brotauswahl überzeugt. In die luftigen Brötchen aus 3 jährigem Sprinz verlieben wir uns auf der Stelle – wow! Aber auch das knusprige Sauerteigbrot hätten wir gerne jeden Morgen auf dem Frühstückstisch.

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Variation vom Kaninchen [8/10]

Gleich zum Menüauftakt zieht die fünfköpfige Küchenbrigade alle Register und präsentiert uns ein ganz starkes Gericht. Dabei tasten wir uns über den ganzen Teller und entdecken das Kaninchen in verschiedenen Kompositionen. Mal als Terrine, als Mousse in einem knusprigen Röllchen oder dann als ganzes Stück mit einem Hauch von Curry. Die Aromen sind durchwegs klar – hier und da funken orientalische Gewürze auf. Rundum toll und das bei einer sehr anmutender Optik!

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Foie Gras / Balsamico – Grüner Apfel – Brioche [8/10]

Die Show geht weiter. Auf dem Teller liegt eine wunderbare Entenleber-Terrine, welche als sauren Gegenpool, einen Hauch von Granny Smith-Gelée eingebettet hat. On top ein zart schmelzendes Entenleber-Mousse. Dieses zergeht auf der Zunge und gibt dieses einzigartige Aroma frei. Rund um das Gericht sorgen Apfel und Balsamico-Apfel Tupfer für die Säure und Süsse – sehr stark arrangiert. Zu guter Letzt auch ein grosses Lob an das Brioche, welches klar zu den Besten gehört, die wir jemals geniessen durften.

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Melone / Rohschinken vom Molkenschwein – Tomate – Minze [6/10]

Hier ist die gelbe Melonen-Suppe der heimliche Star. Uns gefällt wie sie lediglich mit etwas Olivenöl abgeschmeckt wurde. Einzig ein Löffel fehlt uns um auch den letzten Tropfen geniessen zu können.

Die Kombination zwischen Wassermelone und Tomaten harmonierte leider weniger gut als erwartet. Dafür ist die Vermählung zwischen den Tomaten und der frischen Minze ein voller Erfolg. Diese Geschmackskombination hätte sogar noch etwas konsequenter ausfallen dürfen, denn der Minzengeschmack ist nicht bei allen Tomaten gleich präsent.

Der Rohschinken vom Molkenschwein wurde für einmal nicht um die Melonen gewickelt, sondern liegt separiert auf einem weiteren Teller. Optisch etwas ungewohnt, doch geschmacklich konnte das hauchdünne und nur leicht mit Pfeffer gewürzte Fleisch sehr überzeugen.

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Tagliatelle / Stanser Ziegenfrischkäse – Artischocken – Steinpilz [7/10]

Der nächste Teller ist ein Stilbruch und wir wähnen uns bei irgendeinem Italiener. Doch schon der erste Biss offenbart, das ist kein 08/15 Pasta-Teller sondern etwas Besonderes. Da wären zum einen die hausgemachten Tagliatelle, die man so viel zu selten serviert bekommt. Die Kombination mit dem Ziegenfrischkäse und der feinen Artischocke gab ein stimmiges Geschmacksbild. Die charismatischen Steinpilze setzen dem Ganzen die Krone auf – diese sind leicht gebraten und dadurch sehr intensiv – ganz stark.

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Challans Ente / Pfirsich – Entenleber – Fenchel [8/10]

Ein sehr fleischiges und abwechslungsreiches Gericht wird uns als nächstes geschickt. Die Ente ist kross gebraten, zart und dazu serviert man uns diesen stimmigen Entenjus. Die Höhepunkte sind zum einen die erstklassige Entenleber, welche perfekt zubereitet ist und zum anderen das Enten-Schalottenkonfit, welches schlicht atemberaubend schmeckt. Ganz stark! Einzig der Pfirsich wirkt in dem Gericht etwas deplatziert.

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Geeisste Maissuppe / Scampi – Tomate [7/10]

Die Präsentation der Suppe gefällt uns sehr gut. Wie bereits damals im ‚Château Gütsch‘ wird sie auch hier, erst am Tisch vollendet. Die kalte Maissuppe schmeckt zwar eher nach Curry – macht uns mit diesem Aroma aber genau so glücklich. Der eigentliche Maisgeschmack kommt dann durch die kleinen Maiskolben ins Spiel – diese schmecken wider erwartet sehr intensiv. Ebenfalls ganz stark die Scampi aus Südafrika, welche von allerhöchster Qualität sind. Als kleines Extra gibt es nochmals einen im Tempura, auf einem Spiess.

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Seeteufel / Minestrone-Sud – Ricotta-Ravioli [6/10]

Der mit Ricotta gefüllte Raviolo ist ein Gedicht! Der Seeteufel ist sehr gut zubereitet und von hoher Qualität. Die restliche Komposition ist dann aber etwas eindimensional und vermag nicht an die vielen hochklassigen Gerichte anzuknüpfen.

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Kalbsfilet / Aprikose – Lauchzwiebel – Polentagebäck [5/10]

Auch das Hauptgericht ist fein, kann uns aber nicht uneingeschränkt begeistern. Das Fleisch ist einen Tick zu trocken und die Aprikose macht das Ganze für unseren Geschmack, etwas zu süss. Der stimmige Kalbsjus und das knusprige Polentagebäck stimmen uns trotzdem versöhnlich.

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Fabian’s Schokoladentörtchen [7/10]

Als Dessert wählen wir das Schokoladentörtchen aus der „Klassiker“- Karte. Dieses erinnert uns an Peter Gilmores Kreation, auch hier wird am Tisch etwas heisse Schokoladensauce über das Dessert geleert. Wegen einer kleinen Fehlkonstruktion bildet sich bei unserem Törtchen aber keine Einbuchtung. Egal. Geschmacklich ist es genau so wuchtig wie in Sydney, obwohl das Original, Dank den zusätzlichen Texturen, einiges spannender schmeckte. Dennoch gefällt uns dieses Dessert hier besser. Die Früchte und vor allem das geniale Erdbeereis, geben dieser Kreation eine viel bessere Balance.

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Friandises [8/10]

Zum Schluss wird nochmals ein grosses Feuerwerk gezündet. Alles auf dem Tisch ist von erstklassiger Qualität. Am meisten begeistern uns die Himbeer-Tarte und das Honiggebäck. Aber auch die Gelées und Macarons sind toll! So hochklassig sollte jedes Abendessen enden.

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Fazit: Es ist spannend zu sehen, wie Fabian Inderbitzin sich in den letzten Jahren weiterentwickelt hat. Den grossen Schritt den er dabei gemacht hat, ist offensichtlich. So sind die Gerichte noch präziser und aufwendiger, der Geschmack noch intensiver und das hohe Handwerk bei jedem Teller erkennbar. Der Michelin Stern ist klar verdient.

Inderbitzin steht mit viel Herzblut am Herd. Der sympathische Koch überlässt aber auch sonst nichts dem Zufall. Zu seinen Lieferanten pflegt er eine gute Beziehung. So kommt er nicht nur in den Genuss von Raritäten wie zum Beispiel dem 5 jährigen Sprinz, sondern auch zu gut abgehangenem Fleisch und den begehrten Fischen aus dem Vierwaldstättersee.

Optimierungsmöglichkeiten gibt es aber auch. So empfehlen wir die schöne Lounge besser zu nutzen. Es wäre stimmungsvoll wenn man dort den Apéro und die Häppchen geniessen könnte. Weiter wäre es für den Spannungsbogen im Menü wichtig, dass die Gänge, die alle am Tisch ausgewählt haben, auch zusammen serviert würden. Der Überraschungseffekt fehlt, wenn man ein Gericht bereits vorher beim Gegenüber gesehen hat.

Interbitzin war schon damals in Luzern ein talentierter Koch, heute ist er ein ganz Grosser. Die Zentralschweiz ist mit dem ‚Belvédère‘ um ein Gourmetrestaurant reicher. Wir hoffen, dass freie Tische bald der Vergangenheit angehören. Ein Lokal in dem alle Mitarbeiter mit so viel Passion arbeiten und solch tolle Gerichte zaubern, hat es verdient jeden Abend ausgebucht zu sein.

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Menü: Am Abend gibt es eine kleine Karte mit einer handvoll Gerichten, sowie das Menü in 2 – 8 Gängen. Dieses kann man sich selber zusammenstellen. 2 Gänge 79.- / 3 Gänge 94.- / 4 Gänge 108.- / 5 Gänge 124.- / 8 Gänge 158.-

Das Essen dauerte 4 Stunden

Preistipp: Im Seebistro gibt es jeden Abend einen 5 Gänger inkl. Wasser, Kaffee und Wein für sehr fair kalkulierten 97 Franken!

Wein: Wir wünschten eine Weinbegleiung welche uns für 81 Franken verrechnet wurde:

Château Haut Mayne Sauternes AC 2009 – Bordeaux
Sauvignon Blanc Franz Haas 2010 – Alto Adige
Chardonnay Planeta 2009 – Sizilien
Le Volte Tenuta dell’Ornellaia 2010 – Toscana
Pinot noir Héphaïstos Cave Emery 2011 – Wallis
Terra di Monteverro 2009 – Toscana
Moscato d’Asti

Online: Die Website bietet viel Potential nach oben. Man findet darauf zwar die aktuelle Speisekarte und Presseberichte, doch uns fehlen Bilder vom Restaurant und von den Gerichten.

Tipp: Im Sommer tafelt man auf der schönen Terrasse. In den kalten Jahreszeiten bucht man am besten einen Tisch an der Fensterfront. Dadurch hat man nicht nur Sicht auf die schön präsentierten Speisen, sondern auch auf den See und die ihn umgebenden Berge.

Wertung: Gourmör / Michelin / Gault-Millau

(Besucht im September 2012)

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Bilder von unserem Besuch im Seebistro im August 2013:

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Bilder vom Besuch des Gourmetrestaurant im Juni 2014

Kürzlich genossen wir beim Sternekoch Fabian Inderbitzin ein ausgezeichnetes Abendessen. Seine Gerichte sind äusserst geschmacksvoll und spannend. Gepaart mit der phänomenalen Aussicht, bleibt dies ein unvergesslicher Abend. Wir können einen Besuch in Hergiswil wärmstens empfehlen.

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_2Die Apéro-Häppchen: Sushi – Sprienz-Gebäck – Eierschwämmli

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_3Das Amuse Bouche mit hausgemachtem Frischkäse

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_4Hamachi Tuna – Gurke – Daikon-Rettich – Apfel

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_5Langustine – Kartoffel-Stein – Spinat – Zitrone

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_6Foie Gras – Melone – Pistazie – Brioche

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_7Kartoffel-Consomée – Eigelb – Zwiebel – Quinoa

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_8Lammkotelette – Lamm-Konfit – Kräuter-Crumbles

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_9Das feine Belvédère-Frites wurde zur Lammkotelette serviert

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_11Eisbombe – Bergamotte – Frischkäse – Amarena Kirschen

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seerestaurant_belvedere_hergiswil_fabian_inderbitzin_12Friandises

Annex in Weggis

Des öfteren bekommt man den Ratschlag Restaurants mit Seesicht meiden, denn dort werde schlecht gekocht da die Gäste wegen der Aussicht sowieso kommen. Etwas Wahres hat die Aussage zwar dran, selbstverständlich gibt es aber auch viele Lokale bei denen die servierten Speisen der Aussicht in nichts nahe stehen.

Das Restaurant ‚Annex‘ steht an einer solch exponierten Seesicht-Lage. Als Gourmetrestaurant des 5 Sterne Hotels „Park Weggis“ (zum Hotel-Bericht) zählt es seit langem zu den besten Adressen der Region. Auch die Fachpresse lobt die asiatisch-mediterrane Küche von Renee Rischmeyer und seiner vierköpfigen Brigade seit Jahren in höchsten Tönen. Wir besuchten das Hotel vor ein paar Wochen auf unserer Sternensuche und studierten bei einem Espresse die Speisekarte. Diese war so vielversprechend geschrieben, dass wir umgehend einen Tisch reservierten.

Im Juni war es dann so weit. Das Quecksilber klettert an diesem Tag erstmals in diesem Jahr auf 28 Grad und da die angekündigten Gewitterwolken fern bleiben, deckt die ‚Annex‘-Crew auf der Terrasse auf. Unter weissen Sonnenschirmen und mit einem etwas eingeschränkten Blick auf den See, geniessen wir einen erfrischenden Apéro. Der Service zieht uns von Beginn weg in seinen Bann. Das Team um Simone Bohner schafft die perfekte Balance zwischen Professionalität und einem unkompliziertem Umgang.

Dem Gast stehen zwei 9 Gänge Menüs zur Auswahl. Daraus kann jeder am Tisch sein eigenes Menü zusammenstellen. Dazu wählt man zwischen 4 bis 9 Speisen. Praktisch, die Küche staffelt die Gänge so, dass die Speiseabfolge Sinn macht und, dass die Gänge, welche von der ganzen Tischgesellschaft ausgesucht wurden, auch zusammen serviert werden. Übrigens: Da es extrem schwierig ist, sich für seine Gerichte zu entscheiden, empiehlt es sich im Voraus das Menü zu studieren. Dieses findet man immer aktuell auf der Hotel-Homepage.

Während wir noch unsere 9 Gänge aussuchen, serviert man uns die Apérohäppchen und annoncierte sie uns als:

Kaninchen Variation [5/10]

Wir starten mit dem gebratenen Filet auf Mozarellacreme – die Komposition ist sehr geschmacksvoll und gefällt uns sehr. Als nächstes geniessen wir das knusprige Cornet welches mit gut abgeschmecktem Kaninchentatar gefüllt ist. Der Kaninchen-Spiess geriet wegen dem Weissbrot zu trocken, einzig der Frühlingslauch gab eine gewiss Frische.

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Brot

Acht verschiedene, hausgemachte Brote werden uns als nächstes auf den Tisch gestellt. Die Brötchen sind tadellos, jedoch geschmacklich etwas zurückhaltend – lediglich das Speckbrot kann uns uneingeschränkt begeistern. Dafür können wir uns an den Aufstrichen nicht satt essen. Vor allem der mit Bärlauch verfeinerte Hüttenkäse trumpfte auf. Aber auch die spannende Erdbeer / Rhabarber Kombination gefällt uns ausgesprochen.

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Nun tritt Sommelier Martin Kern an unseren Tisch. Der gebürtige Österreicher ist Herr über 2’600 Weinpositionen; ein Schweizer Rekord, keine Weinkarte ist hierzulande grösser, kein Weinkeller beherbergt mehr Flaschen (ca. 53’000). Martin Kern ist äusserst sympathisch und ein wahrer Profi. Während alle Gäste um uns herum ganze Flaschen bestellen, beauftragen wir Kern uns eine Weinbegleitung zusammen zu stellen. Dies freut ihn sichtlich. Mit einem Lächeln auf den Lippen verschwindet er im Keller und stellt uns danach die passendste Weinbegleitung zusammen die wir jemals hatten.

Zum nun servierten Amuse kredenzt er uns einen wunderbaren Petite Arvine aus dem Wallis.

Nordseekrabben auf Kartoffel-Kresse-Stampf und Sake-Rührei [-/10]

Der Gruss aus der Küche ist eine Hommage an Renee Rischmeyers Heimat, hoch im Norden von Deutschland. Uns gefällt zwar die konzeptionellen Zusammensetzung, geschmacklich will das Gericht aber nicht überzeugen. Die Kresse ist zu überproportioniert, die Krabben zu zurückhaltend im Geschmack und das Rührei zu fad. Etwas konsterniert nehmen wir den letzten Schluck Weisswein und hoffen auf geschmacklich überzeugendere Gänge.

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Lauwarmes Langustinen-Carpaccio auf Kokos, Wakame, Mango und Wasabi [9/10]

Die Hoffnung erfüllt sich sogleich, denn mit dem Langustinen-Carpaccio wird das Highlight des Abends serviert. Die Optik ist extrem detailliert, das Geschmacksbild unbeschreiblich vielfältig. Zuerst schmeckt man das feine Krustentier. Danach wird der Gaumen von einem leichten Kokosnussgeschmack eingehüllt, bevor dann eine dezente Sojanote für einen zusätzlichen Akzent sorgt. Eine weitere Offenbarung ist die reife Mango welche in einer dünnen Scheibe auf dem Gericht liegt. Um den süssen Komponenten einen Gegenpol zu geben, setzt Rischmeyer zwei Nocken Kaviar auf das Gericht und lässt vom Service Team frischen Wasabi über den Teller raffeln. Dieser Gang ist extrem facettenreich und geschmacksintensiv. Ein Gericht bei dem man auf Aroma Entdeckungsreise gehen kann – absolut genial!

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Hummerrücken an Avocado, Wassermelone, Rucola, Olive und Holunderblüte [5/10]

Nun geniesst der europäische Hummer unsere Aufmerksamkeit. Vom Krustentier gibt es den Rücken sowie dessen mehlige Schere. Diese Komposition kann mit dem vorhergehenden Teller nicht mithalten. Das grosse Manko ist die überproportionierte Wassermelone welche das ganze Gericht zu stark dominiert. Dabei müssen die drei Variationen vom Ruccola geschmacklich genau so kapitulieren, wie der Holunderblütenschaum. Die Melone separiert gegessen, machte dank dem tollen Röstaroma (die Melone wird durch das Braten leicht caramelisiert) richtig Spass.

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Mittlerweile wurde es dunkel auf der Terrasse. Der warme Sommerabend ist zwar zum geniessen schön, doch die aufwendig angerichteten Speisen verschwinden in der Dunkelheit. Da helfen auch die brennenden Fackeln nichts. Und so bitten wir um einen Tisch im Restaurant um dort das restliche Menü zu geniessen. Die Inneneinrichtung gefällt uns sehr gut. Rot- und Weisstöne dominieren, punktuell kommen goldene Elemente zum Einsatz. Wir werden an einen Tisch an der Fensterfront geführt, von hier haben wir eine wunderschöne Aussicht auf den Vierwaldstättersee.

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Zunge und Milken an neuen Kartoffeln mit flüssigem Eigelb und Parmesan [8/10]

Auch hier kann man sich an den diversen tollen Geschmackskombinationen nicht satt essen. Es passt einfach alles zusammen. Die Zunge und Milken sind perfekt zubereitet und deren tollen Eigengeschmack passen wunderbar zum Eigelb und vor allem zum rezenten Parmesan – ein Traum. Abgerundet wird das Gericht durch einen schönen Kalbsjus sowie einem tollen Kartoffelpüree!

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Wagyu-Entrecôte an asiatischem Gemüse und Mais [7/10]

Ein Japanischer, sehr subtiler Gang mit edlem Wagyu-Fleisch wird uns als nächstes serviert. Das Fleisch wurde nicht gebraten sondern nur leicht gegart. Rischmeyer verzichtet dabei auf Salz und Pfeffer und stellt somit das intensive Eigenaroma des Wagyu in den Vordergrund. Das mit Fett marmorierte Fleisch ist sehr Geschmacksintensiv, die Shitakeessenz ein Idealer, zurückhaltender Begleiter.

Der Gegenpol zum Fleisch bildet das asiatische Gemüse mit Mais. Auch diese Komposition passt hervorragend, ohne vom Wagyu abzulenken. Einziger Wehmutstropfen ist der sehr hohe Kauaufwand beim Fleisch, da die dünnen Fettstreifen wegen der sanften Zubereitungsmethode noch recht kompakt sind.

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Gebratene Entenstopfleber mit Erbsen, Passionsfrucht und Brunnenkresse [6/10]

Die Leber ist kross gebraten, die Erbsen und das Passionsfrucht-Eis passen sehr gut dazu. Trotz des eher schweren Hauptakteurs, ist dies ein recht erfrischender Gang und bietet, auch Dank des Entenleberjus, wiederum ein rundes, stimmiges Geschmacksbild. Lediglich die Sehne in der Leber trübt etwas unsere Freude.

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Sashimi vom Gelbflossen Thunfisch auf Passionsfruchtrisotto mit Pistazie, Basilikum, Tomate und Sepiolini [8/10]

Und gleich noch einmal Passionsfrucht – der Nachteil wenn man zwischen zwei Menüs jonglieren kann. Stören tut uns das aber reichlich wenig, denn auch dieses fruchtige Risotto ist eine Wucht. Die ‚Annex‘-Crew beweist bei der Passionsfrucht-Dosierung ein hervorragendes Händchen. Auch für den wunderbaren Tunfisch gibt es nur lobende Worte. Wie auch für die tollen Tomaten und den Basilikum. Zu guter Letzt soll auch die subtil gewürzte, wunderbar zarte Sepiolini erwähnt werden.

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Steinbuttfilet an Broccoli, Mandeln und Spanferkelbauchwürfel [8/10]

Fisch und Spanferkel? Beim Bestellen hatten wir noch unsere Zweifel. Der jetzt servierte Teller macht aber im höchsten Masse Spass. Die Kombination der beiden konträren Produkte bekommt von uns uneingeschränktes Lob. Der edle Fisch ist perfekt zubereitet und verfügt über den bekannten, leicht nussigen Eigengeschmack. Auf dem Fisch sorgen winzige Würfel vom Schweinebauch, leicht gehackte Tandorie Mandeln und ausgebackene Schweineschwarten für den knusprigen Biss – ohne den Steinbutt zu verfremden. Die Sauce, auf dem der Steinbutt gebettet ist, stammt ebenfalls vom Spanferkel und passt unerwartet toll zum Fisch. Einzig die etwas gar trockenen Schweinebauchwürfel geben Grund zur Kritik. Dies macht aber das süchtig machende Mandelpüree locker wieder wett.

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Salzwiesen Lammrücken mit Kichererbsen, Zuckerschoten, Aubergine, Tandoori und schwarzem Knoblauch [7/10]

Zwei grosszügige Stücke vom Walisischen Salzwiesenlamm liegen auf dem nächsten Teller. Die Sauce (Lamm-Asia-Jus) ist auch hier sehr gut auf das Fleisch abgestimmt. Das Lamm ist zart. Auch das Drumherum kann uns wiederum überzeugen. Besonders auftrumpfen kann, neben dem rassigen Ziegenkäse, der schwarze Knoblauch. Geschmacklich sehr ähnlich wie die bekannte weisse Knolle, nur mit dem grossen Vorteil, dass man hier keinen störenden Nachgeschmack hat. Kaum hat man den geleeartigen Knoblauch runtergeschluckt, verflüchtigt sich das Aroma langsam.

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Spielerei von Kaffee und Banane mit Valrhona Schokolade [8/10]

Das Dessert wird in zwei Gängen serviert. Der Anfang macht eine Tasse, gefüllt mit Milchschaum. Darunter liegt ein Mousse von der Valrhona Abinao Schokolade, unter weissem Kaffeeeis, sowie ein Bananen Sud. Am Tisch wird das Ganze mit einem Kaffeelikör übergossen. Dieses löffelt man dann genüsslich aus. Die Komposition erinnert stark an einen Eiskaffee „deluxe“ und machte auch dank der Kombination aus kalt und warm richtig Spass.

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Der zweite Teil des finalen Abschluss wird sehr modern interpretiert. Hier gibt es wiederum ein Zusammenspiel zwischen Schokolade, Kaffee und Banane, was schon von den Grundgeschmäckern sehr gut funktioniert. Die Basis bildet ein Kaffegelée welches sich wie ein Teppich unter das ganze Dessert legt. Dazu gibt es eine Bananencrème, frische Bananenbalken, Schokoladen-Kaffeemousse, Bananen-Stampf, Bananen-Canache-Würfel, Passionsfruchtsauce, Chips von der Kochbanane und frische Bananenscheiben. Das absolute Highlight ist das weisse Kaffeeparfait, gefüllt mit Kaffeereduktion und Haselnuss, welches in der Tellermitte thront – ein Traum.

Uns hat dieses Facettenreiche und aufwendig zubereitete Dessert begeistert. Der erst 21 jährige Pâtissier René Müller macht einen tollen Job!

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Friandises [7/10]

Zum Abschluss gibt es noch eine schöne Sammlung von diversen Küchlein und Pralinen. Vor allem die fruchtigen Komponenten gefallen uns sehr gut. Einzig das etwas schlaffe Cornet mit dem pfeffrigen Tomateneis, hätte viel besser zum Menüauftakt gepasst als nun zu diesen süssen Häppchen.

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Fazit: Wie eingangs erwähnt, gibt es Restaurants die kulinarisch mit einer schönen Aussicht mithalten können. Das ‚Annex‘ steht eine Stufe höher und begeistert seine Gäste in so hohem Masse, dass man die Aussicht spätestens nach dem ersten Gang vergessen hat. Das Gebotene auf dem Teller ist um ein mehrfaches faszinierender als jeder See.

Heutzutage ist es en vogue wenn Köche zwei, maximum drei verschiedene Geschmackskomponente auf dem Teller vereinen. Ganz anders macht es Renee Rischmeyer. Seine Kompositionen bestehen aus einer Vielzahl verschiedener Geschmäckern und Komponenten. Dass die Kombinationen im Gaumen nicht wirr wirken, sondern sich zu einem wunderschönen Geschmacksbild zusammenfügen, zeugt vom  grossen Talent des Hamburger Spitzenkochs und seiner Brigade.

Dabei ist beeindruckend, dass es neben dem jeweiligen Hauptakteur, auf dem restlichen Teller noch so viel zu entdecken gibt. Dabei wird kein Aufwand gescheut. Die Gerichte sind sehr aufwendig und fantasievoll umgesetzt.

Die Speisen werden in einem stilvollen Ambiente serviert. Ob draussen auf der lauschigen Terrasse oder im sehr gemütlichen Restaurant, hier lässt es sich sehr genussvoll tafeln. Dazu trägt auch der starke Service bei.

Einzig die Grössen der Portionen sollte man zwingend anpassen. Das volle Menü schafft man fast nicht. Und so hatten wir nach den neun Gängen viel zu viel gegessen. Damit das Menü, mit den aktuellen Portionen, bis zum Schluss ein Genuss bleibt, sollte man sich als Gast auf maximum 7 Gänge festlegen. Vielleicht schafft man es dann auch noch zeitlich in die ‚LALIQUE Caviar Bar‘ um neben den Piano Klängen, eine Zigarre zu geniessen – diese war um viertel vor zwei leider bereits geschlossen. Zum Glück hatte der freundliche Nachtportier Mitleid mit uns und liess uns die Zigarre doch noch in den gemütlichen Ledersässeln geniessen.

Das ‚Annex‘ ist ein Top-Restaurant und verdient klar unsere hohe 8ö Wertung! Dank der angenehmen Atmosphäre und den zugänglichen Speisen, eignet sich das ‚Annex‘ auch für weniger versierte Gourmets. Dabei lohnt sich auch eine längere Anreise. Peter Kämpfer, Hoteldirektor des Park Weggis, darf Stolz auf sein ‚Annex‘ sein. Restaurants mit einem solchen Service, Ambiente und kulinarischen Höhenflüge sind rar.

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Wein: 5 Sterne Hotels und faire Weinpreise sind an vielen Orten ein Wiederspruch. Ganz anders hier im ‚Park Weggis‘. Viele Weine kann man im ‚Annex‘ günstiger geniessen als wenn man sie in der hoteleigenen Weinhandlung bezieht. Die Händler-Preisliste wird nämlich laufend an die weltweiten Marktpreise angepasst, während man die Preise auf der Restaurantkarte unangetastet lässt.

Weinliebhaber werden beim durchstöbern der 2’600 Weinpositionen ins Staunen kommen. Uns bot Sommelier Martin Kern eine aufs Menü abgestimmte Weinbegleitung an. Die Auswahl war ausgezeichnet und die Beste die wir je hatten.

Die Weinbegleitung für 113 Franken:

Petite Arvine 2009 – Gerald Clavien, Wallis – Schweiz
Chassagne-Montrachet 2008 – Niellon Michel, Burgund Frankreich
Grüner Veltliner Loibner Berg Smaragd 2008 – F.X. Pichler, Wachau – Österreich
Châteauneuf-du-Pape Blanc 2011 – Holos de Jupiter, Rhône – Frankreich
Gewürztraminer Vendange Tardive 2002 – Josmeyer, Elsass – Frankreich
Carbonnieux Blanc 2008 – Bordeaux – Frankreich
Nuits St. Georges 2007 – David Duband, Burgund – Frankreich
Syrah „Case Via“ 2006 – Fontodi, Toskana – Italien
Lustau Pedro Ximenez Murillo Centenary Selection, Jerez – Spanien
Beerenauslese Cuvée 2008, Kracher – Österreich

Online: Das „Park Weggis“ hat zwar einen schönen Internetauftritt, gönnt seinem Vorzeigerestaurant ‚Annex‘ aber leider keine eigene Homepage. Dies müsste man zwingend nachholen. Immerhin findet man schon jetzt die aktuelle Speise- und Weinkarte auf der Internetseite.

Wertung: Goumör / Michelin / Gault-Millau

Sonderauszeichnung:   _ Hier findet ihr eine Cigarren-Lounge

(Besucht im Juni 2012)