KunstHof in Uznach

Vor sechs Jahren haben Janine Hausmann und ihr Lebenspartner Christoph Köhli den KunstHof im sanktgallischen Uznacht übernommen. Der Anfang war nicht gerade einfach. Wegen einigen Missverständnissen zwischen den Inhabern, der Kunsthof AG und den vorherigen Pächtern waren viele Gäste in der Umgebung auf das Restaurant nicht gut zu sprechen und beobachteten die Ankunft der „Neuen“ mit Skepsis.

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Janine Hausmann und Christoph Köhli

Doch die beiden Gastronomen sind es sich von den vorherigen Stationen in der Spitzengastronomie und -Hotellerie gewohnt zu kämpfen und einen besonderen Einsatz zu geben. So ignorierten sie die äusseren Einflüsse und konzentrierten sich allein auf ihren Traum vom eigenen Restaurant. Es sprach sich dann schnell herum, dass die Neuen nicht nur ambitioniert kochen, sondern auch extrem begabt sind.

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Vor drei Jahren, an einem nebligen Novembermorgen, kam die Bestätigung von höchster Stelle: der KunstHof erhält einen Michelin Stern. Für die jungen Gastronomen geht ein Traum in Erfüllung. Zu diesem Zeitpunkt war das gemütliche Restaurant schon gut ausgelastet, der Stern gab aber noch einen zusätzlichen Schub. Nach einem Jahr folgte der 16. Punkt im Gault-Millau und man freute sich, dass man immer neue Gäste mit der kreativen Küche verwöhnen durfte.

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Dass mit Sohnemann Levin auch noch Nachwuchs auf die Welt kam, machte das Glück der kleinen Familie perfekt. Umso überraschender kam die Pressemitteilung inder das Duo bekannt gab, dass man den KunstHof per Ende 2013 verlassen wird. Nach der Geburt ihres Sohnes hätte man sich zwischen Familie und einem 13 Stunden Arbeitstag entscheiden müssen. Da es zudem keine Optionen gab den KunstHof mittelfristig zu kaufen, hat man sich schweren Herzens für diesen Schritt entschlossen.

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Die junge Familie zieht es in Richtung Solothurn, in die 16’000 Einwohner grosse Gemeinde Grenchen. Dort wird sie Ende März das neu gestaltete Chappeli übernehmen. Ein Restaurant mit 40 Plätzen und einem schönen Garten mitten in der Natur. Gleich daneben befindet sich ein kleiner Landwirtschaftsbetrieb. Gemäss Köhli der ideale Ort um sein Kind aufzuwachsen zu sehen. Doch auch die gastronomischen Ziele sind hoch gesteckt. Zwar werde er nicht mehr den gleichen Aufwand betreiben können wie hier in Uznach, doch die Gäste an der neuen Wirkungsstätte dürfen sich auf eine ehrliche und mit viel Passion zubereitete Küche freuen.

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Bevor die Segel im KunstHof gestrichen werden, wollen wir uns unbedingt ein Bild vom aktuellen Stand machen. Zum einen um den Gourmets in der Region Uznach die Chance zu geben, das Restaurant bis Ende Dezember noch einmal zu besuchen und um bei den Solothurnern die Vorfreude zu steigern.

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Noch während wir die überschaubare Karte studieren erreichen uns:

Fleischbällchen mit Rosmarin Crème Brûlée [6/10]

Die Richtung des heutigen Abends wird aufgezeigt. Ein herzhaftes Fleischbällchen mit einem süssen Twist. Bodenständig und trotzdem spannend.

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Brot

Das verschiedenen Brötchen sind nicht hausgemacht aber von sehr guter Qualität. Die dazu gereichte Butter ist sehr fein.

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Amuse-bouche [-/10]

Der Gruss aus der Küche läutet die Wildsaison ein. Diese wird bis Mitte November das kulinarische Angebot bestimmen.

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Terrine von der Entenleber [8/10]

Eine vorzeige Terrine. Nicht nur wegen dem wunderbaren Geschmack und dem perfekten Schmelz, sondern auch Dank der tollen Kombination mit dem geschmorten Ochsenschwanz. Perfekt zubereitet. Der dezente Einsatz vom Apfel und einem Hauch Vanille sowie dem feinen Brioche, runden das ausgezeichnete Gericht ab.

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Kaisergranat

Die Alternative zur Gänseleber: Ein wunderbarer Kaisergranat

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Kalte Consomée von der Ramato Tomate [7/10]

Die ersten kühlen Herbsttage schreien zwar nicht gerade nach kalten Suppen, doch wenn man eine Tomatenessenz so zubereitet, kann man uns damit auch im tiefsten Winter begeistern. Die Essenz ist fein und Dank den sonnengereiften Tomaten auch richtig intensiv. Das Highlight sind aber die kleine Tomatenscheiben im Teller. Diese schmecken dermassen wuchtig, dass wir damit, pünktlich zum Saisonende, die besten Tomaten des Jahres serviert bekamen.

Als wäre das nicht genug, erreicht uns in einem hauchdünnen Cornet ein wunderbares Tatar das wiederum mit getrockneten Tomaten verfeinert wurde. Die Kombination ist wunderbar süffig und wir würden am liebsten um Nachschlag bitten.

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Tortellini von Pia Mattmanns Ziegenfrischkäse [7/10]

Die Tortellini sind handwerklich perfekt. Auch geschmacklich überzeugt die köstliche Füllung vom Ziegenfrischkäse aus der Zentralschweiz. Dazu gesellen sich aromatische Pilze und einen tollen Jus. Alles schmeckt leicht, mild und wohlschmeckend.

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Bretonischer Sankt Petersfisch [6/10]

Dass Köhli auch mit Fisch umzugehen weiss, beweist er mit diesem edlen Petersfisch. Perfekt gegart, gut gewürzt dazu feine Gnocchetti und Gemüse. Die rassige Chili ist zwar gewagt, funktioniert hier aber gut.

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Geschmortes Gommiswalder Kalbsbäggli [7/10]

Das Dreierlei vom Kalb, mit einer herzhaften Sauce schliesst den ersten Teil eines wunderbaren Menüs ab.

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Auserlesene Käse von Jean Luc Hadey

Zur abwechslungsreichen Käseauswahl serviert man uns eines der besten Früchtebrote.

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Schokoladenfondant [7/10]

Schokoladendesserts haben oftmals das Problem, dass sie, gerade am Ende eines ausgiebigen Essens, zu mastig sind. Dieses hier ist anders – und zwar sehr elegant, wohlschmeckend und Dank der knusprigen Textur schön zum essen. Einzig die Banane dürfte ruhig noch etwas mutiger eingesetzt werden.

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Vanille Quarksouflée [6/10]

Alternativ zum Schokoladendessert serviert man den Gästen ein wunderbares Vanille Quarksouflée mit feinem Feigensorbet.

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Friandises [7/10]

Die Friandises verdienen nochmals unsere vollste Aufmerksamkeit. Sie sind äusserst geschmacksvoll, abwechslungsreich und frisch.

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Fazit: Uns war bereits nach den ersten drei Gerichten klar, weshalb der KunstHof rappelvoll war. Köhli und seine Küchenbrigade setzen alles auf die Karte „Geschmack“ und servieren mit einem soliden Handwerk wunderbare und zugängliche Gerichte.

An der Front hat Janine Hausmann und ihr kleines Team alles im Griff. Die Gäste werden mit viel Aufmerksamkeit und einer wunderbar natürlichen Art bedient.

Feinschmecker in der Region Grenchen dürfen sich freuen. Mit Janina Hausmann und Christoph Köhli kommen zwei Vollblut-Gastronomen in ihre Region. Wenn die beiden den Weg konsequent weitergehen und auch den Wurst-Käse Salat mit der gleichen Passion zubereiten, werden sie an der neuen Wirkungsstätte eine erfolgreiche Zeit haben. Wir wünschen viel Erfolg!

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Robin Nagel, Dustin Freund, Stefan Altorfer, Daniel Felber und Christoph Köhli (v.l.n.r.)

Tipp: Um nochmals in den Genuss dieser hochwertigen Küche zu kommen, muss man sich sputen. Der KunstHof hat nur noch bis Ende Jahr geöffnet. Anschliessend zieht das Team weiter. Die Nachfolge in Uznach ist noch nicht geregelt.

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Wertung: Gourmör O7 / Michelin M1 / Gault-Millau GM16

(Besucht im September 2013)

L’Autezza in Ftan

Das Hotel Paradies hat sich seit langem einen Namen als Genuss- und Erholungs-Refugium inmitten prächtigster Natur gemacht. Die Gäste geniessen die Ruhe und die wunderschöne Umgebung und freuen sich am Abend auf eine Kulinarik auf höchsten Niveau. Dafür war lange Zeit Eduard Hitzberger verantwortlich, der nicht nur 18 Gault-Millau Punkte erkochte, sondern auch 2 Michelin Sterne nach Ftan holte. Als er sich 2007 selbständig machte, übernahm sein damaliger Sous-Chef Boris Benecke. Doch bereits nach zwei Jahren verliess der junge Koch die Schweiz Richtung Deutschland, um in seiner Heimat ein Restaurant in Zweiflingen zu übernehmen.

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Das Management in Ftan machte sich also auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolgers und wurde in Frankfurt, im legendären Tigerpalast, fündig. Der dortige Küchenchef Martin Göschel, war vom interessanten Jobangebot auf Anhieb sehr angetan und tauschte sein Grossstadtleben gegen das in der Engadiner Bergwelt. Zu Beginn servierte er seinen neuen Gästen die gleichen Kreationen wie in Frankfurt. Doch je länger er inmitten dem Unterengadiner Naturparadies lebte, desto mehr liess er sich davon inspirieren. Heute hat sich seine Küche komplett gewandelt und ist vollends mit der Natur verschmolzen.

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Die Gänseleber machte den Weinbergschnecken Platz, der Wolfsbarsch wich den einheimischen Forellen und das Wollschwein aus dem Nachbardorf, verdrängte das Ibérico. Im letzten Jahr wurde dann auch die Restaurant-Optik an die neue Küchenphylosphie angepasst. Das französische Interieur wich einem regionalen, eleganten Design. Gleichzeitig wechselte auch der Name. Das La Bellezza wurde zum L’Autezza was auf romanisch „die Höhe“ heisst.

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Wir genossen ein ganzes Wochenende im wunderschönen Paradies (zum Bericht) und genossen am ersten Abend ein 4 Gänge-Menü im Restaurant Stüva, welches ebenfalls unter der Leitung von Göschel liegt. Für heute Abend haben wir uns einen Tisch in seinem Gourmetrestaurant reserviert. Wir verbrachten den ganzen Tag auf dem Bike und genossen die Natur mit ihren saftigen Wiesen. Entspechend sind wir hungrig und gespannt auf das heutige Menü.

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Den Apéro geniessen wir in der grossen Küche und erhalten so einen Eindruck von der konzentrierten Atmosphäre. Die Abläufe sind klar, die Brigade weiss was zu tun ist. Martin Göschl steht am Pass und kontrolliert die Teller bevor sie die Küche verlassen. Wir ordern ein Glas Scampagna und freuen uns auf die ersten Häppchen.

Steinkartoffel / Strammer Max / Tempeh / Wildkräuterslush / Gersten Crisp [6/10]

Die Regionalität setzt bereits bei den Apéro-Häppchen ein Ausrufezeichen. Der Wildkräuterslush schmeckt zum Beispiel genau so, wie es heute bei der Fahrt durch die saftigen Wiesen geduftet hat – eindrücklich. Aber auch die Gersten Crisp oder das Tempeh, nach einem Indonesischen Rezept, nur dass hier statt Sojabohnen gekeimter Weizen verwendet wird, sind sehr fein.

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Für das restliche Menü wechseln wir ins Restaurant. Das L’Autezza ist das bisher kleinste Gourmetrestaurant das wir besuchten. Nur gerade sechs Tische stehen in dem gemütlich eingerichteten Restaurant. Die Tische sind auffallend gross und edel aufgedeckt.

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Vom gereichten Menü wählen wir aus den vier Vorspeisen deren Zwei und entscheiden uns für einen der beiden Hauptgänge. Bereits nach wenigen Minuten erhält jeder Gast seine individuelle Menüauswahl, in Form eines  kleinen Fächers, auf den Tisch. Eine gute Idee, weil man so immer kurz spicken kann, falls man wissen möchte wie das Menü weitergeht. Da man den Fächer am Ende des Abends mit nach Hause nimmt, hat man auch gleich ein schönes Andenken an den Besuch.

Sauerteigbrot & Alpenbutter

Das frisch gebackene Brot ist sehr fein – die leicht gesalzene Alpenbutter, mit verschiedenen Blumenblüten versetzt, gar genial. Nur selten, dass man eine solch geschmacksvolle und spannende Butter antrifft.

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Amuse: Randen – Eigelb – Bachtellachs [8/10]

Das Amuse Bouche ist nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich ein Highlight. Das Zusammenspiel der drei Akteure, in ihren verschiedenen Zubereitungskarten, ist nicht nur spannend, sondern auch sehr wohlschmeckend und abwechsungsreich. Wir sind begeistert.

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Käseravioli – Baumnuss – Salsiz – Schweizer Kaviar [8/10]

Zuerst steigt ein fantastischer Duft von frischer Limette in die Nase. Auch im Gaumen ist der säuerliche Schaum eine Wucht. Zum Glück kann auch das restliche Gericht begeistern. So auch die im Zentrum stehenden Ravioli, mit würzigem Bergäkse. Intensiv und trotzdem zugänglich. Die Kombination mit dem Salsiz ist gut gewählt.

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Saibling – Ciabatta – Weinbergschnecken [8/10]

Noch vor ein paar Tagen krochen die Weinbergschnecken gemächlich durch die saftigen Wiesen rund ums Paradies. Just bis zu dem Zeitpunkt, als Martin Göschel die schönen Tiere einsammelte, um daraus dieses Gericht zu zaubern. Das lange Suchen nach den Tieren hat sich gelohnt. Eingelegt in einer Kräutermischung mit Knoblauch, ist ihr erdiger Karakter noch immer präsent. Auch für die Schneckensuppe gibt es Applaus. Sie ist wunderbar abgeschmeckt und Dank dem dezenten Einsatz von Fenchel, ein grosser Genuss. Dass auch der knusprig parnierte Saibling brilliert, bestätigt, dass Göschel nicht nur Zugang zu Top-Produkten hat, sondern auch weiss wie man sie zubereitet. Der Fisch ist perfekt glasig, toll in der Textur und Aromatik.

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Sorbet von Apfel – Melone – Salatgurke – Minze [5/10]

Der kleine Zwischengang ist zwar sehr fein, mag das bisherig hohe Niveau nicht ganz halten. Trotzdem gefällt uns die süsse Melone mit den flankierenden Noten von Gurke und Minze.

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Engadiner Schaf: Ravioli – Gemüsesud – Parmesan [7/10]

Der Hauptgang wird in zwei Teilen serviert. Den Start machen diese kleinen Ravioli, gefüllt mit traumhaft Geschmortem vom Lamm. Der Bergkräutersud passt hervorragend dazu. Ebenfalls die süsse Birne, der knackige Stangensellerie und der Käse. Eindrücklich welch stimmiges Geschmacksbild hier gezeichnet wird.

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Engadiner Schaf: Rückenfilet im Wildkräuterheu – Schmorschalotten – Pico de Gallo [6/10]

Das Fleisch ist unglaublich zart und von sehr guter Qualität. Ein feiner Lamm-Jus begleitet das rosa Fleisch. Trotzdem hätte eine etwas kräftigere Sauce dem Gericht sicher gut getant. Dies hätte dem Gericht auch mehr Kraft und Intensität verliehen. Die Zwiebel als Begleitung auszuwählen ist zwar interessant, wird aber zu wenig konsequent umgesetzt. So bleibt der Hauptgang sehr gut, aber weitaus weniger eindrücklich als die vorherigen Kreationen.

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Schubladenkäse – Artischockenroyal – Gesalzenes Schokoladeneis [-/10]

Auf einen Käsewagen kann man dann verzichten, wenn man dem Gast eine gute Alternative anbietet. Wie wir dies zum Beispiel vor ein paar Monaten bei Rolf Fliegauf im Ecco erlebten. Bei der Variante hier im L’Autezza, gefällt uns zwar die Idee, aber die Umsetzung enttäuscht. So ist der Käse zwar gehaltvoll, seine Begleiter in Form von Artischocken und einem gesalzenen Schokoladeneis, wirken aber zu unharmonisch. Über die fehlende Symbiose kann auch das feine Früchtebrot nicht hinwegtrösten.

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Topfensoufflé – Erdbeeren Romanow [8/10]

Der Pâtissier bringt dann das Menü wieder auf die Gewinnerstrasse. Das Topfensoufflé ist dann auch das Beste, uns jemals servierte Soufflé – einfach traumhaft.

Auch das zweite, gleichzeitig servierte Dessert mit Erdbeeren und weissem Schokoladenmousse ist wundervoll. Nur Vorsicht vor den kleinen Szechuan-Pfefferkörner. Die haben es in sich und stellen den ganzen Gaumen auf den Kopf – deshalb sollte man sie erst ganz am Schluss essen.

Der kleine Baum in der Tischmitte erfüllt eher dekorative Zwecke. Dessen „Früchte“ (Weisse Schokoalden-Drops und Zuckerplättchen), sind weitaus weniger interessant als die beiden Desserts. Sowieso würde der Baum mehr Aufmerksamkeit geniessen, wenn man ihn erst bei den Friandises einsetzen würde.

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Petit Four: verschiedene Frucht und Tee Gelées

Eine schöne Auswahl an feinen Gelée-Würfel schliessen das ausgezeichnetes Menü ab.

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Die Küchenbrigade (v.l.n.r.): Andi Maurer, Katrin Wagenblast, David Hartwig, Martin Göschel, Marcel Köhn, Kevin Kregar

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Fazit: Regionalität ist in den letzten Jahren zum Modewort verkommen. Fast kein Chef, der seinen Kochstil nicht als solchen bezeichnet. Auf dem Teller sind dann meistens nur noch Worthülsen zu finden – und statt Saibling und Forelle werden Wolfsbarsch und Steinbutt serviert. Martin Göschel geht den Weg der Regionalität konsequent. Er ist ein bodenständiger und ruhiger Schaffer. Einer der nicht das Rampenlicht sucht, sondern seine Zeit in die Entdeckung neuer Produkten investiert.

Er versteht es dann auch wie kein Zweiter, neue Zutaten in der Natur zu finden und sie mit viel Fleiss in seine Menüs einzubauen. Uns haben seine Kreationen sehr begeistert. Es ist eindrücklich, wie man die Umwelt, welche man den ganzen Tag regelrecht inhaliert, am Abend in den Gerichten wiederfindet. Die Speisen sind stimmig und geschmacksvoll.

Das kleine Gourmetrestaurant ist gemütlich. Die sechs hellen und grossen Tische werden von einem Sommelier und einer Person aus der Küchencrew bedient. Ein interessantes Konzept, da so jede Frage zu einem Gericht direkt vom Fachmann beantwortet werden kann. Während dies in einem grossen Restaurant unmöglich umzusetzen wäre, funktioniert es hier, in dieser intimen Atmosphäre, sehr gut.

Das L’Autezza ist ein tolles Restaurant welches wir uneingeschränkt weiterempfehlen können. Zwar sind die Preise, gerade für die Weinbegleitung hoch, als Gegenleistung bekommt man aber eine ehrliches und geschmacksintensives Menü. Am besten startet man den Abend mit einem Apéro auf der wunderschönen Terrasse oder wie wir, direkt in der Küche..

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Menü: Es gibt ein Menü mit Apérohäppchen, Amuse bouche, vier Gängen, Käse, Dessert und Friandises. Bei den vier Gängen wählt man aus je zwei Optionen. Das ganze Menü kostet 210 Franken.

Zeit: Das Menü dauerte 4 Stunden und 15 Minuten

Wein: Neben einer gut sortieren Weinkarte, bietet man auch eine regionale Weinbegleitung für 100 Franken an. Dabei serviert man nicht für jeden einzelnen Gang einen anderen Wein, schenkt dafür grosszügig nach. Die Weinauswahl ist gut. Alternativ bietet man auch eine Saftbegleitung an.

Unsere Weinbegleitung:

Scampagna – Weingut Wegelin – Malans
Pinot Blanc 2012 – Manfred Meier – Zizers
Chardonnay/Viognier 2011 – Von Salis – Fläsch
No Pi No 2010 – Weingut Cicero – Zizers
Brumaire 1996 – Alain Brumont Pacherenc de Vic Bilh – Frankreich

Online: Die Hotel Website ist schön. Die Rubrik des L’Autezza ist zwar etwas knapp, bietet aber viel wissenswertes sowie das aktuelle Menü.

Wertung: Gourmör O8 / Michelin M1 / Gault-Millau GM18

Sonderauszeichnung: Fumoir vorhanden

(Besucht im September 2013)

Denis Martin in Vevey

Denis Martin ist einer der grössten Verfechter der molekularen Küche. Auch heute, nachdem fast alle ehemaligen Molekularköche das Trockeneis im Keller verstaut haben, ist er überzeugt dass dieser Kochtechnik eine grosse Zukunft bevorsteht.

Für eine Sache einzustehen und zu kämpfen ist sich Martin gewohnt. Mit 14 schmiss er die Schule und begann eine Kochlehre. Bei verschiedenen Spitzenköchen lernte er das Handwerk. Bekannt für sein grosses Talent bei der Zubereitung von Fischen, wurden auch die Gastroführer auf ihn aufmerksam und zeichneten ihn mit Punkten und Sternen aus. 1997 ist ein Schicksalsjahr für den damals 41 Jährigen, sein Restaurant La Taverne du Château in Yvorne muss Konkurs anmelden. Unterstützt von seiner Frau rappelt er sich auf und wagt in Vevey den Neuanfang.

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Um die Jahrtausendwende entdeckt er sein zukünftiges Idol: Ferran Adrià, den Avantgardisten aus Spanien. Von diesem inspiriert, halten 2003 die ersten experimentellen Gerichte Einzug auf Martins Karte. Nach und nach befreit er sich von bisherigen Standards wie Käsewagen und Brotservice und setzt dafür auf immer umfangreichere Menüs. Anfänglich von den Restaurantkritikern noch mit Skepsis beäugelt, erkochte er 2006 seinen 18. Gault-Millau Punkt und durchbrach mit seinem Menüpreis erstmals die 300 Franken Mauer. 2008 kam der 2. Michelin Stern dazu, welcher ihm jüngst wieder abgenommen wurde.

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Seine avantgardistischen Kreationen interessieren uns schon seit Jahren. Bis anhin hat uns jedoch der hohe Menüpreis von aktuell 360 Franken (!) und die weite Reise nach Vevey stets abgehalten. In Verbindung mit einem Aufenthalt am wunderschönen Genfersee, haben wir uns endlich durchgerungen, dem Molekularkoch einen Besuch abzustatten.

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Das Restaurant liegt nur wenige Meter vom Seeufer entfernt. Restaurantparkplätze sucht man vergebens. Wir drehen deshalb noch einmal eine Runde durch die Strassen. Wir sind etwas spät dran. Normalerweise stellt das bei Schweizer Restaurants kein Problem dar, da die Tische nur einmal pro Abend vergeben werden. Doch wir haben uns heute bei Denis Martin für eine Demonstration in der Küche angemeldet. Für einen Aufpreis von 90 Franken pro Person, gewährt man den Gästen einen eineinhalbstündigen Einblick in die molekulare Welt.

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Ein paar Minuten verspätet, haben wir es dann doch geschafft. Wir betreten das von aussen eher bieder wirkende Restaurant und treffen innen auf ein dunkles, rot gestrichenes Kellergewölbe. Die 16 Tische sind auf zwei Speiseräume verteilt. Auf jedem Stuhl wartet ein flauschiges Lammfell, auf den Tischen stehen bunte Setzteller und in jeder Tischmitte eine Muh-Dose – wir sollen gleich erfahren weshalb. Eine grosse, elegant gekleidete Servicebrigade serviert den Gästen um uns herum den Apéro.

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Für die Demonstration haben sich über die Hälfte der heutigen Gäste angemeldet. Nach kurzer Zeit werden wir alle ins Labor gebeten. Der kleine Raum grenzt direkt an die Küche, hier stehen jedoch keine Pfannen und Gewürze, sondern moderne Geräte, Reagenzgläser und Schläuche. Monsieur Martin ist sichtlich gut gelaunt und räumt gleich zu Beginn mit etwaigen Vorurteilen auf. Seine Küche basiere auf der französischen Küche und habe nichts mit Chemie oder aditiven molekularen Zutaten zu tun. Er habe sich mit der bestehenden Technik auseinander gesetzt und Vorteile ausgearbeitet. Er vergleicht das mit einem Pferd und einem Ferrari. Beide werden mit PS angetrieben, wobei Letzterer viel schneller am Ziel ist.

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Martin demonstriert verschiedene Geräte, zeigt wie er die Essenz von x-beliebigen Nahrungsmitteln gewinnt, erklärt weshalb unsere Erinnerungen bestimmen was wir gerne essen und beweist, dass er in nur 15 Sekunden ein Gericht lediglich mit Hilfe der Mikrowelle zubereiten kann. Alles wirkt so überzeugend, gekonnt und sympathisch, dass er locker ein eigenes TV-Format füllen könnte. Nach kurzweiligen 90 Minuten (wäre da nur nicht das Hungergefühl), applaudieren die Gäste und lassen sich vom Chef zurück ins Restaurant bitten. Doch vorher offenbahrt er uns, weshalb auf jedem Tisch eine Muh-Dose steht. Er möge keine steifen Restaurants und setzte zur Aufklockerung seit ein paar Jahren auf dieses Gimmick.

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Ein Blick in die Küche welche direkt ans Labor angrenzt

Am Tisch angekommen erhalten wir die Weinkarte. Die Auswahl ist knapp und mehrheitlich auf Flaschen ab einem dreistelligen Betrag limitiert. Eine Speisekarte ist obsolet, denn hier wird ausschliesslich das 26 Gänge umfassende Menü serviert. Auf Allergien und Unverträglichkeiten wird eingegangen. Wir sind bei der Weinauswahl, mit Blick auf das abwechslungsreiche Menü, überfordert und wünschen uns eine passende Weinbegleitung. Eine solche bietet man überraschenderweise nicht an, weshalb wir uns für ein Glas vom einzigen Weisswein im Offenausschank entscheiden.

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Das Serviceteam würden wir, anders als Denis Martin es vorhin noch propagierte, als formal bezeichnen. Die Herren tragen Anzug und Kravatte, die Damen dunkle Deux-pièce. Die logistische Herausforderung, 40 Gästen jeweils 26 Gänge zu servieren, meistert die Crew mit Bravour. Aufmerksam gleiten sie durch die beiden Speisesäle und servieren die Gerichte mit einem angenehmen zeitlichen Abstand. Nebenher werden den austretenden Gästen neue Servietten verteilt und ihnen bei der Rückkehr an den Tisch der Stuhl zurecht geschoben. Durch das grosse Volumen an Speisefolgen, über 1’000 Teller pro Service(!), ist es den ganzen Abend etwas wuselig. Stören tut es nicht, doch als gemütlich würden wir das Denis Martin nicht bezeichnen.

Unsere Uhr zeigt mittlerweile 20.50 Uhr. Das Abenteuer „La Suisse – Les Sens dessus-dessous“ kann beginnen:

La bleue des glaciers [-/10]

Unter einem Schaum, der wie angekündigt nach „rien“ schmeckt, finden wir Absinth in halbflüssiger Konsistenz. Ein netter Auftakt – die grosse Offenbarung ist das aber noch nicht.

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Une boule de Berlin qui devient Pékin [5/10]

Für uns ist zwar nicht ganz klar, weshalb man diesen Happen als Berliner bezeichnet, schmecken tut er aber sehr fein. Uns gefällt die süffige Masse mit dem asiatischen Touch und dem knackigen Stangensellerie.

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Le Schweppes est „Suisse“ [-/10]

Dieses Schweppes würde auch gut als Dessert durchgehen. Die Kombination aus Joghurt und Zitrusfrüchten ist fein. Dies kann man, vorausgesetzt man hat zu Hause Joghurt und Orange, aber auch gut selber zubereiten.

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L’omble chevalier, comme un taillé aux greubons [-/10]

Das Netz aus Schweinefett hat einen angenehm animalischen Goût, der darunter liegende Fisch aus dem Genfersee ist fad und ausdruckslos. Von den vorhin im Labor angekündigten hochwertigen Produkten, spüren wir hier nichts.

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Ravioli au vacherin Fribourgeois, eau de basilic [-/10]

Der Raviolo duftet nach feinem Basilikum. Am Gaumen erinnert er uns an die Convinience Version aus der Migros. Mit dem Unterschied, dass dieser hier weitaus wässriger schmeckt, als die ebenfalls eher ausdruckslose Variante vom Detailhändler.

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Die ersten 5 Gerichte sind durch und etwas konsterniert sitzen wir am Tisch. Bis hierhin gab es noch kein einziges Highlight. Etwas enttäuscht drehen wir die Muh-Dose auf unserem Tisch – die Stimmung mag das aber nicht merklich zu steigern.

Le traditionnel Birchermuessli de foie de canard [6/10]

Zeit für einen signature Dish von Martin. Das Gericht steht seit 2008 auf seiner Karte. Wir tauchen den Löffel in die Schale und führen das Müsli an den Gaumen. Dort schmilzen die Leberperlen langsam und setzen ein sehr feines Aroma frei. Sofort wird es von den Säurenoten der getrockneten Himbeere und Passionsfrucht flankiert. Ein sehr gutes und harmonisches Gericht, bei dem wir uns lediglich ein etwas intensiveres Leber-Aroma wünschten. Zudem vermissen wir die vom Gault-Millau erwähnte „Explosion am Gaumen“. Die kleinen Leber-Stückchen schmelzen zu langsam um eine solche Wirkung zu erzeugen. Trotzdem, bis jetzt klar das beste Gericht – so darf es weitergehen!

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Claude Nobs [-/10]

Bis zu seinem unerwarteten Tod Anfang des Jahres, war Claude Nobs Stammgast bei Denis Martin. Der Gründer des Montreux Jazz Festival kam so oft vorbei, dass man ihm, um ihn zu überraschen, einige Gerichte jeweils spontan in das Menü einbaute. Dieses Gericht ist eine Hommage an ihn und daher an jedem Abend anders – sehr originell wie wir finden. Wir haben heute Abend aber etwas Pech. Denn das heutige Gericht besteht aus einem frittierten Fischbällchen unter einem Zwiebelgeflecht und ist von entäuschender Qualität – nicht besser als das, was man beim Take-Away Stand um die Ecke erhält.

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Neige de colza Suisse, crabe et rhododendron [5/10]

Viel besser dann das süffig-feine, leicht süsse Mousse, welches wunderbar nach Rapsöl und Estragon schmeckt. Solche Aromen machen Spass.

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Fricasson Vaudois [5/10]

Das nächste Gericht ist simpel, gefällt uns dank der knusprigen Textur und dem Brataroma am Basmati-Reis sehr gut.

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Tout Tomate [-/10]

Das Gericht mit dem verheissungsvollen Namen, wird mit etwas Brot serviert. Erst beim zweiten Blick bemerken wir, dass es sich um kein echtes Gebäck handelt. Die Begeisterung über die real wirkende Optik, muss schnell der Enttäuschung über das befremdliche Aroma am Gaumen weichen. Die Konsistenz erinnert an Isoliermatte, der Geschmack ist künstlich und seelenlos. So stellen wir uns eine Tomate vor wie man sie in der Postapokalypse essen wird.

Das Gericht auf dem Hauptteller ist marginal besser, schmeckt aber auch konträr zu unseren Vorstellungen von „Tout Tomate“. An den „unechten“ Aromen sind die Essenzen schuld. Diese riechen zwar in der Nase aber schmecken nicht auf der Zunge. Im Moment würden wir alles für eine echte Tomate geben…

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Sii de Savièse & Langoustine [-/10]

Auffallend, zum ersten Mal am heutigen Abend verbreitet sich im Restaurant ein angenehmer Duft nach gutem Essen. Ein toller Kaisergranat an leicht geröstetem Sesam wird serviert. Eigentlich ein wunderbares Gericht, wäre da nicht dieses befremdliche  Rotweinpulver, welches überhaupt nicht zum Krustentier passen will und ihm damit die Chance raubt das Highllight des Abends zu werden.

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Roesti, Polenta Lyophilisée et sorbet Yuzu [5/10]

Auch das sehr gutesJoghurt-Eis mit Yuzu-Öl könnte gut als Dessert durchgehen. Ergänzt wird das Gericht, indem wir die Bisquit-Füllung mit gefriergetrocknetem Mais darüber leeren. Das Geschmacksbild ändert sich zwar nicht, jedoch wird das Ganze um eine Textur reicher.

Im Anschluss widmen wir uns dem etwas tangigen Cornet, welches sehr fein nach Speck und Zwiebeln schmeckt.

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Sachet coca „ïne“ [-/10]

Der nächste Happen wurde uns bereits bei der Demonstration im Labor präsentiert. Jetzt dürfen wir ihn selber probieren. Etwas befremdlich ist es schon, sich ein täuschend echt wirkendes Plastiktütchen in den Mund zu stecken. Zum Glück verflüchtigt sich die Tüte aber recht schnell und setzt eine Brause à la Cola-Tiki frei. Wir schauen uns am Tisch an und beginnen zu schmunzeln – aber weniger wegen dem Effekt sondern mehr wegen der unfreiwilligen Komik. „Tiki“ kennen wir zwar aus unserer Kindheit und noch heute ist die Brause eine schöne Erinnerung an diese Zeit. Doch anscheinend gehören wir nicht zu der Art Menschen die 250 Kilometer fahren um sich dann über ein solches Pulver zu freuen.

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Saucisson vaudois [5/10]

Dampf mit Liebstöckelgeschmack schwebt über unseren Tisch. Der Porzelanlöffel vor uns verschwindet im Nebel und taucht wenige Augenblicke später wieder auf. Ist der Löffel erstmals im Mund, verbreitet sich ein sehr facettenreiches und sich schnell änderndes Aroma. Wir mögen die Saftigkeit des Fleisches und die pikante Schärfe. Dazu ein subtiler Geschmack von Zitronengras.

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Chrysalide de Tête de moine et croquant Dézaley [6/10]

Auch das nächste Gericht ist eines der Highlights des heutigen Abends. Der in Zuckerwatte gehüllte Tête de moine harmoniert überraschend gut mit der Süsse. Auch der „Weissweinkorken“, auf dem zweiten Teller, ist richtig fein und harmonisch.

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L’oeuf coque de Gruyère [-/10]

Weitaus weniger gut funktioniert dieses Gericht. Es erinnert uns an ein kaltes Käsefondue. Das angekündigte Ei und den Schuss Kirsch schmecken wir nicht.

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Rosée du matin & Sous-bois [-/10]

Eine knusprige Textur, ein facettenreicher Geschmack nach Pilzen und Wald und dazu ein Löffel der nach Harz schmeckt. Eigentlich gute Voraussetzungen für einen spannenden Spaziergang durch das Unterholz, doch irgendwie will der Funke bei uns nicht überspringen. Uns stört vor allem die salzig, weisse Sülze. So ist dieses Erlebnis weitaus weniger genussreich als die Version die wir bei Heston Blumenthal vor ein paar Jahren erleben durften.

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Pigeon voyageur [5/10]

Originell wie die Taube den Weg auf unseren Teller findet: Der Service tritt mit einem Korb an unseren Tisch, greift ins Innere und streckt uns ein Couvert mit der Aufschrift „Luftpost“ entgegen. Darin wiederum finden wir eine Plastiktüte. In dieser wurde die Taube in der Mikrowelle fertig gekocht, nachdem man sie zuvor in der Pfanne scharf angebraten hatte. Mit der gereichten Schere öffnen wir den Beutel und leeren den Inhalt auf unseren Teller.

Während die Optik auf dem Teller – nachvollziehbarer Weise – etwas kläglich wirkt, macht das geschmackliche Ergebnis Spass. Der hochwertige Vogel ist perfekt gegart, entsprechend zart und wild im Geschmack. Auch die süssliche Sauce, mit dem leichten Rosmaringeschmack, überzeugt.

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Le cochon de la St. Martin [5/10]

Zeit für den letzten Gang vor den Desserts – Auftritt für den Bunsenbrenner. Gekonnt wird die dünne Kuppel über dem Gericht zu einer Sauce geschmolzen und das darunterliegende Schweinefleischbällchen freigesetzt. Das an eine Dim-Sum Füllung erinnernde Fleisch gefällt uns sehr, weniger die wässrige Sauce und der verkochte Lauch.

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Etolie des neiges „Pommes & Ricola“  [-/10]

Den Auftakt der süssen Armada machen frittierte Apfelschnitze an Zimtgewürz. Dazu ein Püree das tatsächlich sehr stark nach Ricola schmeckt.

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L’inconnu sur le thème du Läckerli de Bâle [-/10]

Auch der zweite Happen schlägt die Brücke zu seinem originalen Basler Vorbild. Einzig der Rotweingeschmack wirkt etwas befremdlich.

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Bâton de Cannelle

Die hauchdünne Schokoladenrolle schmeckt zwar wider Erwarten nicht nach Zimt, dafür unglaublich gut nach Milchschokolade.

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Tourte au Kirsch de Zoug  [-/10]

Nun geht es kulinarisch in die Zentralschweiz. Bei dieser modernen Interpretation der Zugerkirschtorte vermissen wir das Wichtigste: einen guten Kirsch. Abgesehen davon, gefällt uns das Dessert, welches wegen den knusprigen Elementen an das Rückteil der Original-Torte erinnert.

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Langsam wird das Menü etwas gar stark in die Länge gezogen. Denn wie schon auf die bisherigen Gänge, warten wir auch jetzt jeweils zehn Minuten auf das nächste Dessert. Da diese aber immer kleiner werden, würde es in unseren Augen mehr Sinn machen, wenn man die Nascherien vereint auf einem Teller servieren würde.

Caramel „Mou“  [-/10]

Der Caramel Cubus hat eine Geleeartige Konsistenz und wird geschmacklich von der gerösteten Nuss überstimmt. Witzig, das Papierchen kann man ebenfalls essen.

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Toblerone [5/10]

Und nochmals kommt der Bunsenbrenner zum Einsatz. Die Schokolade ist sehr fein. Dank dem Einsatz des wunderbaren Honigs, schafft man klare Assoziationen zur dreieckigen Schokolade.

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Wir haben nun Lust auf einen Espresso und geniessen diesen im kleinen Salon, in dessen Mitte ein massiver Holztisch steht. Neben dem guten Kaffen serviert man uns hier auch das Finale, Gericht Nummer 26.

La fille d’Einstein [-/10]

Der Effekt, mit dem sich selber aufblasenden Ballon, ist eindrücklich. Der Inhalt, zwei Bisquits die nach Sanddorn schmecken, sind es weniger – dafür sind sie zu trocken. Unsere Hoffnung, zum Schluss noch ein Highlight serviert zu bekommen, zerplatzten genau so schnell wie zuvor der schwarze Ballon.

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Fazit: Die Show ist Denis Martin gelungen. Vier Stunden lang hat es um uns herum geblitzt, geraucht und geknallt. Dabei kam lediglich einer am Tisch nicht auf seine Kosten: der Gaumen. Viele der Gerichte konnten, die zurecht hohen kulinarischen Erwartungen, nicht erfüllen. Zu vieles schmeckte belanglos und unausbalanciert. Klar, auch wir waren unter anderem beeindruckt, wie täuschend echt das Brot beim „Tout Tomate“ aussah, nur erinnerte dabei geschmacklich überhaupt nichts an das eigentlich tolle Gemüse.

Die Küche von Denis Martin polarisiert. Wir gehören zu der Art von Gästen, die eine gute Praliné, serviert auf einer simplen Papierserviette, jederzeit einem trockenen Bisquit, welches aus einem imposanten Ballon fällt, vorziehen. Wir mögen zwar überraschende Effekte, aber nur dann, wenn sie auch einen kulinarischen Nutzen haben. An diesem Abend hinkten aber die meisten Speisen geschmacklich weit hinter der Visualisierung her und oft hatten wir das Gefühl, dass der Goût, bei der Rezeptur, nur eine kleine Nebenrolle spielt.

Dass Martin auch Geschmack auf den Teller bringen kann, hat er bei einzelnen Gerichten demonstriert. Die Foie Gras Kompositon war intelligent und geschmacklich sehr interessant. Auch die Taube und drei, vier andere Gerichte haben uns richtig gut gefallen. So sind wir überzeugt, dass er durch eine Reduktion seines Menüs viel mehr herausholen könnte. Davon hätten am Schluss alle mehr. Martin, weil er nicht mehr diese Flut an Teller schicken müsste (und dadurch auch die Optik näher an seine Internetbilder führen könnte), die Servicebrigade, die sich mehr Zeit für die Gäste nehmen könnte und am Ende die Gäste, die von besser ausbalancierten, auf den Geschmack fokussierten Gerichten sowie einem aufmerksameren Service profitieren würden.

Martin will mit seiner Küche in erster Linie verblüffen und unterhalten. Gäste die einen etwas anderen Restaurantbesuch erleben möchten dürfen gerne einen Blick riskieren. So gab es auch um uns herum einige Paare, die sich offensichtlich bereits seit Jahren nichts mehr zu sagen hatten und dank den diversen Effekten ins Gespräch kamen oder wegen der Muuh-Dose wieder einmal herzhaft lachen konnten. In diesem Sinne hat Denis Martin sein Ziel erreicht.

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Menü: Zur Auswahl steht ein grosses Menü. Dieses besteht, je nach Saison aus ca. 22 bis 26 Gängen. Verrechnet wird dieses für 360 Franken.

Zeit: Das Menü dauerte 4.5 Stunden.

Wein: Eine Weinbegleitung wird nicht angeboten. Auf der kleinen Weinkarte findet man mehrheitlich Flaschen über 100 Franken. Offene Weine werden, abgesehen von je einem Weissen und Roten, nicht angeboten.

Online: Die tolle Website ist sehr schön und beinhaltet alles Wissenswerte.

Wertungen:  Gourmör O0 / Michelin M1 / Gault-Millau GM18

(Besucht im April 2013)