Äbtestube in Bad Ragaz

Was vor zehn Jahren noch eine Seltenheit war, ist heutzutage selbstverständlich. Die Rede ist von Hotelrestaurants welche auch Feinschmecker glücklich machen. Und so leistet sich das imposante Hotel „Grand Resort Bad Ragaz“ (zum Bericht), ganze acht Restaurants, darunter auch ein Gourmetlokal. Hier in der ‚Äbtestube‘ geniessen die Gäste klassische Gerichte in einem stimmungsvollen Ambiente. Unter den Geniessern sind nicht nur Hotelgäste sondern auch Gourmets die sich eine Übernachtung im Grand Resort nicht leisten können – oder wollen.

Den Apéro genossen wir in der kleinen Küche. Ein spannendes Erlebnis, welches man den Gästen gegen Voranmeldung, gerne erfüllt. Es ist sogar möglich den ganzen Abend im Herzen der ‚Äbtestube‘ zu verbringen und dabei Roland Schmids vierköpfigem Team bei der Arbeit zuzuschauen. Speziell dafür steht in der Küchenmitte ein hoher, weiss gedeckter Zweiertisch bereit – wobei die beiden Barhöcker für ein dreistündiges Essen einen etwas unbequem Eindruck machen. Von hier aus beobachtet man zum Beispiel wie die Köche mit Lineal und grüner Kräutersauce Dekorationen auf die Teller zeichnen oder wie grosse Fleischstücke tranchiert werden.

Das Team arbeitet konzentriert. Hier und da gibt es eine kurze Anweisung des Chefs. Roland Schmid ist seit neun Jahren für das Gourmetrestaurant verantwortlich. Dabei hat er, verglichen mit anderen Küchenchefs, vorzügliche Arbeitszeiten, denn die ‚Äbtestube‘ empfängt lediglich an fünf Abenden in der Woche Gäste.

Um an der kulinarischen Spitze eines der besten 5 Sterne-Hotels Europas zu stehen, braucht es einiges an Talent. Das holte sich Schmid nach seiner erfolgreichen Kochlehre in diversen Restaurants im In- und Ausland. Bevor er nach Bad Ragaz wechselte, kochte der sehr sympatische Rheintaler mehrere Jahre im Hotel „Alpenhof“ in Zermatt. In der schönen Walliser Gemeinde erkochte er sich stolze 17 Gault Millau Punkte sowie einen Michelin Stern. Die Punkte konnte er beim Wechsel nach Bad Ragaz „mitnehmen“, auf den Stern musste er sich bis zum letzten Oktober gedulden.

Schmid ist keiner der Köche die nur am Pass stehen und Kommandos geben. Auch wegen der abwechslungsreichen à la carte Auswahl packt er jeden Abend mit an. So bereitet er zum Beispiel vor unseren Augen ein kleines Stück Thunfisch zu. Dieses schneidet er gekonnt in zwei Hälften und serviert es uns Augenblicke später an unserem Küchentisch. Der „Gruss aus der Küche“ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

Zweierlei von der geräucherten Forelle aus dem Weisstannental, Rucola-Piniensalat, Curryöl / Gänseleber-Praline im Himbeer-Mandelmantel auf Kefensalat und Sauerrahm / Sashimi von weissem „MSC“ Thunfisch, Asiagemüse, Korianderöl [8/10]

Alle drei Häppchen haben uns begeistert und konnten dank klaren und intensiven Aromen brillieren. Das Highlight war das soeben frisch zubereitete Sashimi vom weissen Thunfisch, mit dem knackigen Asiagemüse an leichter Sojasauce – genial. Bei der Forelle hat uns das harmonische Zusammenspiel mit den Pinienkernen sehr gut gefallen. Auch für das Gänseleber-Praline gab es gedanklich Applaus, auch wenn wir den angekündigten Himbeergoût etwas vermissten.

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Obwohl wir dem konzentrierten Treiben in der Küche gerne zuschauten, waren wir froh, als wir nach diesen Häppchen den doch recht warmen Raum wieder verlassen durften. Wir wurden in das kleine Restaurant geführt und machten es uns, mit Blick auf das knisternde Feuer im Chminée, gemütlich. Hier in der ‚Äbtestube‘ hat es Platz für 30 Gäste. Da die Tische in drei leicht voneinander abgetrennten Bereichen stehen, ist es recht ruhig.

Wir erhielten die grossformatige Speisekarte gereicht und entschieden uns für das 6 Gängemenü, mit der Bitte, den Hauptgang bestehend aus Rindsfilet durch das Bisonfilet Gericht aus dem à la carte Angebot, auszutauschen. Wir waren zwar überzeugt, dass Chef Schmid gute Rindfleisch-Lieferanten hat, doch wir wollten unbedingt einmal sein bekanntes Bisonfleisch aus Kanada geniessen. Michael Boog, Sommelier und Chef de Service, kam diesem Wunsch nach kurzem Zögern gerne nach. Boog ist ein sehr guter Gastgeber und besticht, neben seinen etwas zu theatralisch agierenden Servicemitarbeitern, mit seiner Natürlichkeit und dem grossen önologischen Fachwissen. So stellte er uns mit Leichtigkeit eine passende Weinbegleitung zusammen und schlug vor, jeweils zwei Gänge mit dem gleichen Wein korrespondieren zu lassen. Wir willigten ein und legten die zwei gereichten Weinkarten (eine davon ausschliesslich mit Erzeugnissen von von der Domaine de la Romanée-Conti!) zur Seite.

Zu der schönen Brötchenauswahl gab es für einmal keine Butter, sondern drei verschiedene, kalt gepresste Olivenöle.

Danach erreichte uns das Amuse Bouche:

Pyrenäen Milchlammkeule mit Thymianjus, Kartoffel-Apfelgratin, Enoki-Pilzen, Bärlauchsuppe mit Tomatenschaum [7/10]

Das Lammfleisch war sehr fein und zart, der Jus ein passender und subtiler Begleiter. Das Beste auf dem Teller war der geniale Kartoffelgratin – auch wenn man vom annoncierten Apfel nichts schmeckte. Ebenfalls ein grosses Lob gab es für das vollmundigste Bärlauchsüppchen, welches uns jemals aufgetischt wurde – das Aroma war noch Minuten später im ganzen Gaumen präsent! Der Tomatenschaum zerfiel dagegen etwas schnell und sorgte daher nur für den farblichen Kontrast.

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Bio Black Tiger, Morcheln, Haselnusskrokant – Nüsslisalatmousse und Vinaigrette [6/10]

Die knackigen Black Tiger waren von guter, aber nicht überragender Qualität. Der leichte Haselnussgeschmack passte gut zu den Schalentieren. Bei den Morcheln vermissten wir den von uns so geliebten, intensiven Eigengeschmack des edlen Pilzes – ob sie zu lange im Essigbad lagen? Dafür entschädigt hat uns das geniale Mousse vom Nüsslisalat – ein tolles Aroma, wiederum umgeben von knusprigen Nusssplittern.

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Pastinaken-Cremesuppe mit grünem Lammraviolo [5/10]

Die Pastinakensuppe war richtig stark. Der grüne Raviolo war nicht wie erwartet mit Gehacktem gefüllt, sondern mit einem ganzen Stück Lammfleisch. Dieses zu essen war dann gar nicht so einfach. Das zarte Fleisch ertrank wortwörtlich in der Suppe und konnte deshalb auch den Eigengeschmack nicht voll entfalten. Wir hätten es bevorzugt, die Suppe und das Fleisch getrennt voneinander zu geniessen. Dazu wäre dann auch eine Sauce zum Fleisch passender gewesen als eine Suppe.

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Rotbarbenfilet gebraten, Gewürzrhabarbersauce, Spargel, Erbsenmousseline [5/10]

Die Rhabarbersauce, die unter anderem mit Zimt und Vanille abgeschmeckt war, schmeckte zwar gut, wollte aber weder zum Fisch noch zu den weissen Spargeln passen. Wir genossen diese also getrennt voneinander. Trotz der feinen Rotbarbe hatten wir eine passende Sauce etwas vermisst. Das Erbsenpüre war sehr geschmacksintensiv und fein. Der Höhepunkt auf dem Teller waren aber die badischen Spargeln. Der intensive Spargelgeschmack zeugte von einem hochwertigen Produkt erster Güte und bewies wieder einmal, dass dieses Frühlingsgemüse eine wahre Delikatesse ist.

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Bisonfilet gebraten, Ochsenschwanzragout, Thymian, Mönchsbart, Pinienkere und frittiertes Lauch-Samosas [7/10]

Als Hauptgang wurde uns das Bisonfilet serviert. Das Fleisch war kräftig und perfekt gebraten. Für die geschmackliche Perfektion fehlten lediglich ein paar zusätzliche Salzkörner sowie eine durchgängig wahrnehmbare Pfeffermarinade. Diese war bei unserem Fleisch nur an gewissen Stellen präsent – und genau dort konnte das Bison so richtig auftrumpfen.

Unter dem Fleisch wartete ein weiteres Highlight dieses Abends: ein richtig toll zubereitetes Ochsenschwanzragout. Auch der Mönchsbart, ein im Moment saisonales Gemüse aus Italien, schmeckte uns ausserordentlich gut und wir wunderten uns, warum wir das Grün noch nie zuvor angetroffen hatten. Das Samosa, ein Gebäck welches seinen Ursprung im nahen Osten hat, erfüllte eher eine dekorative Aufgabe.

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Käse

Nun freuten wir uns auf den Auftritt des Käsewagens. Dieser war zwar eher klein, aber gut sortiert. Für alle Vorlieben bot er etwas. Zum Käse wurde uns Birnenbrot sowie etwas Baguette serviert. Im Vergleich zu anderen Restaurants, in denen man frisch gebackenes Birnenbrot und zum Käse passenden Senf und Konfitüre gereicht bekommt, war das Angebot hier noch ausbaufähig.

Für den süssen Abschluss durften wir von der Karte wählen. Darauf fanden wir zwei Desserts die ihren festen Platz auf der Karte haben: Ein Schokoladendessert und eines mit Caramel. Für Letzteres haben wir uns auch entschieden und da es kein Pré-Dessert gab, hatte dieses dann sogleich seinen Auftritt:

Caramel-Variation [5/10]

Eigentlich hatten wir uns unter diesem vielversprechenden Namen eine spannendere Vario vorgestellt, als diejenige, welche uns serviert wurde. Das Karamelköpfli und die Crème brûlée haben wir in dieser Qualität schon zu oft gegessen, als dass uns diese speziell begeistert hätten. Die beiden Desserts waren absolut solide, trotzdem bereuten wir es, dem Menü-Dessert „Ricotta-Zucker-Canneloni-Melone“, nicht den Vorzug gegeben zu haben.

Zum Glück rettete das tolle Caramel-Eis die Dessert-Ehre. Das Glacé war nämlich vollmundiger und wuchtiger als alle anderen, je gegessenen Caramel-Sorten!

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Friandises

Zum Espresso wurden noch ein paar kleine Häppchen auf einem Karussell aufgetragen. Wir hatten uns beim Käsewagen wohl etwas übernommen, denn wir hätten keinen Bissen mehr runter gebracht. Uns wurde zwar freundlicherweise angeboten, die Friandises einzupacken und aufs Zimmer mitzugeben, doch wir konnten uns in dem Moment nicht vorstellen jemals wieder Hunger zu haben. Da soll noch jemand behaupten in Gourmetrestaurants werde man nicht satt!

Nach diesem schönen Menü machten wir es uns in der direkt ans Restaurant angrenzenden Zigarren-Lounge gemütlich. In dieser wunderschönen Lounge genossen wir eine würzige „Flor de Selva“ und ein, vom sehr zuvorkommenden Barkeeper servierten, Digestif.

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Fazit: Roland Schmid kocht klassisch. Hochwertige Produkte sind ihm sehr wichtig. Deshalb pflegt er auch einen engen Kontakt zu seinen Lieferanten. Sein Luma Beef aus artgerechter Haltung ist ihm dabei genau so wichtig wie Meerestiere aus ökologischem Umfeld. Auch die Einhaltung der Saison ist eines seiner erklärten Ziele. So sind Erdbeeren im April genau so Tabu wie Spargeln im März. Spargeln gibt es frühestens wenn die Ersten in Deutschland gestochen werden und dann auch nur so lange, bis der örtliche Bauer endlich die Ersten in die Küche der ‚Äbtestube‘ bringt.

Wir haben uns in dem 1774 erbauten, denkmalgeschützen Restaurant, wohl gefühlt. Der Service war sehr aufmerksam, das Menü wurde in einem angenehmen Tempo serviert. Auch kulinarisch wurden wir glücklich. Wir schätzen es, wenn Köche die Produkte in den Mittelpunkt stellen. Hier und da hätten wir das noch etwas konsequenter gewünscht und vielleicht etwas weniger routinierter. Gerade angesichts der Tatsache, dass die Brigade nur den Abendservice bewältigen muss, sollte es möglich machen, noch an gewissen Details zu feilen.

Geniesser die sich im „Grand Resort Bad Ragaz“ ein Zimmer buchen, sollten gleich auch immer einen Tisch in der ‚Äbtestube‘ mit reservieren. Andere Hotelrestaurants wie das asiatische ‚Namun‘ sind vielleicht trendiger, aber nur hier in Roland Schmids kleinem Reich kann man so richtig abschalten, drei Stunden lang geniessen und alles um sich herum vergessen.

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Tipps: 1. Unbedingt etwas früher anreisen und durch das Hotel schlendern. Es ist absolut eindrücklich! Am besten bleibt man gleich für eine Nacht – oder zwei. 2. Auf Nachfrage bietet man den Gästen auch das eigene Quellwasser zum trinken an.

Menü: Der Gast hat die Wahl zwischen einem vegetarischen Menu in 5 Gängen zu 125 Franken sowie einem „Menu Gastronomique“ mit 6 Gängen (inkl. Käse) zu 160 Franken. Dazu werden jeweils Apéro Häppchen und ein Amuse Bouche serviert. Die einzelnen Gerichte aus dem Menü kann man auch separat bestellen. Weiter findet der Gast ein abwechslungsreiches à la carte Angebot. Vorspeisen gibt es zwischen 36 und 51 Franken, Hauptgänge für 65 – 97 Franken, wobei man jeweils eine kleinere Portion bestellen kann (im Schnitt 14 Franken günstiger). Die fünf Desserts kosten alle um die 30 Franken. Unser 6 Gang Menü dauerte 3 Stunden.

Wein: Die Weinauswahl ist sehr gross. Es gibt eine separate Karte mit Weinen von der Domaine de la Romanée-Conti.

Unsere empfohlene Weinbegleitung:

Pinot blanc 2010, Weingut Davaz, Fläsch – Schweiz
Châteauneuf du Pape blanc 2009, Domaine St. Prefert in Rhônetal – Frankreich
Nambrot 2006, Tenuta di Ghizzanoin, Toscana – Italien

Online: Man widmet der ‚Äbtestube‘ zwar keine eigene Domain, aber immerhin ein leicht angepasstes Design auf der Hotel-Homepage. Auf der Seite findet man vorbildlich viele Informationen über Roland Schmid, ein Video, Berichte über die bereits vergangene Zusammenarbeit mit der Lufthansa, sowie eine Speisekarte auf der leider konsequent das Abendmenü fehlt (nur das vegetarische Menü findet darauf Erwähnung).

Wertung: Gourmör   / Michelin   / Gault-Millau

Auszeichnung: Hier findet ihr eine Cigarren-Lounge

(Besucht im April 2012)

Homann’s in Samnaun-Ravaisch

Das Skigebiet von Ischgl-Samnaun ist berühmt für seine 238 km langen Pisten. Es war seit langem beschlossene Sache, dass wir dort unser nächstes Skiweekend verbringen werden. Die Frage war nur ob wir die Pisten vom österreichischen Ischgl her ansteuern oder vom Schweizer Dorf Samnaun aus. Die kürzere Anreise und der aktuelle Eurokurs wären eigentlich beste Argumente für die Tiroler Destination. Doch neben der Unterstützung für die momentan gebeutelte Schweizer Hotelbranche, gibt es für uns noch ein weiteres, viel stärkeres Argument um sich für das zollfreie Samnaun zu entscheiden: 2 Michelin Sterne und 18 Gault-Millau Punkte. Das damit ausgezeichnete Restaurant liegt in Samnaun-Ravaisch und heisst ‚Homann’s‘. Hier kochen seit 2005 die beiden Brüder Horst und Daniel Homann.

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Das Haus Homann ist zugleich ein drei Sterne Hotel, welches knapp 60 Gäste beherbergen kann. In der Küche arbeiten sieben Köche; vier für die Wünsche der Hotelgäste und die anderen Drei, also die beiden Brüder und ihr Sous-Chef Markus Eppler, kümmern sich ausschliesslich um die Gourmetmenüs, welche jeden Abend serviert werden. Um die Qualität sicher zu stellen, hat man die Anzahl der Gäste die in den Genuss dieses Menüs kommen, auf 14 begrenzt. Zusätzlich beschränkt man sich auf zwei fixe Menüs: Ein Überraschungsmenü sowie ein Fischmenü. Ungewohnt ist, dass man sich bereits bei der Reservation für eine der beiden Menüabfolgen entscheidet muss. Immerhin kann man die Anzahl der Gänge vor Ort bestimmen.

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Wir waren selten so gespannt auf einen Restaurantbesuch. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Lokalen findet man über das ‚Homman’s‘ im Internet fast keine Informationen. Auch auf der eigenen Homepage übt man sich in äusserster Zurückhaltung – nicht einmal das Konzept mit den beiden Menüs wird erwähnt. Alles andere als zurückhaltend sind die Journalisten. Im Halbjahrestakt findet man in der Schweizer Presse Berichte über das Gourmetrestaurant am Ende der Schweiz. So auch anfangs Oktober in der „SonntagsZeitung“, als Karin Oehmigen so begeistert über das ‚Homann’s‘ berichtete, dass wir am liebsten den Morgenbrunch stehen gelassen und uns auf den Weg ins Engadin gemacht hätten.

Fünf Monate später war es dann für uns endlich so weit. Von leichtem Muskelkater geplagt standen wir vor dem Objekt der Begierde. Bis auf die rote Tafel „Aufsteiger des Jahres 2012“ machte von Aussen nichts auf die hochwertige Küche aufmerksam. Auch der Speiseaushang übte sich in Understatement. So verriet man über das Überraschungsmenü gar nichts (logisch) und beim Fischmenü war vor jedem Gang lediglich ein „Fisch / Krustentier nach Tagesangebot“ aufgeführt. So dankten wir in Stille all den Foodjournalisten und Gastroführern, die solche Perlen ausfindig machen – denn wir wären garantiert daran vorbei gelaufen.

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Und vielleicht hätten wir das Restaurant auch nach den ersten paar Minuten wieder verlassen. Denn die Begrüssung im Restaurant durch Frau Schweiger-Homann, die Schwester der beiden Brüder, war ungewohnt kühl. Auch während dem restlichen Abend wollte der Funke nicht rüber springen. Man war zu uns zwar nie unfreundlich, doch eine solch nüchternde und reservierte Stimmung hatten wir bis dahin noch nie in einem Gourmetrestaurant erlebt.

Vielleicht müssten wir uns zuerst an die Art von Frau Schweiger-Homann gewöhnen. Die Hotelgäste die neben uns sassen waren jedenfalls bereits den dritten Abend in dem, mit Holz verkleideten Restaurant und dachten gar nicht daran, einen Abend „ausswärts“ essen zu gehen. Das lag aber bestimmt auch an den hochwertigen Halbpension-Gerichten, welche hier serviert werden. Diese sind zwar gradliniger als die Gourmet-Gerichte, dem begeisterten Gesichtsaudruck der Hotelgäste nach zu beurteilen, schmeckten aber auch diese sehr gut.

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Jetzt waren wir an der Reihe. Wir wählten die Anzahl der Gänge des Überraschungsmenüs (natürlich alle) und entschieden uns, trotz umfangreicher Weinkarte (300 Positionen), für die angebotene Weinbegleitung. Uns knurrte nach diesem anstrengenden Tag auf der Piste der Magen und wir waren froh als uns gleich ein paar Apérohäppchen serviert wurden:

Bündnerfleischtatar im Cornet / Lardo-Oliven-Brotrolle / Käseknödel auf Lauch-Kartoffelcreme / Schaum von der Schwergenbachforelle [7/10]

Wir wurden von Beginn an verzaubert. Nicht nur wegen der überraschend schönen Optik, sondern auch wegen den klaren Aromen und der unglaublichen Frische. Das Cornet war hauchdünn und das Tatar darin richtig toll abgeschmeckt. Auch die Brotrolle aus Lardo und Oliven gefiel uns sehr gut. Während der Käseknödel nicht ganz mithalten konnte, begeisterte der Fischschaum umso mehr – intensiv und luftig. Ein sehr schöner Auftakt, der die Vorfreude auf das Kommende weiter in die Höhe trieb.

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Als nächstes wurde ein „Gruss aus der Küche“ geschickt:

Auster mit Granny Smith und Curry / Tunfisch mit Sesam und als Tatar / La Ratte mit Kaviar und Lotus [8/10]

Der erste Blick viel auf die tolle und sehr aufwändige Präsentation; uns war nun klar weshalb man hier die Gästezahl limitieren muss.

Beim La Ratte-Kartoffel mit Kaviar überzeugte die leichte aber würzige Käsefüllung, beim Tuna das unglaublich tolle Tatar und die absolut stimmige Apfelmayonnaise, bei der Auster die Harmonie zwischen dem Curry, der Säure vom Granny Smith und dem dezenten Eigengeschmack der Muschel – welcher man trotz der Gegenpole schmeckte.

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Vor dem eigentlichen Menü gab es noch einen weiteren Gruss, diesmal „Amuse Bouche“ genannt:

St. Petersfisch auf Linsensalat, Topinamburpurée und Topinambursüppchen [9/10]

Der St. Petersfisch war perfekt zubereitet und hatte einen tollen Eigengeschmack. Ebenfalls genial war der Linsensalat welcher unglaublich gut abgeschmeckt war. Auch das Topinambur-Purée und -Süppchen konnten uns, dank klaren Aromen, uneingeschränkt begeistern.

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Brotauswahl

Ob Brioche, Speck- oder Kürbiskernen-Brot, das Gebäck überzeugte wiederum durch klare Aromen und Frische. Dazu reichte man uns gesalzene und ungesalzene Butter aus der Region sowie zweierlei Aufstriche mit Oliven und Petersilien. Es schmeckte alles vorzüglich und wir haben kein Stück übrig gelassen.

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Feines vom Milchkalb [7/10]

Der erste Gang, die Milchkalb Variation, war wiederum ein sehr aufwendig zubereitetes Gericht. Den Kalbskopf gab es im Frühlingsteig und als Brotchips, dazu Kalbshaxenkrokette (geschmackliches Highlight!), ein aromatisches Tatar sowie ein Filet mit lauwarmem Tomatenragout. Dazu Consommé-Gelee und eine Kräutersauce. Eine sehr abwechslungsreiche und spannende Kreation bei der uns als einziges, das mit Morbier Käse gefüllte Filet nicht gefiel, da es wegen dem dominierenden Käsegeschmack zu unharmonisch war.

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Bärenkrebs und Scampi mit Melone / Hummer-Tee [8/10]

Diese Sauce war schlicht eine Wucht und wir erinnerten uns noch Wochen später an das Aroma. Dazu gab es zwei verschiedene Krustentiere von sehr guter Qualität. Der Bärenkrebs wurde in dünne Scheiben geschnitten, darunter lag eine leicht erwärmte und sehr reife Honigmelonen-Rolle. Diese schmeckte zusammen mit dem Bärenkrebs unerwartet harmonisch – absolut toll! Zum ebenfalls sehr gut zubereiten Scampi gab es Wassermelone und ein richtig toller Fenchelsalat – spitze! Der Hummer-Tee war etwas subtiler, rundete das ganze Gericht aber wunderbar ab.

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Kabeljau mit gedämpftem Kopfsalat, Champignonpüree und Sot-l’y-laisse [7/10]

Der Kabeljau war perfekt gegart und sehr fein. Der Kopfsalat war nicht nur saftig sondern auch sehr gut gewürzt. Am besten gefiel uns aber der Auftritt der Champignons. Den Pilz gab es sowohl als Ganzes als auch in pürierter Form. Dieser intensive Geschmack war zum Hinknien gut!! Die zwei Stückchen vom Poulet („Sot-l’y-laisse“ – „das beste Fleisch am Huhn“) waren zwar gut zwar fein aber zu wenig aufregend. Zudem wollte es irgendwie nicht zum restlichen Gericht passen. Zusätzliche Pluspunkte gab es auch hier für die tolle Sauce!

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Kaninchenrücken mit Trüffelschaum, Eigelb und Blattspinat [9/10]

Welch schöne Komposition! Im Mittelpunkt das 4-Minuten-Ei, welches wunderbar zum intensiven Trüffel passte und dazu die Taglione, gefüllt mit süchtigmachendem Spinatpüree. Bei all den hervorragenden vegetarischen Elementen geriet das Kaninchen fast zur Nebensache. Doch auch dieses war gut zubereitet und harmonierte mit der wiederum starken Sauce. Ein rundum genialer und aromatischer Gang.

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Dreierlei vom Rind mit Petersilienwurzel und Vanillekarotte [9/10]

Ebenfalls Daumen hoch für den Hauptgang. Drei mal Rind, drei verschiedene Saucen, drei mal uneingeschränkte Begeisterung. Das Filet an Portweinjus war Butterzart, ein paar wenige Salzkörner gaben den letzten Pfiff. Auch das Schmorgericht (Ochsenschwanz im eigenen Sud) begeisterte uns uneingeschränkt. Das Highlight war aber das Schulterstück welches 60 Stunden (!) gegart wurde – unglaublich zart, toller Goût.

Doch nicht nur das Fleisch sondern auch das Gemüse begeisterte. Die unscheinbar wirkende Baby-Karrotte hatte eine leichte Vanille Glasur – diese schmeckte man auch, zudem passte sie sehr gut zum orangefarbenen Gemüse. Die Petersilienwurzel wurde ausgehöhlt, püriert und damit wieder aufgefüllt – auch diese Komposition überzeugte weil sie sehr gut umgesetzt war und intensiv im Gaumen schmeckte. Ein Hauptgang der uns rundum begeisterte!

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Erfrischung [8/10]

Zur „Erfrischung“ wurden erste Pâtisserie-Kreationen aufgetragen. Für diese ist der jüngere der beiden Brüder, Daniel Homann, zuständig. Bereits diese ersten Kostproben liessen die Sinneszellen jubilieren. Auf einem Löffel lag ein aromaintensives Früchtesorbet. Darunter Ananas, eingelegt in Grenadine, welches für einen leicht bitteren Kontrast sorgte.

Auch das kleine Cornet gefiel uns sehr gut. Die Waffel war wiederum sehr frisch, das Vanilleglace harmonierte perfekt mit dem alten Balsamico – wunderbar!

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Schokolade, Banane, Passionsfrucht und Tonkabohne [10/10]

Der Dessertteller setzte dem Abend die Krone auf und demonstrierte noch einmal eindrücklich den unglaublichen Aufwand der hier in der Küche betrieben wird – acht verschiedene Desserts hat man zu den Themen Schokolade, Banane, Passionsfrucht und Tonkabohne gezaubert. Jedes einzelne Element war auf höchstem Niveau zubereitet und für sich ein Highlight.

Wir arbeiteten uns von Aussen nach Innen und starteten mit dem luftigen Passionsfruchttörtchen (oben rechts auf der Schiefertafel). Ein wuchtiges Aroma, trotzdem ein sehr leichtes Dessert mit einem hervorragenden Biscuit-Boden. Weiter ging es mit den in Passionsfrucht-Vanille-Sud eingelegten Bananen und dem Bananenmousse, zu den Kokos-Marshmallows (eher überflüssig), über das tolle Tonkabohneneis, bis zur Mitte in der das wunderbare Schokoladentürmchen auf den Verzehr wartete. Dieses schmeckte himmlisch ohne nur ansatzweise mastig zu sein.

Neben der Schiefertafel stand noch ein warmer Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern sowie ein Bananensplit „à la Homann“. Der Schokoladenkuchen schmeckte wie erwartet: frisch und intensiv nach hochwertiger Schokolade. Der Bananensplit zauberte einen solch vollmundigen Bananengeschmack an den Gaumen, als würde man sich in der Karibik an einer ganzen Bananenplantage vergreifen.

Fast den ganzen Teller genossen wir mit geschlossenen Augen und mit einem grossen Glücksgefühl – so müssen Desserts schmecken.

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Friandieses [10/10]

Auch die Friandises waren eine Wucht. Intensive Fruchtgelées und verspielte Elemente wie Zuckerwatte, Marshmelows und Lollis. Gerade diese erinnerten uns stark an die Friandises im Schauenstein – wobei uns die Fruchtgelées und Lollis hier im ‚Hommann’s‘ noch besser schmeckten, da die Aromen prägnanter waren. Auch die „Basler Läckerli“ mit dem ungewohnt zimtigen Geschmack gefielen uns sehr. Die Highlights waren aber klar die Pralinen. Auch hier hatten alle intensive und unterschiedliche Aromen. Ebenfalls ein unglaublicher Genuss war die Tafel Schokolade. Dafür wurden zwei verschiedene Grand Crus vereint und jeweils unterschiedlich garniert – die eine Hälfte mit Ananas, Tonkabohne, Macadamia Nuss und die andere mit Datteln, Feigen und Pflaumen – da wird jede „Lindt“ oder „Cailler“ blass.

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Fazit: Ob sich die längere Anfahrt nach Samnaun gelohnt hat, wurde eigentlich schon nach den Amuse Bouches beantwortet und von den restlichen Gängen klar bestätigt. Wir haben ausgezeichnet gegessen und diese fantasievolle und geschmacksintensive Küche sehr genossen. Der Aufwand des Menüs war enorm. So viele Saucen, einmalige Elemente und so viel Liebe zum Detail. Dabei stand der Geschmack immer im Vordergrund. Bis auf ein, zwei Ausnahmen gab es keine Elemente welche wir als unnötig empfunden hätten. Im Gegenteil, alles auf dem Teller machte Sinn und trug zum Gesamtgeschmackserlebnis bei. Wir können allen Gourmets wärmstens empfehlen ans Ende der Schweiz zu fahren und sich vom Homann’s-Team verwöhnen zu lassen..

Unsere Begeisterungsstürme wurden lediglich durch den Service getrübt. Da gab es leider keine Spur von Fröhlichkeit und Herzlichkeit. Man war zwar keinen Moment unhöflich und beherrschte alle Abläufe tadellos, aber wenn man als Gast nicht das Gefühl hat wirklich willkommen zu sein, fällt es einem schwer sich wohl zu fühlen.

Dass wir das ‚Homann’s‘ – erste romantische Dates vielleicht ausgenommen – trotzdem uneingeschränkt weiterempfehlen, ist ein zusätzliches Zeichen wie unglaublich stark das Trio in der Küche arbeitet. Da alle Drei den Kontakt zu ihren Gästen nicht suchen sondern den ganzen Service in der Küche bleiben, möchten wir uns auf diesem Weg für dieses sensationelle Menü bedanken. Für uns war es auf jeden Fall ein Rätsel, dass wir an diesem Abend die einzigen Gäste waren, welche das Menü bestellten. Cornelia Schweiger-Homann erklärte uns nach dem Essen, dass der Samstag für sie der schwächste Abend sei, da an diesem Tag viele Urlauber an- und abreisen und deshalb einen anderen Abend für ein Gourmet-Menü wählten. Als wir dann erwähnten, dass wir vor allem wegen ihrem Restaurant nach Samnaun gekommen waren, lächelte sie uns zum ersten Mal an diesem Abend strahlend an und wir bedauerten gleich doppelt, dass uns dieser herzliche Ausdruck die vier Stunden davor verwehrt blieb.

Menü: Jeden Abend werden zwei Menüs angeboten – wobei man sich bereits bei der Reservation für eines der beiden Menüs (einheitlich, für den ganzen Tisch) entscheiden muss: Ein Fischmenü mit 6 Gängen zu 189 Franken oder 5 Gängen zu 165 Franken sowie ein 6-Gang-Überraschungsmenu zu 198 Franken, respektive 173 für 5 Gänge oder 149 Franken für 4. Dazu serviert man die Apérohäppchen, den Gruss aus der Küche, ein Amuse Bouche sowie Pré-Dessert und Friandises. Das Essen dauerte 4 Stunden.

Wein: Der Gast hat die Wahl aus 300 Positionen. Die Karte ist sehr gut sortiert. Gerne bietet man auch eine passende Weinbegleitung an. Diese hat Frau Schweiger-Homann ausgesucht und bewies dabei ein sehr gutes Händchen.

Online: Der Webauftritt ist zwar passend für das Hotelangebot aber keine Werbung für das Restaurant. Es fehlt die Erklärung der Menüs und deren Preise. Zudem gibt es gerade mal zwei kleine Bilder von Küchenkreationen. Hier verkauft man sich klar unter dem Wert. Wir empfehlen, da unbedingt nachzurüsten und auch jeweils ein Beispiel-Menü aufzulisten, damit der interessierte Gast sich einen Eindruck vom Gebotenen verschaffen kann.

Wertung: Gourmör    Michelin    Gault-Millau

(Besucht im März 2012)